Tagebuch eines Bahnreisenden Ey Digger, die angeln hier alle – und riechen nach Knoblauch

Das Auto stehen lassen und mit dem Neun-Euro-Ticket und der Bahn auf Arbeit pendeln. Danny Scheler-Stöhr, Leiter der Ilmenauer Lokalredaktion, testet genau das derzeit. Dabei lernt er so einiges.

 
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Am Bahnhof Ilmenau starten und enden die Züge. Foto:  

Damals, als ich als Student noch regelmäßig mit dem Zug durch den Freistaat gefahren bin, habe ich immer in mich hineinschmunzeln müssen, als ich am Fahrplan den Hinweis „Zug hält nicht überall“ gelesen habe. Nicht etwa, weil der Zug nicht an jedem Bahnhof angehalten hat, sondern weil so manche Waggons der Bahn damals eher den Eindruck gemacht hatten, sie würden nicht mehr zusammenhalten.

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Am Mittwoch musste ich wieder daran denken, als ich in der Südthüringen Bahn in Richtung Ilmenau saß. Irgendwo war eine Schraube locker. Nicht bei mir, sondern am Zug. 50 Minuten lang war ununterbrochen ein Klappern zu hören. 50 Minuten lang ertönte ununterbrochen „klonk-klonk-klonk-klonk-klonk“.

Es ist Tag 3 meines Selbstversuchs, dank des Neun-Euro-Tickets ohne das Auto in die Redaktion nach Ilmenau zu kommen. Und mit jedem Tag genieße ich dieses Experiment mehr. Nicht mehr selbst über die Autobahn heizen und auf den Verkehr achten. Einsteigen und chauffiert werden. Es ist bequem und zeitgleich lerne ich so viel über meine Mitmenschen.

Zum Beispiel, dass Rentner offenbar morgens in größeren Gruppen ein Knoblauchbad nehmen. Oder dass Rheinländern eine grüne Natur scheinbar völlig fremd ist. „Wat woll’n die mit den janzen Teischen hier?“, fragte eine mitreisende Frau ihren Sitznachbarn, als wir in Ilmenau erst am Kaltebadsteich und schließlich an den Ratsteichen vorbeigefahren sind. „Angeln die alle?“ Oder dass es junge Menschen schaffen, innerhalb von 60 Sekunden gefühlt 30 Mal die Floskel „Ey Digger“ beim lautstarken Telefonat mit Freunden zu verwenden. „Isch schwöre!“

Ja, Bahnfahren kann stinken und laut sein. Das alles stört mich aber überhaupt nicht. Denn irgendwie erreiche ich auf der Schiene einen glückseligen Zustand. Dann schaue ich zum Fenster raus, beobachte die Landschaft und lasse die Seele baumeln. Alles verläuft in geordneten Bahnen und ich kann das Leben in vollen Zügen genießen.

Sind auch Sie schon mit dem Neun-Euro-Ticket gefahren und haben lustige, skurrile, schöne oder auch ärgerliche Situationen erlebt? Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen an lokal.ilm-kreis@freies-wort.de.