Freiburg - Elisabeth Klingler ist aus Sicht der Kommissarin das perfekte Opfer: „Alt, in einem viel zu großen Haus, allein.“ Da ist die 78-jährige Fabrikantenwitwe noch nicht einmal tot. Doch sie hatte schon versucht, ihr Erbe nach ihrem Willen zu regeln. Und dafür im hohen Alter ihre Gesellschafterin geheiratet. Wohl sehr genau wissend, dass ihre Kinder ihre Felle davonschwimmen sehen.
 
Zwar nennen sie sie „Mami“. Doch der Sohn poltert: „Die will dich doch nur ausnehmen!“, „Meine Mutter schmeißt irgendeiner dahergelaufenen Russin unseren Familienstammsitz hinterher.“ Die Tochter hält das neue Familienmitglied für „gierig und erbunwürdig“. Die beiden „ Tatort“-Ermittler Franziska Tobler und Friedemann Berg aus dem Schwarzwald bekommen es am Sonntag (20.15 Uhr) im Ersten mit Zwist um den Nachlass zu tun. Doch in der Folge „Was wir erben“ geht es ebenso um Zwangsarbeit, Schuld, Wiedergutmachung und um das Gefühl, zu Hause zu sein. Auch bleibt es nicht bei einer Leiche.
 
Allein der Erbstreit ist Anlass genug, um eine Grundsatzdebatte über Privilegien zu führen. Autor Patrick Brunken hat seine Gedanken dazu Kommissarin Tobler in den Mund gelegt: „Erben ist immer ungerecht“, sagt sie. „Viel erben doch nur die, die vorher schon viel hatten und nie was dafür tun mussten. Und die, die nicht viel erben, die wohnen bei den Erben zur Miete oder putzen denen die Villa.“ Die Schere zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft gehe so immer weiter auseinander, sagt Brunken. „Über die Hälfte aller privaten Vermögen in Deutschland stammt mittlerweile nicht mehr aus der eigenen Hände Arbeit, sondern aus Erbschaften. Eine persönliche, aber zunehmend auch gesamtgesellschaftliche Frage von Haben und Sein, ein Haus zu bauen oder nicht, von Herkunft und Zukunft.“ Das Erbrecht sei eine dringend reformbedürftige Gesellschaftsfrage, aber ein extrem heißes Eisen. Eine große Lobby hüte ihr Privileg.
 
Tatsächlich wirken die Klingler-Erben im „Tatort“ raffgierig und kaltherzig. Sie zeigen die neue Frau an der Seite ihrer Mutter an, als diese die Treppen in der Freiburger Villa hinunterstürzt. Wollen sie als Erbschleicherin dastehen lassen. Wenig glaubwürdig erscheint da später der Läuterungsprozess, der plötzlich einsetzen soll.
Regisseurin Franziska Schlotterer spielt mit den Gegensätzen: Hier die alte Villa, in der der Holzboden knarzt und Schotter vor den Pforten unter den Schuhen knirscht. Da die modernisierte Fabrik für Schwarzwälder Schokokirschen. Die Erben in Anzug und Kostüm. Und dann die Kommissare, die in Alltagskleidung in einem Büro über dem Fall brüten, das seit Jahrzehnten auf Investitionen zu warten scheint.
 
Ermittlerin Tobler (Eva Löbau) wirkt besonders zickig. Und sie ist nach ihrem Techtelmechtel mit Kollege Berg (Hans-Jochen Wagner) im Fastnachts-„Tatort“ vom vergangenen Jahr eifersüchtig, sobald dieser mit anderen Frauen flirtet oder die Damen gar datet. Aufgelöst wird das Spannungsfeld nicht - die Folgen zu spüren bekommen aber auch andere, für die Berg zuvor ein gutes Wort einlegt hatte.Trotz der kurz aufkochenden Konflikte kommen die zwei zügig mit den Ermittlungen voran. Die Wege in Sackgassen sind kurz. Dagegen führt der aufschlussreichste in die düsteren Katakomben des Stadtarchivs.