Thüringentag Der Hirte mit der Mundharmonika

Der „Mann mit der Mundharmonika“ trat in der Schmalkalder Totenhofkirche auf. Ein entspannter Abend mit Michael Hirte und der Sängerin Simone Oberstein.

 
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Die meisten Konzertbesucher sind an der Schwelle zum Rentenalter oder haben diese bereits überschritten. Der zehnjährige Bub, der mit seiner Oma –aus Tambach-Dietharz gekommen ist, und zwar freiwillig, senkt den Altersdurchschnitt des Publikums nicht wirklich. Doch das tut der Atmosphäre am Montagabend in der Totenhofkirche keinen Abbruch. Diese erinnert an eine lockere und unvergessliche Feierabendrunde mit musikalischer Unterhaltung. Der „Mann mit der Mundharmonika“ betritt die kleine Bühne. Seine Fans – und davon sind ganz viele da – wissen, warum ihm das etwas Mühe bereitet: Ein tragischer Verkehrsunfall 1991 hätte Michael Hirte beinahe das Leben gekostet. Seitdem ist er auf einem Auge blind, das rechte Bein in der Bewegung stark eingeschränkt. Vom arbeitslosen Straßenmusiker zum Supertalent: Den Lebensweg des 58-jährigen Spreewälders kennt auch der zehnjährige Junge. Der hat ganz schön was erlebt, flüstert er, nimmt die Stöpsel aus den Ohren, steckt das Smartphone weg und lehnt sich bequem zurück – soweit es die harten Stühle zulassen.

Etwas verloren steht Hirte unter der steinernen Kanzel von 1680. Ein charmant schüchterner Musiker, in rotem Hemd mit schwarzer Weste, schwarzen Jeans, weißen Turnschuhen und Cap. Sein Erkennungszeichen. Denn auch in den Filmsequenzen, die zu einigen Stücken auf der großen Leinwand flimmern, trägt Hirte Mütze. Der ehemalige Kraftfahrer, der seit mehr als 15 Jahren mit seinem Mundharmonikaspiel Millionen Menschen glücklich macht, redet nicht gern und nicht viel. Sein Programm eröffnet er, dem sakralen Raum und seiner Biografie angepasst, mit Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Hirte hat das erlebt nach seinem Absturz, als er arbeitslos geworden war, nach dem Sinn des Lebens suchte und schließlich Trost und Hoffnung im Glauben fand. 2000 ließ er sich taufen. Von guten Mächten wunderbar geborgen. Die Zuhörer applaudieren, wie sie Minuten später bei Freddy Quinns „Brennend heißer Wüstensand“ leise mitsummen. Dann erklingt ein Lied, das Hirte oft als Straßenmusikant gespielt hat. Auf der Leinwand lächelt die wunderschöne und einzigartige Marlene Dietrich: „Vor der Kaserne, vor dem großen Tor, steht eine Laterne...“. Es ist totenstill in der Totenhofkirche. Wie bei Leonard Chohens „Hallelujah“. Gänsehaut, als Hirte in seine, mit zwölf Mundharmonikas gefüllte Kiste greift und hingebungsvoll den berühmten Popsong „You raise me up“ spielt. Ein Liebeslied. Hirtes Blick schweift immer wieder zu seiner Verlobten Sandra. ,„Du hebst mich hoch, dass ich auf Bergen stehen kann. Du hebst mich hoch, um auf stürmischen Meeren zu gehen. Ich bin stark, wenn ich auf deinen Schultern bin. Du baust mich auf zu mehr als ich je sein kann.“ Weil Hirte auch anders kann, klatschen, singen und schunkeln seine Fans. Zu Ave Marie, dem Song, der alles veränderte, zu zwischen „Über den Wolken“, „Glück auf, der Steiger kommt“, „Winnetou“, Pussycat, Vicky Leandros und Simon & Garfunkel. Mit einem Volksmusikmedley aus „Horch was kommt von draußen rein“ bis „Muss I denn zum Städtele hinaus“ sowie einem Tänzchen mit Sängerin Simone Oberstein verabschiedet sich Michael Hirte. Der zehnjährige Bub ruft nach einer Zugabe und bekommt sie auch.

Oberstein ist als Gesangspartnerin seit einigen Jahren mit dem Mundharmonikaspieler unterwegs. Weil ein abendfüllender Harmonika-Solo-Auftritt schon etwas Abwechslung braucht. Oberstein, gebürtig aus Köln, überzeugt mit einer klaren Stimme, singt Whitney Houston fast wie im Original, wünscht sich wie Nicole ein bisschen Frieden. Beim Millionenseller „My Butterfly“ stimmen die Zuhörer mit ein.

Gemanagt werden beide Künstler von Mario Frank. Der Mittelstiller sorgt an dem Abend auch für die gute Akustik und die Illumination der Kirche. In der Pause genießen die Gäste im kleinen Garten ein Gläschen Sekt. Michael Hirte steht für ein Foto bereit, signiert CD oder Autogrammkarten wie Simone Oberstein, die unter den Zuhörern einige bekannte Gesichter trifft.

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