Suhl/ Zella-Mehlis Toter Skiläufer: Leitstellen weisen Vorwürfe zurück

Jenny Brüsch und
Der in Suhl stationierte Rettungshubschrauber "Christoph 60" und damit auch ein Notarzt wären am 9. Februar deutlich schneller am Ort des Geschehens gewesen. Wegen des Wetters konnte er aber nicht fliegen. Quelle: Unbekannt

Der tragische Tod eines Skilangläufers nahe dem Schneekopf auf dem Rennsteig wirft Fragen auf: Fragen nach Zuständigkeiten, nach der Koordinierung des Rettungseinsatzes und nach kreisübergreifender Kommunikation der Leitstellen.

 
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Ilmenau/Suhl - Schlagzeilen gemacht hat in den vergangenen Tagen ein tragisches Ereignis; der Tod eines Skifahrers nahe Gehlberg im Ilm-Kreis. Der Mann war am 9. Februar in der Loipe nahe dem Schneekopf unterwegs und plötzlich zusammengebrochen. Ein Ersthelfer war vor Ort; am Nachmittag war unverzüglich die Rettungsleitstelle des Ilm-Kreises in Arnstadt alarmiert worden.

Nach ersten Informationen war ein Notarzt von Suhl aus anschließend zum Ort des Geschehens geschickt worden - jedoch war er aufgrund weitergegebener Informationen der Leitstelle zuerst zum Parkplatz "Adlersberg" und nicht zum rund 17 Kilometer entfernten Parkplatz "Adler" gefahren. Der Skifahrer - ein Mann zwischen 60 und 70 Jahren - war schließlich an den Folgen seines Herzinfarktes verstorben.

Es folgt en Gespräche, Diskussionen und Analysen in den Leitstellen des Ilm-Kreises (in Arnstadt) wie auch in Suhl. Nach Auswertung der Geschehnisse und Abhören der Gesprächaufzeichnungen, die in den Leitstellen gefertigt werden, erörterten Vertreter beider Gebietskörperschaften am Mittwoch auf Nachfrage, wie es sich nach dem Notruf zugetragen hat.

Ausnahmesituation

"In der Leitstelle in Arnstadt waren zum damaligen Zeitpunkt zwei Disponenten eingesetzt. Disponent eins hat dem Ersthelfer sofort Hilfestellung per Telefon gegeben - und dies bis zum Eintreffen des Notarztes. Disponent zwei hat die weitere Alarmierung vorgenommen und weitere Notrufe, die zusätzlich in der Leitstelle eingegangen sind, bearbeitet", erklärte der ehrenamtliche Beigeordnete des Ilm-Kreises, Eckhard Bauerschmidt.

Weil Kräfte aus Ilmenau durch zeitgleiche andere Einsätze gebunden gewesen seien, habe man in Suhl angerufen, um den Rettungshubschrauber für den in der Loipe bei Gehlberg zusammengebrochenen Skifahrer anzufordern. "Wegen der Wetterbedingungen konnte der Hubschrauber aber nicht starten; ein Notarzt ist aber von Suhl aus per Fahrzeug losgeschickt worden. Wir waren sehr dankbar, dass die Suhler Kollegen das in dieser Situation ermöglichen und uns unterstützen konnten", hebt Bauerschmidt hervor und merkt an, dass die Entfernung zum Notfallpunkt nahe dem Schneekopf von Ilmenau und Suhl aus eine ähnliche sei.

"Die zuständigen Disponenten haben sich dann verständigt und den Parkplatz Adlersberg und nicht den Parkplatz Adler als Punkt bestätigt", sagt Bauerschmidt und fügt im gleichen Atemzug hinzu: "Wir wollen uns gar nicht von irgendeiner Verantwortung freisprechen. Wir als Leitstelle haben natürlich die Verantwortung für den Einsatz", betont Bauerschmidt. Jedoch verweist er noch einmal auf die besondere Ausnahmesituation an diesem Tag und ergänzt: "Und der Notarzt wie auch der RTW waren nach 36 Minuten am Notfallort."

Auf dem Weg zu jenem "echten Notfallort", den man nach Durchsage eines nahen Forstpunktes durch einen zweiten Passanten schließlich ausmachen konnte, sei die Bergwacht Gehlberg alarmiert worden, die bereits 18 Minuten später zur Stelle war. Bauerschmidt sieht "bei beiden Mitarbeitern, die in unserer Leitstelle in Arnstadt waren, kein schuldhaftes oder grob fahrlässiges Verhalten".

So bewerten auch die Verantwortlichen des Rettungsdienstzweckverbandes (RDZV) Südthüringen - der die Leitstelle in Suhl betreibt - den Einsatz. "Ich stelle mich nach eingehender Auswertung des Falles ganz klar vor die Leitstellenmitarbeiter", sagt Verbandsvorsitzender Jens Triebel. Man stelle sich auch gern einer juristischen Überprüfung des Falles, wenn dies gewünscht werde, sagt er. Bislang gebe es ein solches Ansinnen, etwa der Hinterbliebenen, jedoch nicht.

Elektronische Karte

In Suhl bestätigt Robert Schmitt auf Anfrage die Anforderung des Rettungshubschraubers "Christoph 60" durch die Ilmenauer Kollegen. Dieser sei für eine solche Einsatzlage das schnellste Einsatzmittel, sagt der Ärztliche Leiter Rettungsdienst. Eine solche Anfrage anderer Leitstellen der Region sei Alltagsgeschäft. Allerdings habe der Hubschrauber zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Wetterverhältnisse nicht starten können. Deshalb habe der Suhler Disponent bei seinem Ilmenauer Kollegen den genauen Notfallort erfragt. "Dabei fielen laut in dem von uns nach den erhobenen Vorwürfen intensiv ausgewertetem Mitschnitt immer wieder die Worte ,Parkplatz' und ,Adler'", sagt RDZV-Geschäftsstellenleiterin Barbara Stärker.

Auf der elektronischen Karte des an allen Leitstellenplätzen verfügbaren Geo-Info-Systems fanden sich bei diesen Einträgen der Parkplatz Adlersberg an der A 73 zwischen Suhl und Schleusingen und eben der Parkplatz Adlersberg an der Wegscheide zwischen Suhl und St. Kilian. Der vom Ersthelfer per Handy angegebene Parkplatz "Adler" ist dort nicht verzeichnet - wohl auch, weil es einen solchen Parkplatz offiziell nicht gibt, wie Robert Schmitt sagt. Er hat sich die Gegebenheiten vor Ort im Rahmen der Untersuchung des Falls angeschaut. "Der ersthelfende Skifahrer hat aus seiner Sommerreflektion heraus völlig richtig vom ,Adler' gesprochen, allerdings ist das kein offizieller Parkplatz und als solcher im Winter auch nicht nutzbar." Das der Notruf in der Leitstelle Ilm-Kreis ankam, liegt daran, dass das Handy in eine Funkzelle des dortigen Zuständigkeitsbereiches - nämlich am Schneekopf - eingebucht war. Allerdings sind solche Funkzellenzuordnungen kein einhundertprozentiges Einsatzkriterium, sagt Robert Schmitt. "Das hat sich als zu ungenau erwiesen."

Nach Aktenlage kamen beide Disponenten überein, dass es sich nur um den Parkplatz Adlersberg handeln könne. Der Ilm-Kreis-Disponent legte diesen schließlich als Einsatzort fest, sein Suhler Kollege schickte das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zur Unterstützung dorthin. Erst als sich nach etwa neunminütiger Anfahrt herausstellte, dass dort niemand vor Ort war, wurde das Suhler NEF nach erneuter Nachfrage bei der Leitstelle Ilm-Kreis per Funk zum "Adler" an den Schneekopf geschickt, was weitere 19 Minuten Anfahrt bedeutete.

"Das Drama lag in der großen Entfernung des Notfallortes, in der leider unpräzisen Ortsangabe und im schlechten Wetter sowie dem daraus resultierenden nicht möglichen Hubschraubereinsatz begründet", sieht es Schmitt. Hätte der Heli fliegen können, wäre selbst bei zunächst falschem Einsatzort nur sehr wenig Zeitverzug beim Weiterflug zum richtigen Ort eingetreten.

Konsequenzen

Eine Konsequenz hat man in der Suhler Leitstelle dennoch aus dem Fall gezogen: "Wir haben die Mitarbeiter für technische Zusatzleitfunktionen, wie die Nutzung des elektronischen Kartensystems mit all seinen Möglichkeiten und Updates sensibilisiert", sagt Robert Schmitt. Außerdem wollen der Ilm-Kreis gemeinsam mit der Stadt Suhl und dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen die Markierungen der Wanderwege und markanten Örtlichkeiten sowie deren Bezeichnungen in dieser beliebten, aber abgelegenen Wander- und Skifahrerregion gemeinsam überprüfen.

Alle Verantwortlichen - sowohl im Ilm-Kreis als auch in Suhl - sehen sich von diesem Ereignis und dessen tragischen Ausgang zutiefst betroffen und sprechen den Angehörigen ihr aufrichtiges Beileid aus.

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