Nach Angaben des Verfassungsrichters Manfred Baldus gilt in Thüringen nun wieder das Wahlrecht für die Landtagswahl, das vor der Verabschiedung des Paritätsgesetzes galt. Damit kann jede Partei für sich entscheiden, wie viele Männer und Frauen sie bei der für 2021 geplanten Landtagswahl antreten lässt.
Mohring: Scheitern mit Ansage
Der ehemalige CDU-Landtagsfraktionschef Mike Mohring hat das Urteil des Verfassungsgerichts zur Paritätsregelung als Scheitern von Rot-Rot-Grün «mit Ansage» an der Thüringer Verfassung bezeichnet. Die Regierungskoalition habe die Regelung entgegen verfassungsrechtlicher Bedenken durchgesetzt, twitterte Mohring am Mittwoch. «Den "Erfolg" der AfD hätte man sich schenken können», heißt es in dem Tweet. CDU-Landesvize Christian Hirte erklärte, das Urteil zementiere weiter die parlamentarische, handwerkliche Unfähigkeit von Rot-Rot-Grün. «Wir sehen das traurige Ende eines rein ideologischen Vorhabens, das mit Zwang und Scheuklappen in ein Gesetz gegossen wurde», erklärte der Bundestagsabgeordnete.
Brandenburger Linke: Thüringer Urteil keine Vorentscheidung
Die Linke im Brandenburger Landtag sieht im Urteil des Thüringer Verfassungsgerichts über das Paritätsgesetz für mehr Gleichstellung bei Wahlen keine Vorentscheidung für Brandenburg. «Diese Entscheidung bezieht sich allein auf Thüringen», erklärte die Innenpolitikerin Andrea Johlige am Mittwoch. «Das letzte Wort wird ohnehin das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe haben.» In der Sache sei das Urteil in Thüringen für sie nicht überzeugend, denn das Gleichstellungsgebot in den Landesverfassungen und im Grundgesetz sei ein zwingender Grund, der Eingriffe in die Wahlrechtsgrundsätze und die Chancengleichheit der Parteien rechtfertige.
Die CDU-Fraktion sieht sich dagegen in ihrer Skepsis bestätigt, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Steeven Bretz. «Gleichwohl gilt es, die Entscheidung des Brandenburger Landesverfassungsgerichtes abzuwarten.»
Höcke spricht von Sieg der Demokratie
Der AfD-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Björn Höcke, hat das Urteil des Verfassungsgerichts zur Paritätsregelung als «Sieg für die Demokratie und den Verfassungsstaat» bezeichnet. «Dem Thüringer Verfassungsgerichtshof gebühren Dank und Anerkennung dafür, dass er sich nicht von öffentlichem Druck einschüchtern ließ und sich sachlich an den Vorschriften der Verfassung orientierte», erklärte Höcke am Mittwoch.
Bundesfrauenministerium bedauert Urteil gegen Quotenregel
Das Urteil gegen die Quotenregel für Landtagswahlen in Thüringen stößt im Bundesfrauenministerium auf Bedauern. «Nun gilt es, die Urteilsgründe und dabei auch das Sondervotum der unterlegenen drei Richterinnen und Richter zu analysieren», sagte eine Sprecherin von Ministerin Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. «Für Thüringen und für die Diskussion in Bund und den anderen Ländern ist es entscheidend zu erkennen, inwieweit Verfassungsänderungen in der Zukunft möglich sind, um Paritätsgesetze zu erlassen.»
Das Familienministerium unterstütze alle Initiativen und Vorschläge, die den Anteil von Frauen in Parlamenten erhöhen könnten, sagte die Sprecherin. «Insoweit bedauern wir das Thüringer Urteil.» Neben den Paritätsgesetzen gelte es, politische Teilhabe von Frauen auch durch andere Instrumente zu fördern. Dabei seien vor allem die Parteien in der Pflicht.
Seit 20 Jahren Parité-Gesetz in Frankreich
In den deutschen Länderparlamenten sind teils deutlich mehr Männer als Frauen vertreten. Spitzenreiter ist Hamburg, wo 43,9 Prozent der Abgeordneten Frauen sind, wie eine Übersicht der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg zeigt. In Sachsen-Anhalt - dem Schlusslicht - sind dagegen nur 21,8 Prozent der Abgeordneten weiblich. Auf Bundesebene hatten Frauenministerin Franziska Giffey und die damalige Justizministerin Katarina Barley (beide SPD) im vergangenen Jahr dafür geworben, eine stärkere Vertretung von Frauen im Bundestag durchzusetzen. In Frankreich gibt es bereits seit dem Jahr 2000 ein Parité-Gesetz. sh/dpa
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