Themenweg bei Otzbach (Stadt Geisa) eingeweiht Ein Weg, um Ruhe zu finden

Wenn eine Frühlingswanderung durch hohen Schnee führt, schreckt das die Rhöner nicht ab. Zur Einweihung des „Stillen Weges“ zwischen Bremen und Otzbach kamen am Sonntag viele Wanderer.

 
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Der Otzbacher Rudolf Nensel organisiert alljährlich ein Scillafest mit geführten Wanderungen zum Arzberg. In diesem Jahr war es verbunden mit der Einweihung des neu konzipierten „Stillen Weges“ zwischen Bremen und Otzbach, den die Stadt Geisa mit Landes-Fördermitteln aus dem Regionalbudget des Biosphärenreservates Rhön realisierte.

Für die Frühlingswanderung hielt der April eine weiße Überraschung bereit: Eine teils dicke Schneedecke überzog die Rhön. Das Organisationsteam um Rudolf Nensel war mit schwerem Gerät unterwegs, um die Wanderstrecke begehbar zu machen. Die Mühe wurde belohnt. Schon die Eröffnungswanderung, die am Sonntagmorgen an der Kirche in Bremen startete, war sehr gut besucht. Jeder Teilnehmer erhielt eine von Geisas katholischem Stadtpfarrer Martin Lerg gesegnete Muschel – der „Stille Weg“ verläuft auf einem Teil des Jakobsweges. Maria Hruschka erzählte auf dem ersten Abschnitt der Wanderung unter anderem aus der Geschichte der Bremer Kirche und der Grotte.

Mittelalterliche Grenzanlage

Die erste Infotafel des „Stillen Weges“ steht dort, wo sich einst eine Landwehr, eine mittelalterliche Grenzbefestigung, befand. Zum Thema gab es einen kurzen Vortrag von Bruno Leister. Gräben und mit Gehölzen bepflanzte Wälle durchzogen einst die Landschaft. Übergangsstellen an Wegen und Straßen nannte man „Schlag“. Diese waren abgesperrt, um Durchreisende zu kontrollieren und von ihnen Zoll zu kassieren. Der Begriff „Schlagbaum“ stamme aus dieser Zeit. Die Bevölkerung musste im Rahmen des Frondienstes die Landehren errichten. In der Region gab es zudem ein Netz an „Warten“ (Beobachtungspunkten). Wärter hielten dort nach möglichen Feinden Ausschau. Sahen sie, dass welche im Anmarsch waren, zogen sie einen Korb nach oben oder zündeten ein Feuer an. Die Warte waren in Sichtweite voneinander entfernt, sodass die Warnung weitergegeben werden und die Bevölkerung sich mit ihrem Vieh rechtzeitig in den Wäldern verstecken konnte. Vorbei ging es an der zweiten Station – mit Sitzgruppe, Vierzehn-Heiligen-Bildstock und Infotafel zum Thema – und der Wunschglocke, die immer wieder von Wanderern geläutet wurde.

Gebetsmühlen-Kreuzweg gesegnet

Zu einer Andacht traf man sich am von Rudolf Nensel errichteten Gebetsmühlen-Kreuzweg, der am Sonntag von Pfarrer Martin Lerg gesegnet und ebenfalls eingeweiht wurde. Jeder Kreuzweg erinnere an die letzten Stunden im Leben Jesu und seinen Weg vom Haus des Pilatus zur Kreuzigungsstätte auf dem Berg Golgatha. „Der Kreuzweg am ,Stillen Weg’ ist hier zum Innehalten und zum Beten“, sagte Pfarrer Lerg und betete mit den Wanderern die 14 Stationen. Die Alphornbläser „Siebenschläfer“ und der Kirchenchor Bremen umrahmten die Andacht musikalisch.

„Was muss man tun, damit allen Gästen die Einweihung eines Wanderweges im Frühjahr noch viele Jahre in Erinnerung bleibt? Genau – man geht zur Wunschglocke, läutet und bittet den Himmel um ein Zeichen“, sagte Geisas Bürgermeisterin Manuela Henkel (CDU). Sie vermutet, dass Rudolf Nensel genau das getan habe und in Absprache mit Petrus für den Schnee mitten im Frühjahr gesorgt habe. „Der passt übrigens ganz wunderbar zu unserem Weg: Wenn es schneit, kommt die Welt zur Ruhe, es wird irgendwie still und es ist wie eine Meditation, wenn man den Schneeflocken zuschaut“, erzählte Manuela Henkel. Genau das solle der „Stille Weg“ bieten: eine Auszeit vom Alltag sowie Möglichkeiten zur Einkehr, Ruhe, Spiritualität und zur Meditation. „Ich glaube, das sind auch Dinge, die wir nötig haben.“ Habe man vor der Coronapandemie im Außen, im Materiellen und Globalen gelebt, sei man wieder mehr im Innen, im Weniger und im Regionalen angekommen. Eine Krise sieht die Bürgermeisterung stets als Herausforderung, Bestehendes zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. „Wir sind heute einen neuen Weg gegangen, den Stillen Weg. Wir sind ihn gemeinsam gegangen. Ich glaube, das wird in Zukunft sehr wichtig sein, Wege gemeinsam zu gehen“, sagte Manuela Henkel. Dankbar ist sie Rudolf Nensel für die Ideen und die Unterstützung, Pfarrer Lerg für die Einweihung, dem Land Thüringen und dem Biosphärenreservat Rhön für die finanzielle Unterstützung, Sylvia Grasreiner für das Projektmanagement, Ortsteilbürgermeisterin Franziska Göb, Stadtrat, Ortsteilrat, allen Ehrenamtlichen und den beteiligten Firmen, Ilona Hillert und Wolf Henning-Schorn für das Besprechen der Meditationsanleitung, dem Rhönforum sowie der Stadtverwaltung, insbesondere Eva Pagel und Carmen Henkel.

Begeistert von Rhöner Ideen

„Heute ist ein besonderer Tag“, sagte Wartburgkreis-Landrat Reinhard Krebs (CDU). Die Scilla-Blüten seien unter der Schneedecke verborgen, „man sieht sie nicht, sondern erahnt sie“. Er erinnerte an die Zerrissenheit der Gesellschaft, unter anderem wegen der Corona-Regeln, die nicht alle verstehen würden. Wichtig sei es, zur Ruhe zu kommen und die Dinge mit dem nötigen Abstand zu betrachten. Der Landrat ging auch auf den Krieg in der Ukraine ein, der ja nicht so weit weg sei. Auch im Wartburgkreis nehme man Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet auf, und der Landrat ist allen dankbar, sie sich hierbei engagieren.

Rudolf Nensel berichtete, dass es für Vereine wie dem Kirchenchor Bremen schwierig gewesen sei, in den vergangenen zwei Jahren mit all den pandemiebedingten Einschränkungen den Zusammenhalt zu wahren. Landrat Krebs ist er dankbar für die gewährte Unterstützung, „ich stehe bald wieder auf der Matte“, sagte er. Der Kirchenchor sang zum Dank zwei Lieder, als Ständchen für den Landrat.

Ulrike Schade, Leiterin der Thüringer Verwaltungsstelle des Biosphärenreservates Rhön, ist begeistert von all den Ideen in den Orten und von der Verbundenheit der Bewohner mit ihrer Region. Aus diesem Grund habe man aus dem vom Thüringer Umweltministerium aufgelegten Förderprogramm für nachhaltige Regionalentwicklung insgesamt 670 000 Euro in die thüringische Rhön holen können. Der „Stille Weg“ ist eines der verwirklichten Projekte. Gefördert wurde es 90-prozentig mit 12 332 Euro. Der Eigenanteil der Stadt betrug zehn Prozent.

Eigentlich sollten die Projekte schon voriges Jahr abgeschlossen sein. Aufgrund der Coronapandemie und dem Mangel an Material verzögerten sich viele Vorhaben. Das Land Thüringen habe daher den Förderzeitraum problemlos verlängert. „Uns ist der Schutz der kulturellen Vielfalt wichtig, die ein Motor für die Region ist“, betonte Ulrike Schade. Sie hofft, dass viele Leute auch das Angebot des „Stillen Weges“ annehmen. „Ich finde es cool, was man hier in der Rhön alles auf die Beine stellt“, sagte sie. Hier gebe es viele kleine, aber feine Dinge zu entdecken. Bertram Vogel, Geschäftsführer der Rhön GmbH, bestätigte dies.

In der Halle der Firma Metallbau Nensel konnten sich die Wanderer mit Mittagessen sowie Kaffee und Kuchen stärken. Am Nachmittag spielte dort die „Kettener Blaskapelle“ auf. Die Arzbergwanderung am Nachmittag wurde wegen des Schnees in der Route etwas verändert. Wanderführer Rudolf Nensel erzählte unter anderem über den keltischen Ringwall und das Trias-Zeitalter.

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