Trauerfeier für tot aufgefundenes Mädchen Ein kleiner Teddy begleitet das Baby auf seiner letzten Reise

Diese Erinnerungstafel am Dorfrand in Geschwenda soll künftig auf dem Grabstein an das kleine, namenlose Mädchen erinnern, das hier vor drei Jahren tot aufgefunden wurde. Foto: Florentine Nelz

Das in Geschwenda tot aufgefundenes Baby soll in der kommenden Woche auf dem Waldfriedhof mit einem christlichen Begräbnis beigesetzt werden und dort seine letzte Ruhe finden.

 
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„Vielleicht erreichen wir damit ja die Mutter des Babys und sie meldet sich endlich, wenn wir die Beerdigung öffentlich machen“, hofft Florentine Nelz. Sie hat mit anderen jungen Frauen und Müttern aus Geschwenda die Bestattung des kleinen Mädchens initiiert. So wie auch schon die Gedenkfeier im Mai 2019.

Blick zurück um drei Jahre: Spaziergänger hatten am Karsamstag die Leiche eines nur wenige Wochen alten Mädchens entdeckt. An der Viehträbe, einer Wiese am Rand des 2100-Einwohner-Dorfes an der A71. „Es war damals ein riesiger Schock für die Geschwendaer. Das hat sehr viele Menschen im Ort bewegt, sie haben geweint, waren wütend, schockiert und wussten kaum wohin mit ihren Emotionen“, erinnert sich Florentine Nelz. Gemeinsam hat sie mit Jenny Lange, Caroline Brömel, Doreen Buhr und Sina Kummer überlegt, was man tun könnte, damit die Menschen das verarbeiten können. „Das Dorf wusste nicht, wohin mit seiner Fassungslosigkeit und Trauer“, sagt die Geschwendaerin.

Deshalb hatten sie sich damals an Pfarrer Sebastian Pötzschke gewandt und eine Gedenkfeier für das kleine Mädchen organisiert. „Wir haben dafür Sterne mit Teelichten gebastelt, um die Kirche angemessen und feierlich zu dekorieren und Lichter der Hoffnung zu senden“, erinnert sich Florentine Nelz. „Und viele kamen, um der Kleinen zu gedenken und ihre Anteilnahme zum Ausdruck zu bringen. Die Kirche war voll.“

Bis heute hat die Polizei keine Hinweise auf die Identität des kleinen Mädchens, keinen Geburtstag und kein Sterbedatum und auch keinen Namen. Seit nunmehr drei Jahren sucht die Kripo nach der Mutter, versucht Hinweise auf den Vater zu bekommen und hat alles unternommen, um die Identität des kleinen Mädchens aufzuklären.

Nicht vergessen

Auch in Geschwenda habe man das Kind in all der Zeit nicht vergessen, sagt Florentine Nelz, „wir reden über sie, dass sie jetzt schon laufen könnte, vielleicht in den Kindergarten gehen würde und schon sprechen könnte“. Eigentlich ...

„Schon damals haben wir versprochen: Wenn das Verbrechen an diesem kleinen Mädchen nicht aufgeklärt werden sollte und die Kleine freigegeben werde, soll sie hier auf unserem Friedhof ihre letzte Ruhe und Frieden finden.“ Bürgermeister und Pfarrer unterstützen diese Idee und haben einen Platz mitten auf dem Friedhof gefunden.

Für Pfarrer Sebastian Pötzschke ist eine solche Beisetzung nicht alltäglich, wie er sagt. Dabei habe er mehr als 40 Beisetzungen im Jahr, Trauer und Abschied begleiten ihn sowieso. Man lerne, damit umzugehen, wenn man alte Menschen beerdige. Aber wenn man beispielsweise mit Eltern am Grab des Kindes stehe, „fehlen einem die Worte, weil mancher Schmerz einfach keine Worte hat“. Beim Tod dieses Babys werde man daran erinnert, dass Selbstverständlichkeiten im Leben wegbrechen können, denn eigentlich sterben doch zunächst die Alten, sagt er. Er sei sehr froh, dass sich im Falle des Mädchens Menschen gefunden haben, die sich verantwortlich fühlen. „Es ist ihnen wichtig, sie kümmern sich so, als wäre es eine Angehörige!“

Nichts ist selbstverständlich

In solch speziellen Situationen merke er, wie wichtig seine Arbeit sei, sagt er, weil eben nichts selbstverständlich ist, wenn Dunkelheit, Trauer, Schmerz und Böses komme. „Es geht mir nicht um Schuld, niemand weiß um die genauen Umstände. Möglicherweise gab es eine Notsituation, die so dunkel und schlimm war, dass sie so etwas bewirkt hat. Oder Mutter oder Vater waren in einer dermaßen außergewöhnlichen Situation, die dazu führte, das Kind dort abzulegen. Dunkelheit und Not müssen emotional so schlimm gewesen sein, die Menschen müssen so kaputt gewesen sein, dass sie so handelten. Um dahin zu kommen, so etwas zu tun, muss man im Dunkel gefangen sein .“

Ein gutes Zeichen

Und gerade, wenn es so finster ist, müsse man ein Licht anmachen, da reiche die kleinste Flamme, sagt Pötzschke. „Dieses Licht machen die Menschen, die das kleine Mädchen nicht allein lassen. Sie sorgen dafür, dass es wenigstens im Tode nicht allein ist, indem sie ihm einen Platz mitten auf dem Friedhof und nicht einsam am Rand geben“, sagt der Pfarrer. Auch der Steinmetz, der den Grabstein fertigen wird, der Bestatter und die Gemeinde Geratal unterstützen dabei. „Sie alle sind das kleine Licht. Sie sind liebe, herzensgute Menschen, die das kleine Mädchen nicht allein lassen.“ Das hätte auch ganz anders laufen können, sagt er. Das Kind hätte auch anonym beigesetzt werden können. Aber das ist hier nicht so. „Hier ist das ganz anders und das ist ein gutes Zeichen und erinnert daran, dass wir zu Gutem fähig sind“, hebt er hervor.

Auch Pfarrer Pötzschke belastet die Situation. Es sei auch für ihn schwer und gehe ihm nahe, einen so kleinen Menschen beisetzen zu müssen.

Beisetzung

Am Freitag, 29. April, um 14 Uhr, soll das namenlose Baby auf dem Geschwendaer Friedhof in einem kleinen Sarg beigesetzt werden. „Das kleine Mädchen muss aber nicht alleine darin liegen. Sie bekommt einen kleinen Teddy mit auf ihren letzten Weg“, sagt Florentine Nelz. Das Bestattungsinstitut Roga übernimmt kostenfrei die Bestattung, Steinmetz Rose gestaltet den Grabstein kostenfrei. Er wird die Erinnerungsplatte, die bislang an der Auffindestelle an das Mädchen erinnerte, am künftigen Grabstein anbringen. Darauf steht „Auch wenn Deine kleinen Füße nie die Erde berührten “, denn einen Namen hat das kleine Mädchen ja nicht.

Eine Opernsängerin wird die Erdbestattung musikalisch umrahmen und Sina Kummer und Annett Kümmerling von Roga-Bestattungen kümmern sich um die würdige Ausgestaltung der Beisetzung, so Florentine weiter. Sie werde sich dann auch gemeinsam mit ihrer Schwester Sina um die weitere Pflege des Grabes kümmern, sagt sie. Sie pflegte und bepflanzte auch die Auffindestelle.

„Unser Dorf war wie gelähmt von dieser unheimlichen Tat. Gut, dass das alles jetzt ein würdiges Ende findet“, sagt sie. „Uns ist es wichtig, dass die Mutter erfährt, wie viele Menschen ihr Baby auf seinem letzten Weg begleiten. Wir glauben nicht, dass sie ihr Kind von Anfang an nicht gewollt hat. Schließlich hat sie es mehrere Wochen gestillt, gepflegt und sich gekümmert. Aber wir wollen nicht urteilen, denn niemand weiß, was wirklich geschehen ist.“

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