Etwas verloren steht Hirte unter der steinernen Kanzel von 1680. Ein charmant schüchterner Musiker, in rotem Hemd mit schwarzer Weste, schwarzen Jeans, weißen Turnschuhen und Cap. Sein Erkennungszeichen. Denn auch in den Filmsequenzen, die zu einigen Stücken auf der großen Leinwand flimmern, trägt Hirte Mütze. Der ehemalige Kraftfahrer, der seit mehr als 15 Jahren mit seinem Mundharmonikaspiel Millionen Menschen glücklich macht, redet nicht gern und nicht viel. Sein Programm eröffnet er, dem sakralen Raum und seiner Biografie angepasst, mit Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Hirte hat das erlebt nach seinem Absturz, als er arbeitslos geworden war, nach dem Sinn des Lebens suchte und schließlich Trost und Hoffnung im Glauben fand. 2000 ließ er sich taufen. Von guten Mächten wunderbar geborgen. Die Zuhörer applaudieren, wie sie Minuten später bei Freddy Quinns „Brennend heißer Wüstensand“ leise mitsummen. Dann erklingt ein Lied, das Hirte oft als Straßenmusikant gespielt hat. Auf der Leinwand lächelt die wunderschöne und einzigartige Marlene Dietrich: „Vor der Kaserne, vor dem großen Tor, steht eine Laterne...“. Es ist totenstill in der Totenhofkirche. Wie bei Leonard Chohens „Hallelujah“. Gänsehaut, als Hirte in seine, mit zwölf Mundharmonikas gefüllte Kiste greift und hingebungsvoll den berühmten Popsong „You raise me up“ spielt. Ein Liebeslied. Hirtes Blick schweift immer wieder zu seiner Verlobten Sandra. ,„Du hebst mich hoch, dass ich auf Bergen stehen kann. Du hebst mich hoch, um auf stürmischen Meeren zu gehen. Ich bin stark, wenn ich auf deinen Schultern bin. Du baust mich auf zu mehr als ich je sein kann.“ Weil Hirte auch anders kann, klatschen, singen und schunkeln seine Fans. Zu Ave Marie, dem Song, der alles veränderte, zu zwischen „Über den Wolken“, „Glück auf, der Steiger kommt“, „Winnetou“, Pussycat, Vicky Leandros und Simon & Garfunkel. Mit einem Volksmusikmedley aus „Horch was kommt von draußen rein“ bis „Muss I denn zum Städtele hinaus“ sowie einem Tänzchen mit Sängerin Simone Oberstein verabschiedet sich Michael Hirte. Der zehnjährige Bub ruft nach einer Zugabe und bekommt sie auch.