Als sie informiert wurde, dass sie den Preis bekommen soll, habe sie "gezuckt", erzählt sie. Ernst Abbe, der legendäre Jenaer Optiker und Unternehmer, sei schließlich ein ganz großer Name. Ein bisschen dachte sie aber auch: "Ich will doch noch was reißen." So ein Preis, der wie eine Ehrung fürs Lebenswerk wirkt, käme da ja wohl zu früh.
Nach Rücksprache mit ihrer Familie, mit der sie in Potsdam lebt, sowie ihrem Team in der Firma, sagte sie dann aber zu. "Ich nehme den Preis für die Truppe. Das tut ihr gut", formuliert es die Unternehmerin. Ihr ist bewusst, dass sich ohne die Mitarbeiter kein Rad drehen würde. "Jeder ist ein Rad im Getriebe. Wenn eines fehlt, geht es nicht", sagt die Firmenchefin.
Die Firma Binz war 1936 in Lorch in Baden-Württemberg gegründet worden. 1991 wurde die Produktion nach Ilmenau verlagert. Der Thüringer Standort blieb aber stets nur verlängerte Werkbank - wie es bei vielen Ostfirmen war und die Strukturschwäche Ostdeutschlands zementierte. Über einen Gewinnabführungs-Vertrag flossen auch bei Binz die Erträge von Ilmenau zur Mutterfirma nach Lorch ab. Sie gingen "an die Mutti", wie es die ostsozialisierte Cathrin Wilhelm formuliert.
Als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 erstmals Verluste anfielen, verlor Mutti das Interesse am Ostkind. Die Ilmenauer Firma ging in Insolvenz. Ein milliardenschweres thailändisches Unternehmen wollte einsteigen und so ein Sprungbrett für den europäischen Markt aufbauen. In dieser Phase kam Cathrin Wilhelm als Wirtschaftsberaterin ins Spiel. Mit ihrer Beratungsfirma, die bis zu 150 Experten aufbieten kann, betreute sie beispielsweise die Restrukturierung des Unterwäsche-Herstellers Schiesser. Sie war auch beim ältesten Orgelbauer Deutschlands aktiv. Aktuell arbeitet sie an der Rettung der Eisengießerei in Torgelow. In Ilmenau blieb es nicht nur bei Beratung. Als sich die Partnerschaft mit den Thailändern zerschlug und womöglich das endgültige Aus drohte, kaufte sie 2015 das Unternehmen.
Etwas unternehmen
Für sie selbst ist es nichts Außergewöhnliches, dass sie in einer Männerdomäne erfolgreich ist. Ihre Mutter war Ingenieurin, auch die Großmutter war berufstätig. Mit Blick darauf, wie sich die Sprache in Politik, Wissenschaft und Medien heutzutage verrenkt, um geschlechtergerecht zu sein, sagt Cathrin Wilhelm zwar: "Das kann einem auf den Senkel gehen." Aber zugleich betont sie, dass Geschlechtergerechtigkeit in Fleisch und Blut übergehen müsse. Dafür sei auch eine Frauen-Quote nötig. Sie sieht sich durchaus als Vorbild für junge Unternehmerinnen. Frauen sollten auch in der Wirtschaft im besten Sinne etwas unternehmen, etwas riskieren. "Traut euch was", ruft ihnen die Preisträgerin zu.