Der Fall
Bis zu sieben befreundete Arbeitskollegen der Fluggesellschaft, darunter zwei Brüder, bildeten über Jahre die WhatsApp-Gruppe und tauschten fleißig Nachrichten über ihre privaten Smartphones aus – auch mit Beschimpfungen und Beleidigungen Dritter. Vor geplanten Umstrukturierungen wurde ein Teil ihres Chat-Verlaufs kopiert und gelangte zunächst an den Betriebsrat und dann an den Personalchef - immerhin ein 316-seitiges Dokument. Dessen Echtheit bestätigte einer der Beteiligten schriftlich, wie aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hervorgeht.
Die Reaktion des Arbeitgebers
Dem Personalchef des Unternehmens wurde beim Lesen einiges zugemutet: Die Chats enthielten beleidigende, rassistische, teilweise menschenverachtende und sexistische Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt – unter anderem ist von „in die Fresse hauen“ die Rede. Der Arbeitgeber reagierte mit außerordentlichen Kündigungen, denen der Betriebsrat zustimmte. Die Betroffenen zogen vor Gericht – bis in die letzte Instanz in Erfurt. Die Kündigungsklagen der Chat-Mitglieder, die in den Vorinstanzen Erfolg hatten, wurden vom Bundesarbeitsgericht nun aufgehoben und das Verfahren zurück nach Niedersachsen verwiesen. Das Landesarbeitsgericht muss nun noch Detailfragen zum konkreten Fall klären.
Die rechtliche Bewertung
Letztlich ging es bei dem Verfahren um die grundsätzliche Frage, ob eine WhatsApp-Gruppe unter Kollegen eine Art geschützter Raum ist. „Bei kleinen, geschlossenen Chatgruppen wie oft bei WhatsApp ist die bisherige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte unterschiedlich“, sagte der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing der Deutschen Presse-Agentur. Fälle seien unter anderem von Gerichten in Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen verhandelt worden. Er verwies darauf, dass Chat-Inhalte stets weitergeleitet oder gespeichert werden könnten - anders als das gesprochene Wort im privaten Raum. Beleidigungen mit betrieblichem Bezug sind laut Thüsing „ein klassischer Grund für außerordentliche Kündigungen“.
Sozialen Medien und Gerichte
Grobe Beleidigungen und Ehrverletzungen von Kollegen und Arbeitgebern in den sozialen Medien spielen nach Angaben des Arbeitsrechtlers zunehmend eine Rolle bei Streitigkeiten vor den Gerichten in Deutschland. Das Spektrum sei breit – von der Weiterleitung intimer Fotos von Kolleginnen bis zur Kündigung per WhatsApp.