Umweltverschmutzung Wald und Fluss als Müllkippen missbraucht

Martin Glienke

Alte Autoreifen, Lebensmittelabfälle und Bauabfälle – im Landkreis Sonneberg häufen sich die Fälle illegaler Müllentsorgung. Freiwillige und Anwohner tragen die Hauptlast. Die Behörden zeigen sich machtlos.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Michael Maletschek und Yvonne Kühnlenz ekeln sich vor dem Müll in der Röthen. Seit Monaten sollen hier Fäkalien und Hausmüll reingeworfen werden. Ein Unding für Mensch und Natur, finden sie. Foto: Carl-Heinz Zitzmann

Alte Autoreifen bedecken den Waldboden. So weit das Auge reicht, sieht man hier Gummi und Schrott. Dass die Autoteile hier nicht hingehören, sieht man dank des spärlichen Dickichts auf den ersten Blick. Eifrige Helfer laden sie in die abgestellten Container und Ladeflächen. Solche Bilder konnte man in diesem März in Judenbach beobachten. Das zuständige Forstrevier hat den Müll mit anstrengender Handarbeit entfernt. Damals wurde der „Reifencanyon“ gesäubert. Etwa 150 Autoreifen jeder Art lagen in einer Schlucht in der Thielleite herum – von Unbekannten achtlos weggeworfen. Es wird sogar vermutet, dass die Reifen aus Spaß in die Schlucht gerollt wurden. Witzig findet das vor Ort keiner. Das ist im Landkreis Sonneberg leider kein Einzelfall, denn die Verschmutzungen nehmen zu.

Nach der Werbung weiterlesen

In Truckenthal häuft sich der Müll

In Truckenthal bei Schalkau wurde der Redaktion vor Kurzem illegale Müllablagerungen gemeldet. Direkt hinter der Ferien- und Freizeitanlage werfen hier regelmäßig Leute ihren Müll hin, schildert eine Anwohnerin. Trotz mehrmaliger Nachfrage hat sich die örtliche Stadtverwaltung noch nicht zu den Zuständen geäußert. Das Forstamt in Sonneberg hatte keine Kenntnis von diesen Vorkommnissen. Die Reviere Rauenstein und Schalkau haben momentan auch keinen Revierleiter, heißt es vom zuständigen Forstamt. Das hat den Grund, dass der ehemalige Revierleiter in Schalkau mittlerweile den Chefsessel im Rathaus hat. Bürgermeister Mark Schwimmer war bisher zu diesem Missstand nicht erreichbar.

Auch im Blechhammer entsorgen Unbekannte regelmäßig Lebensmittel und Bauabfälle in die Natur. Eine Betreiberin eines Kleinkraftwerks berichtet, dass verschimmeltes Brot und gefrorene Lebensmittel den Mühlgraben verstopfen und durch die sommerliche Hitze für zusätzlichen Gestank sorgen. Diese Essensreste blockieren außerdem die Zufuhr zum Wasserkraftwerk, weshalb der Mühlgraben oft händisch gesäubert werden muss. Sie hat in der Vergangenheit versucht, dort Fische anzusiedeln, jedoch sieht sie das aktuell aufgrund der Wasserqualität als „sinnlos“ an, schildert die Frau.

Die Untere Wasserbehörde komme auch öfters zur Kontrolle vorbei, dennoch konnten auch sie keinen Schuldigen finden, heißt es. Zudem führen nicht ordnungsgemäß gesicherte Baumstämme zu weiteren Problemen für ihre Anlage. Bei Hochwasser sorgen treibende Baumstämme für hohe Schäden an dem Kraftwerk. „Die Höhe der Kosten kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt sie.

Roland Kaiser vom Thüringer Forstamt Sonneberg erklärt, dass stabil gelagertes Holz normalerweise nicht gegen Hochwasser gesichert wird. Sollte dennoch Holz ins Wasser geraten, wird es zeitnah entfernt und oberhalb der Hochwasserlinie abgelegt. Gefällte Bäume werden in der Regel innerhalb von vier Wochen abtransportiert. Die Vorwürfe einer unzureichenden Sicherung von Polter erwiesen sich bisher als haltlos, so Kaiser. „Das Holz kommt dann wohl von privaten Anliegern. Da haben wir keine Zuständigkeit“.

Michael Volk vom Landratsamt appelliert an die anliegenden Grundstückseigentümer, ihr Bau- und Brennholz ordnungsgemäß zu sichern, da eine Unterlassung strafbar ist. Müllentsorgung in Flüssen sei ebenfalls eine Straftat, die für sie schwer nachzuweisen ist. Es sind jedoch verstärkte Kontrollen geplant. Ob diese Überprüfungen auch durchgeführt werden, bleibt aufgrund des personellen Aufwands abzuwarten.

Anwohner ekeln sich an der Röthen

Am Oberen Graben werden regelmäßig Fäkalien und leere Flaschen in den Fluss geworfen, wie der Redaktion Anlieger Michael Maletschek mitteilt. Er vermutet, dass ein Nachbar flussaufwärts regelmäßig Abfall in den Fluss wirft. „Jeden Tag um ungefähr 21 Uhr wird der Nachttopf ausgeleert. Das ist einfach eklig und gehört sich nicht“, sagt er. Auch andere Bewohner an der Röthen schimpfen über die Wasserqualität. „Momentan ist der Wasserstand relativ niedrig. Da wird nicht so viel Müll den Fluss heruntergeschwemmt“.

An anderen Tagen sähe die Situation deutlich schlimmer aus. „Ich mache mir auch Sorgen um die Kinder, die flussabwärts spielen. Das ist doch gesundheitsschädlich für die“, sagt er. Die Verursacher seien ihm und seiner Partnerin Yvonne Kühnlenz bekannt, sagt Maletschek. Öfter habe man versucht, eine Einigung mit den vermeintlichen Übeltätern zu erzielen – bisher ohne Erfolg. Die Polizei war auch schon einige Mal vor Ort. Eine Strafanzeige wurde bisher nicht gestellt, sagt Pressesprecherin Stefanie Kurrat. „Es besteht hier kein Tatbestand“.

Nachbarin ist resigniert

Eine engagierte Nachbarin sammelt regelmäßig weggeworfene Alkoholflaschen aus dem Fluss, um die Schäden zu begrenzen. Die Glasflaschen sind glücklicherweise meistens heil, sonst könnte man sich hier schneiden. „Erst letztens habe ich wieder zwei Flaschen Korn aus dem Wasser gezogen“, erzählt sie. Für sie ist das Sammeln mittlerweile schon zur Routine geworden. Große Hoffnungen, dass sich etwas ändert, hat sie nicht. Die Behörden wurden schon öfter alarmiert. Das Problem sei bekannt, sagt Pressesprecher Volk. Das Landratsamt habe auf die Vorfälle reagiert und mehrere Fachbehörden, wie die Untere Wasserbehörde, eingeschaltet. Abgesehen von Vor-Ort-Nachschau seien weitere Maßnahmen aktuell aber nicht möglich.

An der Röthen ist auftretendes Hochwasser ebenfalls ein Problem. Eine Anliegerin erzählt, dass bei erhöhtem Wasserstand mehr Müll durch den Graben geschoben wird. Sie haben schon erlebt, dass Zeltplanen und Metallgegenstände durch die Fluten mitgerissen wurden. In ihrer kleinen Wehranlage bleiben regelmäßig weggeworfene Sachen hängen. Dann liegt es wieder an den Privatleuten, den Fluss eigenständig zu säubern, da kein Verantwortlicher gefunden werden kann.

Kein neues Problem im Landkreis

Die Aufräumaktion vom „Reifencanyon“ in Judenbach war keine einmalige Aktion. Im Mai versammelten sich Freiwillige abermals vor Ort, um der Situation Herr zu werden. Durch die zunehmende Trockenheit und das Wüten des Borkenkäfers ist wieder Müll ans Tageslicht gekommen. Unweit des Wendehammers fand man unter anderem alte Fahrräder, Sofakissen und einen alten Kühlschrank. Eine Ladung alte Gipsformen und bergeweise verschimmeltes Heu tauchten ebenfalls auf. Trotz dieser Aktionen beklagt das Landratsamt weiterhin Umweltsünder, die bislang nicht bestraft werden konnten. Es fehlt an ausreichender Überwachung der Wälder, da das Personal knapp ist und die Täter oft nachts oder in abgelegenen Gebieten agieren. Die Einführung von Überwachungskameras und Drohnen wird diskutiert, doch Kosten und Datenschutz stellen Hindernisse dar.

Doch auch der Müll aus vergangenen Jahrzehnten belastet die Wälder erheblich. Laut Kaiser gab es in der Region an nahezu jedem Ortsrand mindestens eine alte Hausmülldeponie. Ob diese legal oder illegal waren, lässt sich heute kaum noch feststellen. „Durch den Einsatz schwerer Maschinen im Wald wird der Bewuchs auf den Müllhaufen zerstört und der alte Abfall kommt wieder ans Tageslicht: Bauschutt, Asbestplatten oder Plastikrohre.“ Um diese Altlasten muss sich dann das Landratsamt kümmern. In manchen Fällen werden auch die Waldbesitzer für die Entsorgung zur Kasse gebeten, wenn das Gelände in Privatbesitz ist. So oder so ist es ein personeller Aufwand.

Höhere Strafen sind geplant

Eine vollumfassende Lösung für dieses Problem scheint in weite Ferne zu rücken. Aus der Politik gibt es nur vereinzelte Impulse: Die CDU-Fraktion plant, härter gegen illegale Müllentsorger vorzugehen. Eine Taskforce „Müll-Ermittler“ soll gegründet werden, um Vergehen häufiger zu erfassen und Strafen zu verhängen. Zudem ist eine Aktualisierung des Bußgeldkatalogs geplant, um die Strafen für Umweltverstöße zu erhöhen. Je nach Vergehen drohen in Thüringen derzeit Bußgelder zwischen 10 und 10 000 Euro. Das klingt zunächst gut und richtig, dennoch helfen härtere Strafen nur dann, wenn man diese auch durchsetzt. In vielen Fällen erweist sich die Suche nach dem Schuldigen aber als aussichtslos.