Tragödie nach Hauptmann Packende letzte Schauspielpremiere

red
Holte das Drama in die Gegenwart: Ewald Palmetshofer. Foto: /R. M. Werner

„Vor Sonnenaufgang“ nach Gerhard Hauptmann – ein packendes Schauspieler-Fest – wird am 20. Mai die letzte Schauspielpremiere dieser Spielzeit am Meininger Staatstheater sein.

 
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Als 1889 das sozialkritische Drama „Vor Sonnenaufgang“ des noch unbekannten Gerhart Hauptmann an der Freien Bühne Berlin zur Uraufführung kam, markierte begann eine neue Strömung in der deutschsprachigen Theaterliteratur: der Naturalismus. 2017 nahm sich der österreichische Autor Ewald Palmetshofer des „sozialen Dramas“ Hauptmanns an. Entstanden ist ein berührend trauriges, aufwühlendes Stück, das nun im Großen Haus des Meininger Theaters Premiere feiert – ein intensiver Schauspielabend darf erwartet werden.

Im Haus der Familie Krause erwarten Martha, die älteste Tochter des Familienoberhaupts Egon Krause, und ihr Mann, Thomas Hoffmann, ihr erstes Kind. Deshalb ist auch Helene, die jüngere Schwester Marthas, angereist. Da steht Alfred Loth, ein ehemaliger Kommilitone und Mitbewohner Thomas Hoffmanns, vor der Tür. Die beiden haben sich seit zwölf Jahren nicht gesehen. Unterschiedlicher könnten sich die beiden Freunde nicht entwickelt haben: Hoffmann hat sich mit der Ehe einen Platz im Vorstand des familiären Betriebs gesichert und ist zudem in einer rechts-konservativen Partei, Idealist Loth schreibt für ein linkspolitisches Magazin. Während die Männer im Wohnzimmer ihre politischen Grabenkämpfe ausfechten, Helene sich in den Neuankömmling verliebt und zwischen Egon und Annemarie die gut versteckten Probleme aufbrechen, bahnt sich oben, im Geburtszimmer, eine Tragödie an ...

Das erste naturalistische Drama des 26-jährigen Gerhart Hauptmanns sorgte bei der Uraufführung für einen Theaterskandal, der spätere Literaturnobelpreisträger wurde mit einem Schlag führender Autor des Naturalismus. Ewald Palmetshofer überträgt die Handlung in die Gegenwart, in den Ballungsraum einer Großstadt. Wie Hauptmann stellt er Thomas Hoffmann und Alfred Loth in den Mittelpunkt, die trotz der einst geteilten Ideale an verschiedenen Enden des politischen Spektrums stehen. Nicht nur für Hoffmann, auch für die anderen Familienmitglieder wird der Neuankömmling zum Katalysator für das Aufbrechen all der unausgesprochenen Probleme und Ängste, aber auch zum Erwachen von Hoffnung auf Veränderung. Der mehrfach ausgezeichnete Autor macht gesellschaftliche Fehlstellungen sichtbar. Pointiert und nicht ohne Humor zeichnet er anhand der dysfunktionalen Familie Krause das Bild einer sich immer stärker polarisierenden Gesellschaft, in der eine gemeinsame Sprache nicht gleich auch Verständnis bedeutet.

Am Meininger Theater verspricht das Stück in der Regie des französischen Regisseurs Nicolas Charaux ein intensiver poetischer Abend zu werden. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Figuren und ihrer Sehnsucht nach Nähe, Verständnis und gesellschaftlichem Miteinander. Bühnenbildnerin Pia Greven hat dafür ein Bühnenbild entworfen, dass den Schwebezustand der Figuren, den Auf- als auch Zusammenbruch gleichermaßen erzählt. Eine Live-Kamera kommt zum Einsatz, die parallele Erzählebenen ermöglicht.

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