Jena/Erfurt - Der zeitige Frühling gibt vielen tierischen Plagegeistern wie Zecken, Borkenkäfern und Mäusen Auftrieb. So sorgen sich Thüringens Forstleute, dass sich der Borkenkäfer dieses Jahr explosionsartig vermehren könnte. Der Kupferstecher fliege schon, und spätestens Mitte April werde auch der Buchdrucker ausschwärmen, sagte Horst Sproßmann von der Landesanstalt Thüringenforst in einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa. Wegen des trockenen und warmen Wetters sei mit einem besonders intensiven Schwarmflug zu rechnen. Auch Zecken haben nach Expertenmeinung den Winter gut überstanden und sind seit einigen Wochen auf der Suche nach frischem Blut.

«Zecken sind an solch milde Winter hervorragend angepasst», erklärte die Leiterin des nationalen Referenzlabors für durch Zecken übertragene Krankheiten in Jena, Christine Klaus. Sobald es tagsüber längere Zeit sechs bis acht Grad warm ist, werden sie ihren Angaben zufolge aktiv. In der Entwicklung von der Larve bis zum Weibchen, das neue Eier ablegt, brauchen sie drei Blutmahlzeiten. Gefährlich für den Menschen sind sie vor allem deswegen, weil sie Erreger der Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen.

Wie sich die Zeckenaktivität in den kommenden Monaten entwickle, sei stark von der Witterung abhängig, sagte Klaus. «Der größte Feind der Zecke ist die Trockenheit.» Deswegen sind sie vor allem auf feuchten, schattigen und krautigen Flächen zu finden. Zudem brauchen sie für ihre Entwicklung weitere Wirtstiere wie etwa Mäuse.

Vor denen sind Thüringens Bauern momentan auf der Hut. Noch nicht vergessen haben sie die immensen Schäden durch eine Massenvermehrung von Feldmäusen 2012 im Thüringer Becken. «Die milde Witterung hat ihnen ideale Bedingungen geboten, gut über den Winter zu kommen und sich zu vermehren», sagte die Ackerbauexpertin des Bauernverbandes, Christiane Winzer. «Wir hoffen, dass es dieses Jahr nicht wieder so schlimm wird.» Die Landwirte seien aufgerufen, ihre Felder besonders aufmerksam zu kontrollieren.

Was für den einen eine Plage ist, gehört für andere zum Kreislauf der Natur. So beklagt der Naturschutzbund (NABU) Thüringen, viele Greifvögel und Eulenarten hätten es schwer, ihren Nachwuchs aufzuziehen, seit die Mäusepopulation zusammengebrochen sei.

Derweil sind viele Insekten gut ins Frühjahr gekommen. Wildbienen und Schmetterlinge seien die Gewinner des milden Wetters, erklärte der Vorsitzende des Thüringer Entomologenverbandes (Insektenkundler), Ronald Bellstedt. Aktiv sind auch schon die Mücken. Für sie sei die aktuelle Trockenheit aber eher ungünstig. «Stechmücken legen ihre Eier auch gerne auf der Wasseroberfläche von kleinen Pfützen und Tümpeln ab», erläuterte Bellstedt. «Doch viele dieser kleinen Wasserflächen sind zur Zeit ausgetrocknet.»

Schlechte Nachrichten gibt es für Thüringens Kleingärtner: Die aus dem Ausland eingeschleppte spanische Wegschnecke dürfte den Winter ebenfalls gut überstanden haben. Dank des zeitigen Frühlings werde sie wohl schon eher und zwar spätestens im Mai Eier legen, erläuterte der Jenaer Zoologe Dietrich von Knorre. Die gefräßigen Schnecken, die hierzulande keine richtigen natürlichen Feinde haben, treiben seit Jahren Gärtner zur Verzweiflung. Sie könnten auch extreme Witterungen überstehen, betonte von Knorre. Wegen der momentanen Trockenheit dürften sie vielerorts aber noch kaum aktiv geworden sein.

Viele Fachleute warnen davor, mit Chemikalien gegen solche tierischen Plagegeister vorzugehen. So gebe es nach wie vor den Verdacht, dass Schneckenkorn auch Igeln schade, sagte von Knorre. Zum Schutz vor Mücken oder Zecken hilft auch entsprechende Kleidung. Beim Spazieren im Wald könne man die Hose in die Socken stopfen, um sich vor Zeckenstichen zu schützen, erklärte Forscherin Klaus. Die Mittel zur Zeckenabwehr aus der Apotheke wirkten dagegen nur wenige Stunden.

Auf Prävention setzen die Forstleute im Fall des Borkenkäfers. «Wir haben die Waldbesitzer aufgerufen, bruttaugliches Holz aus dem Wald zu schaffen», erklärte Sproßmann. «Den Wald zu beräumen ist das Gebot der Stunde.» Immerhin gebe es kaum nennenswerten Schneebruch, der den Käfern idealen Brutraum biete. Doch bedeutet die Trockenheit Stress für die Bäume, so dass sie weniger robust gegen Käferattacken sind. «Wir müssen sehr aufmerksam sein», betonte Sproßmann. Seinen Angaben zufolge sind in den vergangenen drei Jahren die Käferzahlen stetig gestiegen. 2013 kletterte die Menge an Schadholz auf 100 000 Festmeter. «Damit haben wir einen kritischen Schwellenwert erreicht.»