Trickbetrug in großem Stil Keine Sprechzeit für „Dr. Wagner“

Antje Kanzler
Trickbetrüger, die ihren Opfern mit Telefonterror Geld aus der Tasche ziehen wollen, haben es momentan auf die Region Meiningen abgesehen. Foto: picture alliance/dpa/Biczysko

Reden Sie bloß nicht mit „Doktor Wagner“! Unter diesem Namen belästigten Enkeltrickbetrüger am Freitag und Samstag nämlich reihenweise ältere Bürger aus dem Landkreis. Das Beste ist: Gleich auflegen und die Polizei informieren.

 
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Meiningen - Es scheint ganz so, als ob die Enkeltrickbetrüger gerade den Landkreis Schmalkalden-Meiningen terrorisieren. Extrem häufig versuchten sie in den vergangenen Tagen, ältere Menschen aus der Region abzuzocken. Wie üblich, wählen sie nach einem höheren Lebensalter klingende Namen in Telefonverzeichnissen aus, um die Senioren anzurufen und ihnen mit hanebüchenen Geschichten über verunglückte oder erkrankte Kinder und Enkel viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Aktuell tischen die Betrüger, die meist – wie Recherchen und Ermittlungen ergeben haben – in Callcentern im Ausland sitzen und ihre Handlanger vor Ort zum Geld-Abholen losschicken, zwei recht ähnliche Legenden auf. Ein angeblicher Arzt aus dem Meininger Klinikum meldet sich am Telefon und behauptet, ein Kind oder Enkel habe einen Unfall erlitten oder sei an Covid-19 erkrankt und brauche ein teueres Medikament. Bei einer Frau aus Herpf rief „Doktor Wagner“ am Samstag gegen 13 Uhr mit unterdrückter Nummer an und meldete sich angeblich aus dem Klinikum in Dreißigacker. „Er sagte, meine Tochter läge im OP-Saal, sie wäre verunglückt“, erzählt die Herpferin, deren Tochter aber tatsächlich in ihrer Nähe weilte. „Deswegen sagte ich, dass das nicht sein könne, da meine Tochter neben mir steht. Wortlos legte der Anrufer auf, der mit einem nur leicht hörbaren ausländischen Akzent sprach.“ Als sie später die Polizei informierte, sagte ihr der Beamte am Telefon: „Doktor Wagner versucht schon den ganzen Tag, 27 000 Euro für die Behandlung und Medikamente für verunglückte Angehörige zu erhalten“, erzählt die Herpferin. „Zu meinem Geburtsjahr 1946 meinte er, dass ich nicht die Älteste bin, die sich heute an die Polizei wendet.“

Nachlesen ließ sich der Überfall der Enkeltrick-Heuschrecken auf die Senioren der Region auch im gestrigen Polizeibericht. Auch schon am Freitag hatte die Polizei über die neue Betrugsmasche mit Verunsicherungsstrategie berichtet, bei der ein vermeintlicher Arzt des Klinikums anruft und vorgibt, dass ein Angehöriger gerade aufgrund einer schweren Covid-19-Erkrankung um sein Leben kämpfen würde und dringend ein Medikament benötige. Dieses Medikament müsse allerdings vor der Behandlung bezahlt werden, sonst werde der Angehörige sterben. Meist verlangen die Ganoven 15 000 bis 25 000 Euro. Bis gestern hatten sich schon 52 Bürger aus dem Landkreis bei der Polizei gemeldet, bei denen die Betrüger „ihr Glück“ versuchten. Nach derzeitigen Erkenntnissen bisher vergebens. Eine 80-Jährige aus Einhausen wäre beinahe auf diesen Trick reingefallen. Doch eine aufmerksame Mitarbeiterin der VR-Bank in Meiningen konnte das verhindern. Als die 80-Jährige eine größere Summe Bargeld abheben wollte, ahnte die Bankangestellte, was dahintersteckt und informierte die Polizei. Die Ermittlungen laufen.

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