Vereinsschätze Kleiner Raum mit großem Zeitfenster

Von Thomas Klemm
Der HSG-Vorsitzende Hartmut Kremmer präsentiert im Traditionszimmer des Wernshäuser Handballsports die zahlreichen Exponate wie den massiven Holz-Pokal zum Gewinn des Bezirksmeistertitels der Saison 1963/64. Foto: /Thomas Klemm

Viele Schätze, Fundstücke und Trophäen in Sachen Handball schlummern in einem Raum im Dorfgemeinschaftshaus Wernshausen. Sie erzählen von der 95-jährigen Geschichte der Ballsportler aus der Werragemeinde.

 
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Wernshausen - Nach dem Betreten des kleinen Raumes ist man zunächst überwältigt von der Fülle an Exponaten, welches selbst einem Sportmuseum zur Ehre gereichen würde. Wimpel hier, historisches Fahnentuch dort und Pokale überall. Der Besucher muss seine Eindrücke erst einmal sortieren, bevor er den Blick auf die einzelnen „Zeitzeugen“ werfen kann. Dann aber fokussiert sich das Interesse auf einzelne Dinge, wie beispielsweise die Spielerkleidung aus dem Jahr 1947. Ein rosa-graues Wolltrikot und eine schwarze gepolsterte Tormannhose zeugen vom Sportgeschehen in der Nachkriegszeit. Und vom Handball unter freiem Himmel, der damals noch gespielt wurde. „Das Großfeldspiel war ja lange nach dem Krieg noch aktuell“, steht in der 2001er Chronik zum Jubiläum 75 Jahre Handball in Wernshausen geschrieben. „So gab es eine Landesklasse, in der sich Wernshausen nachh einem Entscheidungsspiel der beiden Staffelsieger im April 1951 in Meiningen gegen Zella-Mehlis mit 11:4 Toren durchsetzte, aber noch zu einem Qualifikationsspiel in Bad Blankenburg gegen Weimar antreten musste, das, eindeutig gewonnen, den Aufstieg in die Thüringer Landesklasse brachte.“ Mit dem Zug beziehunsgsweise mit Lastwagen mit Holzvergaser ging es danach zur Gegnerschaft nach Altenburg, Fraureuth oder Maxhütte. „Obwohl schon 1950 der Handball in der Halle erstmals international aufkam, pflegten wir noch das Großfeldspiel bis 1967“, steht weiter in der Chronik. Neben den Punktspielen konnte man an der Werra prominente Mannschaften zu Freundschaftsspielen begrüßen. „So war das 1952 der Großfeldmeister Buckau-Wolf aus Magdeburg-Fermersleben, wobei es bei Winterwetter am 1. Osterfeiertag ein 7:7 gab.“

Man sieht: Schlechte Witterungsbedingungen zu Ostern gab es auch schön in früheren Jahren, und die Kontakte zu den Magdeburger Handballern sind auch schon älteren Datums. Später gastierte der international erfolgreiche SC Magdeburg zu einem Freundschaftsspiel in Wernshausen. Das war 1987. Die Magdeburger, unter anderem mit Wieland Schmidt, Peter Pysall und Gunnar Schimrock, gewannen 34:17. Ein Wimpel erinnert im Traditionsraum bis heute daran.

Wem die Spielerkleidung aus dem Jahre 1947 einst gehörte, konnte Hartmut Kremmer nicht sagen. Aber während seiner „Führung“ weist der Vorsitzende der HSG Werratal auf viele andere interessante Dinge hin. Beispielsweise auf die massive eicherne Siegertrophäe zum Gewinn des Bezirksmeistertitels im Hallenhandball der Männer nach der Saison 1963/64. Ein Wernshäuser Handwerksmeister stiftete damals der BSG Aufbau Wernshausen diesen mit Fotos und Spielergebnissen verzierten „Pokal“ dem Verein. Apropos BSG Aufbau: Auch das Original-Vereinslogo aus dieser Zeit ist noch vorhanden. Das Schild zeugt von der Zeit vor der Fusion mit dem Sportverein Niederschmalkalden im Jahre 1988 zur Spielgemeinschaft, der später der Zusammenschluss mit den Breitungern folgen sollte, der zur HSG Werratal führte.

Nicht nur in sportlicher, sondern auch in politischer Hinsicht interessant sind die Plakate mit Spielansetzungen aus den fünfziger Jahren. Auf einem von ihnen wird auf die „Hallen-Handball-Großkämpfe um die Bezirksmeisterschaft“ in Wernshausen hingewiesen. Die fanden am Sonntag, dem 17. 1. 1954, statt. Unter der Einladung steht das Motto: „Sportler begrüßen die erneuten Friedensvorschläge der UdSSR“. Ja, Sport und Politik waren in der DDR eng miteinander verwoben. Noch ein Beispiel gefällig: Am Sonntag, dem 8. April 1951, 11 Uhr, findet in Meiningen auf dem Sportplatz an der Gasanstalt das Entscheidungsspiel der Handball-Bezirksklasse Südthüringen um den Bezirksmeister zwischen der BSG Fortschritt Wernshausen und der BSG Motor Zella-Mehlis statt. Es ladet dazu ein: Der Kreissportausschuß Meiningen. Und drunter steht: „Jeder Sportler ein Kämpfer für die Einheit Deutschlands und die Erhaltung des Friedens!“ Obwohl die BRD und die DDR zu diesem Zeitpunkt schon knapp zwei Jahre lang existieren, wird die deutsche Einheit nicht aus den Augen verloren …

Zurück zum Wernshäuser Handball. In diesem Jahr blickt man auf das 95-jährige Bestehen des organisierten Handballsports in der Werragemeinde zurück. Am 5. Mai 1926 wird im Protokollbuch zur Mitgliederversammlung des Turnvereins 1877 zum ersten Mal das Wort Handball erwähnt. Ein Mann namens Fritz Tanner hielt damals einen Vortrag über das Handballspiel. Und so geschah es, dass am 27. Mai 1926 eine Handballabteilung in diesem Turnverein gegründet wurde. Die Gründerväter waren Alfred Pfaff, Alfred Hopf, Kurt Jung, Ernst Grimm, Fritz Pfaff, Otto Baumbach, Richard Fischer sowie Fritz Tanner, E. Rehtanz, Hans Völker und Herbert Kirchner aus Niederschmalkalden. „Das erste Spiel wurde in Meiningen ausgetragen, wo man mit 2:12 eine herbe Niederlage einstecken musste. Damals gab es auch schon in Zella-Mehlis, Steinbach-Hallenberg, Suhl und Wasungen Mannschaften, mit denen man die ersten Vergleiche zog“, vermerkt die Chronik. Und wie soll es anders sein. Auch eine originale Fahne des Wernshäuser Turnvereins findet sich in dem Zimmer, das Hartmut Kremmer mit den Worten umschreibt: „Ein kleiner Raum mit großem Zeitfenster“.

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