Das Gericht stellt die CSU hier also durchaus auf eine etwas andere Stufe als andere Parteien - betont aber auch, dass der Gesetzgeber nicht zwingend diese Möglichkeit der gemeinsamen Berücksichtigung zweier eng kooperierender Parteien schaffen muss. "Vielmehr kann er die Sperrklausel auch in anderer Weise modifizieren", heißt es weiter.
Urteil mit Wermutstropfen
Das Urteil ist aber nicht durchgängig Grund zur Freude für die CSU, es gibt einen kleinen, aber feinen Haken. Auch Söder spricht von einem Wermutstropfen: weil Karlsruhe einen anderen zentralen Teil des neuen Wahlrechts gebilligt hat. So ist für die Zahl der Sitze im Bundestag nun allein das Zweitstimmenergebnis einer Partei entscheidend - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. Dann haben die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen das Nachsehen.
Das dürfte nach Lage der Dinge einzelne CSU-Kandidaten treffen, zum Beispiel in Städten wie München. Zudem kontert das Gericht in seiner Begründung eine klassische CSU-Argumentation, mit der diese allzu gerne auf Stimmenfang geht: Es wäre "verfehlt, Wahlkreisabgeordnete als Delegierte ihres Wahlkreises anzusehen", heißt es im Urteil.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt in Karlsruhe, eine Konstruktion, die einzelne gewählte Direktkandidaten anschließend für nicht gewählt erklärt, sei für Bürgerinnen und Bürger kaum vermittelbar. "Aber wir werden es zur Kenntnis nehmen müssen."
Söder stellt Koalitionsbedingung
Vorerst jedenfalls. Denn Söder kündigt umgehend an, eine unionsgeführte Bundesregierung wolle die neue Zuteilungsregelung wieder korrigieren. "Klar ist auch: Sollten die Wähler uns in der nächsten Regierung sehen, werden wir dieses Ampel-Gesetz umgehend ändern. Das ist für die CSU eine Koalitionsbedingung für eine nächste Bundesregierung", betont er.
Die Freien Wähler, die seit Jahren vergeblich von einem Einzug in den Bundestag träumen, schöpfen unterdessen womöglich etwas Hoffnung. Zwar ist die Fünf-Prozent-Hürde nach wie vor ein gutes Stück von allen Umfragezahlen entfernt. Manche Freie Wähler spekulieren aber tatsächlich darauf, dass es bundesweit für drei Wahlkreissiege reichen könnte - und hatten deshalb, wie die CSU, auf die Wiedereinsetzung der Grundmandatsklausel gehofft.
Entsprechend erfreut kommentiert Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger das Wahlrechtsurteil: "Ich halte das Urteil für vernünftig, dass eine Partei mit drei Direktmandaten weiterhin in den Bundestag kommt, selbst wenn sie nicht fünf Prozent der Stimmen bekommt."
Nur: Müsste Frontmann Aiwanger am Ende nicht selbst als Wahlkreiskandidat antreten? Aber was würde Söder dann zu seinem Koalitionspartner sagen? Klar ist schon jetzt: Der nächste Bundestagswahlkampf dürfte in Bayern wenig gemütlich werden. Und zwar für alle.
ÖDP will nach Karlsruher Urteil gegen Bayerns Wahlrecht klagen
Das Karlsruher Urteil könnte aber auch noch aus einem anderen Grund für die CSU ungewollte Folgen haben: Angespornt durch die Argumentation des Richterspruchs will die Kleinstpartei ÖDP in Bayern gegen das hiesige Landeswahlrecht klagen.