Und das betrifft alle Patienten ab 80 Jahren?
Marcus Thieme: Nein, das kalendarische Alter ist nur ein Anhaltspunkt für besondere Aufmerksamkeit. Wichtiger für uns ist die sogenannte „Frailty“, auf Deutsch „Gebrechlichkeit“, die eine erhöhte Anfälligkeit älterer Patienten für äußere Stressfaktoren beschreibt. Sie können sich vorstellen, dass ein Herzinfarkt oder ein Gefäßverschluss im Bein, aber auch schon ein Krankenhausaufenthalt allein, erheblichen Stress für jeden Patienten bedeuten.
Heißt das denn, dass bei diesen Patienten keine Herzkatheteruntersuchung mehr durchgeführt werden soll?
Christian Mahnkopf: Nein, genau das nicht, denn für viele Krankheitsbilder wissen wir, dass eben genau die älteren Patienten von invasiven Eingriffen zum Beispiel bei Herzklappenerkrankungen oder von neuen Medikamenten profitieren. Zudem entwickeln sich die invasiven Verfahren ständig weiter und werden immer schonender. Alleine der Wechsel der Einstichstelle beim Herzkatheter von der Leiste hin zum Handgelenk hat die Blutungs- und Gefäßkomplikationen gerade bei unseren älteren Patienten deutlich reduziert.
Und wie verhält sich das bei Gefäßpatienten:
Marcus Thieme: Der Altersdurchschnitt unserer Patienten liegt bei 72 Jahren und fast ein Drittel unserer Gefäßeingriffe betreffen Patienten über 80 Jahren. Da wir auch aus eigenen Daten wissen, dass die Komplikationsrate altersabhängig signifikant steigt, greifen wir besonders bei diesen Patienten nach Möglichkeit auf kleinere Eingriffe mit kürzerer Interventionsdauer zurück.
Gibt es denn Konzepte, den Stress für ältere Patienten während eines Klinikaufenthaltes zu reduzieren?
Johannes Kraft: Die Chancen der Behandlung im Team mit Physio- und Ergotherapie, im Bedarfsfall auch der Einsatz von Musik und Kunst, sowie gezielte psychologisch und sozial unterstützende Maßnahmen bis hin zur individuellen Ernährungsberatung und der Einbezug der Angehörigen reduzieren Stress. Der Patient kommt in besserem Zustand und schneller wieder nach Hause.
Und wenn es doch auf einen Kathetereingriff hinausläuft?
Marcus Thieme: Auch hier gibt es Möglichkeiten. Zum Beispiel haben wir kürzlich in Sonneberg eine Studie durchgeführt, die untersucht hat, ob sich der Stress während eines Gefäßeingriffes durch klassische Musik vermindern lässt. Tatsächlich konnten wir nachweisen, dass das Angstlevel in der Musikgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Musik im Verlauf der Intervention signifikant gemindert werden konnte.
Noch einmal speziell zum Dinnersymposium: Wer kann daran teilnehmen?
Christian Mahnkopf: Wir haben das Symposium bewusst aus dem Fachkongress herausgelöst und öffnen es für alle interessierten Bürger der Region und die zahlreichen Beteiligten in der Versorgung älterer Patienten. Es besteht die Möglichkeit, live oder per Stream online teilzunehmen und über die Moderatoren vor Ort oder den Chat aus dem Livestream heraus Fragen an die Teilnehmer unserer Diskussionsrunde zu stellen. Eine Voranmeldung ist allerdings erforderlich.
Was erwartet die Zuschauer vor Ort oder online beim Dinnersymposium?
Marcus Thieme: Wir konnten mit Prof. Ursula Müller-Werdan, Direktorin der Klinik für Geriatrie und Altersmedizin an der Charité Berlin, eine Expertin der „Alterskardiologie“ gewinnen. Sie ist eine brillante Referentin und wird gemeinsam mit Klinikern verschiedener Fachbereiche Konzepte für ältere Patienten diskutieren. Zudem wird es um die Vorbereitung der Pflegenden auf dieses Patientenklientel und Konzepte speziell für unsere Region gehen. Wir freuen uns dann in der gemeinsamen Diskussion darauf, die Fragen des Publikums und der NP-Leser aufzugreifen
Das Gespräch führte Tim Birkner