Tiefensee Rekord-Strompreis als „Fehler im System“

Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee. Foto: arifoto UG/ari (Michael Reichel)

Mit dem exorbitant gestiegenen Gaspreis gehen auch die Preise für Strom durch die Decke – selbst wenn er gar nicht mit Gas erzeugt wurde. Forderungen nach einer raschen Reform des Strommarktes werden lauter.

 
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Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat die zügige Entkopplung der Strom- von den rasant steigenden Gaspreisen gefordert. „Die Auswirkungen des Gaspreisanstiegs auf den Strommarkt müssen schnellstmöglich unterbunden werden“, erklärte Tiefensee am Sonntag in Erfurt. Zwar hätten die Bundesminister Habeck und Lindner bereits angekündigt, den Strommarkt neu ordnen zu wollen, wollten dies aber nur „mittelfristig“ umsetzen, kritisierte der Thüringer Minister.

Derzeit liegen die Strompreise nach Angaben des Thüringer Wirtschaftsministeriums auf einem Allzeithoch – an der europäischen Strombörse EEX stiegen sie im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 500 Prozent. „Dafür gibt es teilweise sachliche Gründe – aber eben auch massive Fehler im System“, so der Minister.

Hintergrund ist nach seinen Angaben das Prinzip „Energy only“, das am deutschen Strommarkt gelte. Danach werden nur tatsächlich erzeugte Strommengen gehandelt, das Vorhalten von Kraftwerkskapazitäten fließe nicht in die Preisbildung ein. Die so entstandene Verknappung führe dann zu drastisch steigenden Strompreisen, wie sie derzeit zu beobachten sind. „Wenn die Engpässe länger andauern, wird die Preisexplosion gewissermaßen zum Dauerzustand“, so Tiefensee. „Es bedarf eines Mechanismus’, der Strom- und Gasmarkt entkoppelt, darüber hinaus spekulative Preisspitzen begrenzt und die realen Preise abbildet“, sagte er. Davon profitierten am Ende alle Kunden – private Verbraucher ebenso wie energieintensive Unternehmen oder Handwerk und Mittelstand.

Ähnlich hatte sich zuvor auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil geäußert. Die derzeit in Deutschland verfügbare Strommenge sei – von den Exporten nach Frankreich abgesehen – nicht geringer als in den Vorjahren. „Allem Anschein nach handelt es sich deswegen vor allem auch um riesige Spekulationsgewinne, die derzeit eingefahren werden“, sagte der SPD-Politiker. Andere Stromanbieter profitierten zudem von dieser Situation, wie zum Beispiel die Produzenten erneuerbarer Energien. Ohne zusätzliche Leistung erhöhten sich deren Gewinne deutlich. Wenn eine kurzfristige Änderung wegen der europaweiten Diskussion nicht möglich sei, komme auch das Aussetzen des Stromhandels und eine vorübergehende staatliche Preisregulierung in Betracht, schlug Weil vor.

Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner kritisierte in der „Bild am Sonntag“ stark gestiegene Gewinne der Betreiber von Windrädern, Solaranlagen und Kohlekraftwerken: „Am Strommarkt hat die Politik einen Profit-Autopiloten eingerichtet“, sagte der FDP-Politiker. Auf Grund der geltenden Regeln würden Produzenten von Solar-, Wind- oder Kohlestrom automatisch so bezahlt, als hätten sie teures Gas gekauft: „Die Gewinne steigen zulasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde.“

Unterdessen steht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wegen der „Fehlkonstruktion“ (FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai) beziehungsweise „handwerklicher Fehler“ (SPD-Chef Lars Klingbeil) bei der Gasumlage in der Kritik. Grund ist, dass sie auch Unternehmen zugute kommen kann, die gar nicht wegen großer Energieimporte in Not sind. Seiten 5 und 17, Meinung

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