Erfurt - Das Geld zur Hilfe in der Corona-Krise kann fließen: Der Thüringer Landtag verabschiedete am Freitag ein 1,26 Milliarden Euro schweres Gesetzespaket, das die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie abmildern soll. Zuvor hatten sich Linke, SPD und Grüne mit der CDU nach langen Verhandlungen auf die Details der Soforthilfen verständigt. Mehrere Abgeordnete dieser vier Fraktionen bezeichneten das Paket als eines der wichtigsten Vorhaben, das in den vergangenen Jahren im Parlament behandelt worden sei.
Es gilt in der laufenden Legislatur aber auch als wichtiger Testfall für den Stabilitätsmechanismus, auf den sich Rot-Rot-Grün mit der CDU nach dem Rücktritt von Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) verständigt hatte. Linke, SPD und Grüne haben keine Mehrheit im Landtag und sind auf Stimmen der CDU angewiesen. Die christdemokratischen Abgeordneten stimmten dem Vorhaben geschlossen zu.
CDU-Fraktionschef Mario Voigt regte eine Diskussion über einen möglichen Nachtragshaushalt an. Die Krise sei noch nicht gemeistert und werde noch weitere ökonomische und finanzpolitische Folgen nach sich ziehen, sagte er bei der Sondersitzung des Parlaments. «Wir haben als einziges Bundesland hier in Thüringen bislang noch keinen Nachtragshaushalt diskutiert», sagte Voigt und kritisierte, dass man sich voraussichtlich erst im Herbst darüber unterhalten werde.
Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD) sagte, dass die Steuerschätzung vom Mai «noch nie in den letzten Jahren mit so viel Unsicherheit behaftet war wie dieses Mal». Dies sei keine Kritik an den Experten, die die Schätzung vornehmen. «Keiner kann derzeit einschätzen, wie sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland, in Europa und weltweit in den kommenden Monaten entwickelt», sagte Taubert. Daher sei es unverzichtbar, dass es eine zusätzliche Steuerschätzung gebe.
Für das nun beschlossene Paket nimmt Thüringen zunächst keine neuen Schulden auf. Von den 1,26 Milliarden Euro sollen nur rund 700 Millionen vom Land kommen und der Rest vom Bund. Diese 700 Millionen Euro sollen aus den Rücklagen genommen werden. Taubert betonte, dass der Freistaat seit 2014 rund 1,2 Milliarden Euro Schulden tilgen konnte. Allerdings machte die Finanzministerin auch klar, dass das Land perspektivisch wohl nicht mehr um neue Schulden herum kommen wird.
Sie halte es für sinnvoll, sich im Herbst die zu erwartenden Steuermindereinnahmen anzusehen und diese dann «soweit als möglich mit einer Kreditaufnahme im Rahmen eines Nachtragshaushalts auszugleichen». Auch für das Jahr 2021 gehe sie davon aus, dass die Mindereinnahmen teils durch Kredite ausgeglichen werden müssten.
FDP-Fraktionschef Kemmerich kritisierte, dass bislang noch völlig unklar sei, wie die zu erwartenden neuen Schulden zurückgezahlt werden sollen - und innerhalb welchen Zeitraums. «Wir gehen von einer erheblichen Neuverschuldung aus», sagte Kemmerich. Das nun verabschiedete Hilfspaket bezeichnete er als «zusammengeschustertes Werk».
Mit rund 185 Millionen Euro soll den Kommunen unter die Arme gegriffen werden. Sie müssen wegen der Corona-Krise und den zeitweisen Schließungen von Geschäften und Betrieben mit erheblichen Steuerausfällen rechnen. Weitere 15 Millionen Euro sollen an Thüringer Kur- und Erholungsorte gehen, denen wochenlang die Urlaubsgäste fehlten.
Eltern sollen für die Monate April bis Juni keine Kindergarten- oder Hortbeiträge zahlen müssen. Für mittelständische Unternehmen und Soloselbstständige sieht das Paket Überbrückungshilfen vor. Soloselbstständige können unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel für zwei Monate jeweils 1200 Euro abrufen. Insgesamt sind allein dafür rund 20 Millionen Euro vorgesehen.
Firmen, die Auszubildende aus Corona-Insolvenzen übernehmen, bekommen eine einmalige Prämie von bis zu 2500 Euro. Außerdem sind in dem Paket Soforthilfen für die Landwirtschaft und den Öffentlichen Personennahverkehr vorgesehen. Für Corona-Schnelltests planen Linke, SPD, Grüne und die CDU rund 25 Millionen Euro ein. Das Testen von Beschäftigten in Schulen und Kindergärten gilt der Landesregierung als eine wichtige Voraussetzung, um in diesen Einrichtungen den Regelbetrieb wieder aufzunehmen. dpa