Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angedeutet, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben werden. Was empfehlen Sie den sogenannten Normalanlegern?
Das kommt auf die persönlichen finanziellen Wünsche und Ziele sowie die damit verbundenen Erwartungen an die Sicherheit, Rendite, Liquidität und Nachhaltigkeit von Vermögensanlagen an. Für den kurzfristig verfügbaren „Notgroschen“ eignet sich weiterhin die Anlage überschaubarer Beträge auf dem Sparbuch oder Tagesgeldkonto, sofern dort keine Negativzinsen berechnet werden. Wer vorausschaut und dabei vielleicht einen Immobilienwunsch und die private Altersvorsorge im Blick hat, kann Bausparverträge, Investmentfonds und Versicherungen in die Vermögensplanung einbeziehen. Vor solchen Entscheidungen empfiehlt sich allerdings eine gute Allfinanzberatung durch eine Expertin oder einen Experten.
China hat zuletzt mit einer stärkeren Regulierung von Internetfirmen Investoren geschockt. Ist das Land für Anleger trotzdem noch attraktiv?
Die chinesische Volkswirtschaft ist auch 2020 gewachsen und belegt mit einem Bruttoinlandsprodukt von etwa 13 Billionen Euro Platz zwei in der Welt. Allerdings spielen chinesische Aktien für deutsche Privatanleger bislang kaum eine Rolle. Der Markt ist stark reguliert und für Ausländer nur bedingt zugänglich. Zudem spiegelt die Wertentwicklung chinesischer Wertpapiere nicht unbedingt das starke Wirtschaftswachstum wider. So weist der für internationale Aktienanleger interessante Shanghai-B-Kursindex über die letzten zehn Jahre eine Wertentwicklung von nahe null und für die letzten fünf Jahre ein Minus von rund 25 Prozent aus.
Nach Einschätzung mancher Experten gehört Kryptowährungen die Zukunft, andere wiederum halten sie für hoch riskant oder gar gefährlich. Sollten Anleger in Bitcoin und Co. investieren?
Auch aufgrund mitunter sehr starker Kursschwankungen sind Kryptowährungen eine höchst spekulative Angelegenheit. Als Recheneinheit, als Tauschmittel sowie zur Wertaufbewahrung sind diese Formen digitalen Geldes nur bedingt geeignet. Zwar konnten bereits viele Menschen mit der Anlage in Kryptowährungen sensationelle Gewinne einfahren, andere erlitten aber auch schmerzhafte Verluste.
Viele junge Menschen beklagen mangelndes Finanzwissen. Was raten Sie konkret der jungen Generation in puncto Vermögensaufbau?
Es lohnt auf jeden Fall, sich mit dem Thema Finanzen frühzeitig und intensiv zu beschäftigen. Wer nicht bestens ausgewiesener Finanzexperte ist, sollte sich beim Vermögensaufbau professionell beraten und begleiten lassen. Mit dem Sparen sollte man eher früher als später beginnen und dies regelmäßig tun. Manchmal reichen schon kleine Beträge, um Kapital und Sicherheit für die Zukunft aufbauen zu können. So genügen unter bestimmten Voraussetzungen bereits fünf Euro monatlich für den Einstieg bei der Riester-Rente oder 25 Euro bei Investmentfonds-Sparplänen.
Die Verbraucherpreise sind zuletzt spürbar gestiegen. Müssen wir uns auf anhaltend hohe Inflationsraten einstellen?
Zwischen 2015 und 2020 stiegen die Verbraucherpreise jahresdurchschnittlich um 1,1 Prozent. Nach Rückgängen in der zweiten Jahreshälfte 2020 sprang die Inflationsrate im Juli 2021 auf 3,8 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 1993. Ursächlich dafür ist insbesondere die Rücknahme der befristeten Mehrwertsteuersenkung. Allerdings machen sich auch Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie sowie Maßnahmen zum Klimaschutz bemerkbar. Die Bundesbank rechnet damit, dass die Inflationsrate zum Jahresende hin Richtung fünf Prozent steigen könnte, bevor sich die Lage 2022 wieder merklich entspannen sollte. Die Europäische Zentralbank strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von zwei Prozent im Euro-Raum an.
Die europäischen Währungshüter haben angekündigt, künftig Klimathemen stärker zu berücksichtigen. Weckt die Notenbank allzu große grüne Hoffnungen?
Der Klimaschutz ist zweifelsohne ein sehr wichtiges Thema. Vertragsgemäß ist das vorrangige Ziel der Europäischen Zentralbank, die Preisstabilität zu gewährleisten. Und nur soweit es das Ziel der Preisstabilität nicht gefährdet, kann sie zudem die allgemeine Wirtschaftspolitik – und damit auch Klimathemen – unterstützen. So sieht es der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vor.