Trommsdorff wird zu einem Wegbereiter der modernen Agrikulturchemie. Die Ausstellung illustriert das mit Urkunden und Dokumenten, mit einem Laboratorium aus historischen Gefäßen und Geräten. Hörstationen ergänzen das Gesehene. Oft werden historische mit aktuellen Fakten verknüpft, zum Beispiel zur Situation von Apotheken.
Thüringen gilt als Keimzelle der modernen wissenschaftlichen Ausbildung von Apothekern. Trommsdorff gründet 1795 in Erfurt die chemisch physikalische und pharmazeutische Pensionsanstalt für Jünglinge, er wird zum Wegbereiter des akademischen Studiums der Pharmazie. Der Lehrplan an seinem Institut und die heutige Ausbildung sind gleichermaßen anspruchsvoll und vielseitig, wie ein Vergleich belegt. Trommsdorff publiziert, korrespondiert und pflegt internationale Kontakte. Er ist Mitglied und Ehrenmitglied in 49 europäischen Akademien. Zum bereits erwähnten 50. Berufsjubiläum treffen sich im Oktober 1834 in Erfurt über 800 Wissenschaftler und Freunde aus Europa, um ihn zu feiern und zu ehren. Diplome, Urkunden, Dokumente, Pokale, Medaillen und Kuriosa wie eine Tabatiere von Zar Alexander vermitteln anschaulich und emotional, welche große nationale und internationale Wertschätzung Trommsdorff genießt.
Als Unternehmer ist Trommsdorff außerordentlich erfolgreich. Bereits 1797 beginnt er im großen Stil mit der Fabrikation von Pfefferminzöl. Mit der selbst gefertigten Moos-Schokolade mit isländischer Flechte erzielt er sehr gute Gewinne. Für die Ausstellung ist diese Schokolade mit einem angepassten Rezept hergestellt worden.
Eine Reiseapotheke als Vorbild der chemischen Probierkabinette, von Trommsdorff entwickelt, nimmt Alexander von Humboldt mit auf seine Forschungsreisen. Ein herausragendes Schaustück ist der Toilettenkasten, heute würde man Schminkkasten sagen, von Kaiserin Joséphine, der Frau Napoleons. Trommsdorffs innovative Produkte verkaufen sich sehr gut.
Kurz gestreift wird die Gründung einer pharmazeutisch-chemischen Fabrik in Erfurt durch Trommsdorffs Sohn Hermann 1842. Der größte Teil der Erfurter Produktpalette geht 1892 an die Firma E. Merck in Darmstadt, heute ein global agierender und erfolgreicher Pharmakonzern. Der Visionär und Humanist Trommsdorff setzt sich für eine kostenlose medizinische Versorgung inklusive kostenloser Medikamente für die Menschen ein. Er unterstützt Wilhelm Arnoldi bei der Gründung der ersten Deutschen Lebensversicherungsanstalt in Gotha.
Im Epilog der Ausstellung wird ein historischer Brückenschlag gewagt: „Erfurt im Ausnahmezustand 1831 / 2020“. Vor knapp 200 Jahren eine Cholera-, heute eine Corona-Pandemie. Wie zu Trommsdorffs Zeiten ist das für die Bürger mit Isolation, Quarantäne und Reisebeschränkungen verbunden.
Die Sonderausstellung sollte schon am 1. Dezember 2020 starten und ist nach erzwungener Pandemiepause seit dieser Woche geöffnet. Sie wird nun bis ins nächste Jahr verlängert, damit das Publikum endlich diesen herausragenden Wissenschaftler, Unternehmer und Humanisten Johann Bartholomäus Trommsdorff kennenlernen kann, der noch heute in die Welt ausstrahlt.
„Wann wird es besser?“ „In der nächsten Generation“, lautet 1815 die Antwort in der Zeitung. Und heute? Das ist spekulativ.