Thüringen, deine Sprache Mundartfilm: Klappe, der dritte, erwünscht

Regisseur Gerald Backhaustrifft in Bad Salzungen alte Bekannte wieder: Dr. Christel Siegmund aus Wernshausen, die ein Buch über heimische Mundart verfasst hat. „Wir müssen aufpassen, die Mundart stirbt aus“, sagt sie. Foto: /Iris Friedrich

„Unsere Region war noch gar nicht dran“ – Regisseur Gerald Backhaus hat genau das auch in Bad Salzungen gehört, wo jetzt der zweite Film zu „Thüringen, deine Sprache“ lief. Das Interesse ist groß, er möge nach der Rhön auch weitere Ecken Südwestthüringens besuchen. Grund genug gibt’s.

 
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Bad Salzungen - „Mie senn us Frankeme on do ies schü“ – das Frankenheimer Lied kennt auf der Hochrhön jedes Kind. Es gibt den Auftakt zum zweiten Film, den der in Gotha geborene und heute in Berlin lebende Regisseur Gerald Backhaus über Thüringer Mundarten – das Platt – gedreht hat. Mit Frankenheim beginnt, mit Frankenheim endet der über 90-minütige Dokumentarfilm. Gute Gespräche, authentische Sprache und sehr schöne Bilder hat Backhaus’ Team auch in Kaltenwestheim eingefangen, wo er nicht nur in mit Anne-Dorothea Barthelmes, Harald Heim, Rita Wuchert und Ulrike Heim gedreht hat – sondern auch mit den „Blattkennern“, den Platt-Kindern also, von Brita Wolfram.

Neun Sprachgebiete gibt es in Thüringen, erfährt man aus dem ebenso vergnüglich anzuschauenden wie lehrreichen Film. Das Rhöner Platt wird demnach an einer Nahtstelle im Übergangsbereich von mehreren Mundarten gesprochen. Dass es schon von Dorf zu Dorf anders klingt, sieht man bei den Nachbarn Frankenheim und Birx. Und doch versteht man sich natürlich – und attestiert dem Platt eine besondere Fähigkeit: nämlich Nähe zwischen Menschen zu schaffen.

In der sich an den Film anschließenden Gesprächsrunde im pab-Kino mit Gerald Backhaus wird das nicht nur einmal betont. Auch im Film erzählt eine Rhönerin, dass sie, im Pflegeheim arbeitend, bei den Bewohnern sofort positive Gefühle auslöst, wenn sie Platt spricht. Aber, so sagt Sabine Abe aus Frankenheim an einer anderen Stelle im Film schelmisch: „Schön, dass uns auch nicht alle verstehen“. Mit echtem Rhöner Platt werde man anderswo auch schon mal für Holländer gehalten...

Gerald Backhaus hat schon immer gern hingehört, wenn Menschen unterschiedlich sprachen, erzählt er im Filmgespräch. Da war in seiner Kindheit der Nachbar, der seine Herkunft als „Fischkopp“ nicht verhehlen konnte, da waren andere, die Gothaer Platt sprachen. Als Backhaus in den Schmelztiegel Frankfurt/Main kam, merkte er: Die Mundarten gehen verloren. „Sie kommen zu spät“, sagte ihm denn auch eine Sprachwissenschaftlerin der Uni Jena. Er hatte sie für seinen ersten Film zur Thüringer Sprache – finanziell unter anderem gefördert durchs Land Thüringen – kontaktiert. Mittlerweile werden seine Filme am Institut sogar im Unterricht eingesetzt.

Denn sie ehren und bewahren etwas, was ein ganz wichtiger Teil Thüringer Identität ist: die Sprache der Menschen in den Regionen des Landes. Man kann sich auf verschiedene Art darum bemühen, diese Identität festzuhalten. Dorothea Barthelmes und Dr. Christel Siegmund aus Wernshausen tun dies mit schriftlichen Wort-Aufzeichnungen. Ursula Grammlich aus Tiefenort hat CD aufgenommen, deren Eindrücke eben direkt ins Ohr gehen.

Backhaus’ Filme halten etwas zum Hin-Hören und Hin-Gucken fest – Teil 2 konkret die Gehr’sche „Fettgusche“, das „Bräuen“ in Ummerstadt, die Gothaer „Nölärscher“, die Suhler, die Bad Frankenhäuser, die Oberweißbacher und die Lauschaer Mundart. Nicht immer sind es nur die Alten, die Mundart sprechen. In Lauscha etwa gibt es schon im Kindergarten das Bemühen, die dort erklingende, besondere Art des Itzgründischen weiterzuführen, sie in die Herzen und den Sprachschatz der heutigen Kinder zu tragen.

Der Schüler Louis Rust aus Unterweid ist jemand, dem seine Eltern kein Platt mehr vermitteln (können). Der Siebtklässler hat dennoch seit dem Kindergarten immer wieder Kontakt zur Mundart gefunden. Heute macht er in der Kaltenwestheimer Plattkinder-Gruppe mit und schaut nun erwartungsvoll auf die Kino-Leinwand, wo auch er zu sehen ist. Gefällt es ihm, was der Filmemacher zusammengetragen hat? „Auf jeden Fall“, sagt er am Ende.

Auch die anderen Besucher der Vorstellung loben den Film. Witterungsbedingt haben sich wenige Rhöner auf den Weg nach Bad Salzungen gemacht, neben Louis und Eltern sind aber zwei Frankenheimer gekommen. Die anderen warten möglicherweise darauf, dass der Film wie versprochen auch in der Rhön, in der Hochrhönhalle Frankenheim, aufgeführt wird. Und damit ist ein weiterer Aspekt angesprochen: Die Pandemie macht es auch den Filmemachern, den Kinos und sonstig an der Aufführung Interessierten schwer. Simone Tetschner vom pab-Kino, das gerade erst Teil 1 des Backhaus’schen Filmes gezeigt hatte, freut sich umso mehr, dass sie das Klubkino zumindest mit der Hälfte der unter Normalbedingungen nutzbaren Sitzplätze auslasten darf.

Unter den Film-Zuschauern zahlreich vertreten sind die Tiefenorter Mundartsprecher. Auch der Bad Salzunger Ortschronist und Döngeser Mundart sprechende Wolfgang Sinn ist da, Dr. Christel Siegmund aus Wernshausen, Familie Schwarz aus Bad Salzungen und Constanze Herklotz von der Bad Salzunger Tourist-Information, zuständig für die Gästeführer. Regisseur und Autor Gerald Backhaus lernt die über 80-jährige Tiefenorterin Ursula Grammlich kennen, die auch schon ein von der Heimatzeitung initiiertes Mundartfestival auf dem Weidberg bei Kaltenwestheim durch ihre originellen Plattdarbietungen bereichert hatte. Dass sie für ihre Weihnachts-Märchen in der Tiefenorter Kirche und am Mundartstammtisch des Heimatvereins Tiefenort bekannt ist, braucht man den Hiesigen nicht zu erklären. Sie gibt Gerald Backhaus Hörproben ihres Schaffens mit – und möglicherweise verhallt der Ruf nach einer Fortsetzung der Dokumentationsfilme zur Thüringer Sprache ja nicht ganz ungehört. Der Filmschaffende ist durchaus neugierig genug, einen weiteren zu drehen – wenn es finanzierbar ist und die Coronabedingungen wieder ungestörtes Arbeiten zulassen. „Unsere Region war ja noch gar nicht dran“, diesen Satz hat er nämlich nicht nur in Bad Salzungen, sondern auch an anderen Spielorten des Filmes „Thüringen, deine Sprache“ gehört. In Bad Salzungen fasst Ursel Grammlich den Filmabend so zusammen: „Ooch, es woar jo goarzo schöön...“

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