Thüringen Sturmgewehr-Auftrag: "Es geht ums Prestige"

Diese zivile Version des Sturmgewehrs ist bereits im Sortiment von Haenel und wird als "Behördenwaffe" verkauft. Quelle: Unbekannt

Heckler & Koch hofft auf einen späten Sieg gegen die Suhler Konkurrenz, spielt die wirtschaftliche Bedeutung des Waffen-Auftrags aber herunter.

 
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Stuttgart/Suhl - Nach dem Vergabe-Stopp beim Sturmgewehr-Großauftrag an die Suhler Firma Haenel/Merkel hofft der zunächst unterlegene Waffenhersteller Heckler & Koch (HK), doch noch zum Zug zu kommen. Aus strategischer Sicht handle es sich um "einen der wichtigsten Aufträge überhaupt", zumal die Bundeswehr ein bedeutender Referenzkunde sei, sagte Firmenchef Jens Bodo Koch Ende der Woche beim Stuttgarter Wirtschaftspresseclub. "Wir sind der Ausrüster für Handfeuerwaffen in ganz großen Bereichen und wollen es natürlich aus Prestigegründen auch bleiben. Deswegen ist uns dieser Auftrag so wichtig."

Allerdings habe man ihn bei H&K wirtschaftlich nicht unbedingt nötig. Firmenchef Koch sagte, ein Verlust des Großauftrags wäre "ökonomisch verkraftbar". Man rede hier über einen Umsatz von grob 200 Millionen Euro, verteilt auf sieben Jahre. Betrachte man das Fernziel von Heckler & Koch, einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro, liege der Anteil des Bundeswehr-Sturmgewehrs lediglich bei zehn bis elf Prozent. Diesen könne man "auch mit anderen Projekten gut ersetzen", sagt der Schwarzwälder.

HK mit Sitz in Oberndorf im Schwarzwald liefert der Bundeswehr bereits seit sechs Jahrzehnten Sturmgewehre, derzeit außerdem Maschinengewehre, Pistolen und Granatwerfer. Im Bieterverfahren für das neue Sturmgewehr hatte sich aber überraschend der wesentlich kleine Konkurrent C.G. Haenel aus der Suhler Merkel-Gruppe durchgesetzt.

Vor zwei Wochen stoppte das Verteidigungsministerium die Vergabe an die Südthüringer. Begründung: Eine Patentrechtsverletzung zulasten von Heckler & Koch sei nicht auszuschließen sei. Bei dem Auftrag geht es um 120.000 neue Waffen. Wie es mit dem Verfahren weitergeht, ist offen. Möglich sind mehrere Szenarien - von einer Fortsetzung des Bieterverfahrens bis zu einer Neuausschreibung.

Heckler & Koch ist in den vergangenen Jahren durch etliche Tiefs gegangen und gilt heute als hoch verschuldet. Der Waffenhersteller hatte im ersten Halbjahr 139,5 Millionen Euro umgesetzt und einen Gewinn von 7,6 Millionen Euro gemeldet - deutlich mehr als zuletzt. Vor allem im Ausland ist die Nachfrage nach Handfeuerwaffen hoch. In den Jahren 2017 und 2018 war die Firma mit Sitz in Oberndorf am Neckar noch tief in den roten Zahlen gewesen. Bei H&K arbeiten rund 1.000 Leute.

Bei Haenel/Merkel sind es nur 130, die meisten davon bei Merkel Jagd- und Sportwaffen, der größeren Schwesterfirma von C.G. Haenel. Die formal getrennten Unternehmen teilen sich den Standort am Friedberg an der Stadtgrenze von Suhl und Schleusingen und gehören zur Caracal-Gruppe, die Teil des staatlichen Rüstungskonzerns der Vereinigten Arabischen Emirate ist. Haenel stellt für die Bundeswehr bereits eine Scharfschützenwaffe her, allerdings in viel kleinerer Auflage als es beim Sturmgewehr der Fall sein würde.

Die arabischen Eigentümer sowie die geringe Unternehmensgröße standen im Zentrum zahlreicher kritischer Stimmen zur sensationellen Vergabeentscheidung zugunsten Suhls. Innerhalb der Bundeswehr herrschte teils Entsetzen über das Votum der Berliner Zentrale.

Branchenkenner glauben, dass die intensive Lobby-Arbeit der gut vernetzten Schwarzwälder Firma den Ausschlag für den ebenso überraschenden Rückzieher gab. So hatten HK-Experten einen aufwendig recherchierten Katalog mit verschiedenen Versäumnissen vorgelegt, die der Bundeswehr ihrer Meinung nach bei Vergleichstests der Bewerber-Waffen unterlaufen waren. Darunter ist die mögliche Patentrechtsverletzung. Diese soll sich unterschiedlichen Angaben zufolge auf Teile des Magazins oder aber die Wasserfestigkeit des Kolbens beziehen.

Zugleich aber sickerten Informationen durch, wonach dem Ministerium im Vergabeprozess Verfahrensfehler unterlaufen waren - so schwere, dass die Vergabe vielleicht rechtlich gar nicht haltbar gewesen wäre.

Insider spekulieren darüber, dass das Verteidigungsministerium mit dem Patentvorwurf von eigenen formalen Versäumnissen ablenkt. "Wir haben verlässliche Hinweise, dass die möglichen Patentrechtsverletzungen nur als Grund vorgeschoben werden", sagte der Pfälzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner der Schwäbischen Zeitung . So soll ein offenbar Haenel-freundlicher Mitarbeiter des Bundeswehr-Beschaffungsamts den Suhlern Nachbesserungen beim Angebot ermöglicht haben, obwohl die Frist dafür verstrichen war.

Auch dass die Ausschreibung von den Bewerbern einen ungewöhnlich niedrigen Mindest-Jahresumsatz von sieben Millionen Euro verlangte, gilt den HK-Unterstützern Anlass zu Zweifeln, ob dies alles mit rechten Dingen zuging. Klar ist: Das Haus von Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte sich zuvor bereits mehrfach mit internen Fehlleistungen blamiert.

Diese Woche wird der Verteidigungsausschuss des Bundestags die Ministerin genau dazu befragen. "Wir müssen bewerten: Ist das Vergabeverfahren so sehr beschädigt, dass diese Fehler nicht mehr geheilt werden können?", sagte Lindner. er

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