Helfer kämpfen Woche für Woche, um die Leidtragenden mit dem Nötigsten zu versorgen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hilft mit Lebensmitteln, Material für Notunterkünfte und Bargeld, damit die Familien Medikamente für kranke Angehörige kaufen oder ihre Miete bezahlen können. "Das hält sie über Wasser, aber es holt sie nicht aus der Armut", sagte Jean-Nicolas Beuze, UNHCR-Chef im Jemen, der Deutschen Presse-Agentur.
Reis, Brot, Zwiebeln, Tomaten - mehr können sich viele Familien nicht leisten. Beuze berichtet von der Begegnung mit einer Mutter mit sieben Kindern, die zehn Autominuten von einer Kriegsfront entfernt in Tais im Südwesten lebt. Die Kinder betteln und sammeln Blechdosen, um sie an Geschäfte zu verkaufen. Um zu überleben, schlössen sich Jungs bewaffneten Gruppen an. Mädchen prostituierten sich.
16 Millionen Menschen hungern. Weitere 5 Millionen stehen kurz vor einer Hungersnot. Unter Helfern ist dies ein sehr technischer Begriff: Eine Hungersnot wird erst ausgerufen, wenn 20 Prozent aller Haushalte extrem wenig zu essen haben, dazu 30 Prozent aller Kinder akut unterernährt sind und zugleich pro 10.000 Menschen täglich zwei oder mehr an Hunger sterben.
Auch die Gefechte haben sich verstärkt, seit die Huthis eine neue Offensive auf die strategisch wichtig Stadt Marib begonnen haben. 800.000 Vertriebene haben dort nach UN-Angaben Zuflucht gesucht. An 50 Fronten wird gekämpft, Aussichten auf eine politische Lösung scheinen in weiter Ferne. Die Huthis, so die Einschätzung von Experten, fühlen sich durch die neue US-Regierung sogar bestärkt. Präsident Joe Biden hat angekündigt, keine Kampfhandlungen im Jemen mehr zu unterstützen, und dem saudi-arabischen Militärbündnis damit wichtige logistische und Geheimdienst-Hilfe entzogen.
Zur Geberkonferenz schlagen Hilfsorganisationen Alarm. Diese sei ein "Schlüsselmoment" für die Weltgemeinschaft, um nach bald sechs Jahren "menschlich verursachter Katastrophe" mehr zu helfen, teilen zwölf Organisationen wie Save the Children, Care und Norwegischer Flüchtlingsrat mit. Ärzte ohne Grenzen erklärt, dass Hunderte Gesundheitseinrichtungen zerstört worden oder wegen fehlender Mitarbeiter und Mittel geschlossen seien. Die Forderung ist stets dieselbe: mehr finanzielle Hilfe. Vergangenes Jahr kam nur etwa die Hälfte der benötigten Summe zusammen.
"Der Krieg verschlingt eine ganze Generation", sagt UN-Chef Guterres. Trotz neuer Zusagen - vor allem von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Deutschland, den USA und der EU - bleibt der Jemen das "schlimmste humanitäre Desaster unserer Zeit", wie Bundesaußenminister Heiko Maas sagt. "Die Not der Menschen sprengt jede Vorstellungskraft."
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