Umfrage Mehrheit der Thüringer findet die DDR positiv

Eike Kellermann

Erinnerung vergoldet: Vor allem die älteren Thüringer haben ein positives Bild von der DDR. Wegen sicherer Arbeitsplätze und weniger Überfällen, ergab jetzt eine Umfrage.

 
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Die Mehrheit der Thüringer hat eine positive Einstellung zur DDR. Das geht aus der Studie „Geteilte Erfahrungen - Fortschreibung des Berichts zur sozialen Lage der Opfer des SED-Regimes in Thüringen“ hervor. In Auftrag gegeben hat sie Peter Wurschi, der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Der repräsentativen Studie zufolge gaben 51 Prozent der rund 1000 Befragten an, eine positive Einstellung zur DDR zu haben. 21 Prozent stuften ihre Haltung als neutral ein, 29 Prozent als negativ. Ähnliches war in früheren Jahren auch schon vom „Thüringen-Monitor“ gemessen worden.

Am höchsten ist die positive Einstellung zur DDR in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen mit 57 Prozent. Am geringsten ist sie in der Nachwende-Generation mit 36 Prozent. Die 18- bis 24-Jährigen sind zugleich die einzige Altersgruppe, in der die negative Einstellung zur DDR mit 46 Prozent die Ostalgiker überwiegt. Die Autoren der Studie sprechen von „Retromanie“, eine Haltung, bei der die Betreffenden meinen, dass früher alles besser war. Der Studie zufolge bewerteten die Befragten die DDR-Diktatur, die 1989 durch Proteste und Wirtschaftsschwäche zusammenbrach, auf einer Skala von -5 bis 5 mit 0,7 und damit nur unwesentlich schlechter als die heutige Bundesrepublik mit 1,06.

Landesbeauftragter Wurschi verwies zugleich auf die differenzierteren Bewertungen der DDR im Detail. So beurteilten die Befragten die damalige Arbeitsplatzsicherheit und Kriminalitätsbedrohung zwar als positiv. Allerdings überwogen in ihrem Rückblick bei weitem die negativen Erfahrungen, etwa bezüglich der Reise- und Pressefreiheit, dem Zustand von Städten und Umwelt oder der freien Meinungsäußerung. „Mit diesen Ambivalenzen sollte man normaler umgehen“, sagte Wurschi. Für ihn sind sie Ausdruck einer „Sehnsucht nach Einfachheit“. „Politik, Medien, Schulen - jeder hat seinen Teil dazu beigetragen“, sagte er. Trotz der Nostalgie will aber so gut wie niemand zurück in die Zeit von Schlangestehen, Trabi und Braunkohle-Smog: Nur fünf Prozent der Befragten befürworteten eine Rückkehr zur sozialistischen Ordnung.

Die Wiedergutmachung von SED-Unrecht stößt indes auf große Zustimmung. 84 Prozent der Befragten begrüßten, dass SED-Opfer Ansprüche mittlerweile unbefristet geltend machen können. 63 Prozent gaben überdies an, dass Betroffene einen weitestgehenden oder sogar vollständigen Anspruch haben sollten. Bisher bekommen politisch Verfolgte nur dann die Opferrente von monatlich maximal 330 Euro, wenn sie mindestens drei Monate in Haft waren und ihre wirtschaftliche Lage heute besonders beeinträchtigt ist.

Die Lage der SED-Opfer in Thüringen hat sich seit der vorigen Befragung im Jahr 2007 verbessert. So hat sich ihr Haushaltseinkommen erhöht. Auch die Zufriedenheit mit der eigenen Rehabilitierung ist gestiegen. Allerdings sind sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung weiter schlechter gestellt. So ist der Anteil der Geringverdiener mit einem Nettoeinkommen von maximal 1000 Euro im Monat mit 43 Prozent deutlich höher als im Durchschnitt mit 29 Prozent. Ursache sind gebrochene Biografien mit Heimeinweisungen, Arbeitsplatzverlust oder Haft. Auch gesundheitlich geht es ihnen schlechter. So berichteten 28,9 Prozent von Schlafstörungen, in der übrigen Bevölkerung sind es 6,7 Prozent. Zu ihrer sozialen Lage befragt wurden 453 SED-Opfer. Ausgewählt wurden sie aus einer repräsentativen Gruppe von 5000 Thüringern, die wegen des in der DDR erlittenen Unrechts rehabilitiert worden waren.

Landesbeauftragter Wurschi sprach sich dafür aus, die Opferrente wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten zu erhöhen sowie Ausgleichszahlungen für SED-Opfer im Rentenalter nicht zu kürzen, wie das bisher der Fall ist. Er ermunterte Betroffene, die Beratungsangebote zu nutzen. Die Mitarbeiter helfen bei Fragen zur Rehabilitierung oder zum Thüringer Härtefallfonds, der Sachleistungen bis zu 5000 Euro finanziert. Meinung und Seite 3

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