Suhl/Zella-Mehlis Plötzlich war da ein großes gemischtes Haus

Carmen-Madeleine Ludwig leitet das AWO-Seniorenpflegeheim „Christoph Wilhelm Hufeland“. Foto: frankphoto.de

Mitte Januar hat das AWO-Pflegeheim auf dem Döllberg den Corona-Ausbruch überstanden. So etwas wie Normalität zieht wieder ein. Und mit ihr auch das Nachdenken, was diese schwere Zeit mit den Mitarbeitern gemacht hat.

 
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Suhl - Carmen-Madeleine Ludwig würde ihre Mitarbeiter, die in der Zeit während des Corona-Ausbruchs alles für die Bewohner gegeben haben, gerne ein paar Tage in den Urlaub schicken. „Ich weiß, wie erschöpft sie sind und auch, wie emotional diese Zeit war.“ Aber der Dienst geht weiter. Jetzt wieder geregelt und mit ein bisschen mehr Normalität. Zu der gehört, dass die Besuchszeiten, für die sich Angehörige anmelden müssen beschränkt sind und dass jeder Besucher einen Corona-Schnelltest machen lassen muss, weil es um den Schutz der Bewohner geht. Zur Normalität gehört auch, dass die Bewohner gemeinsam Pizza backen, zusammen essen und sich beschäftigen können. „Endlich“, sagen viele der Frauen und Männer. „Endlich“, sagen auch die Mitarbeiter des Pflegeheims und deren Chefin Carmen-Madeleine Ludwig.

Bei allen gegenwärtigen Pflichten – die Gedanken an die vergangenen Wochen und Monate lassen auch sie nicht los. Sie erinnert sich gut an den Tag, als 40 von 93 Mitarbeiterinnen im Haus I in Quarantäne mussten. „Mit einem Schlag ist fast die Hälfte der Belegschaft ausgefallen.“ Und sie spricht von der Dynamik, die sich aus diesem Notstand entwickelt hat. „Quasi von heute auf morgen waren wir ein großes gemischtes Haus. Die Bundeswehr hat Soldaten geschickt, die uns vor allem hauswirtschaftliche Arbeiten abgenommen haben. Ehrenamtliche Helfer haben Bewohnern etwas vorgelesen, sich mit ihnen beschäftigt, damit sie die Isolation ein bisschen besser ertragen. Angehörige unserer Bewohner haben mitgeholfen. Aus anderen AWO-Einrichtungen ist Hilfe gekommen. Das alles zu erleben, hat gut getan“, sagt die Leiterin der Einrichtung, der heute noch anzumerken ist, wie emotional diese Zeit auch für sie gewesen sein muss. Vor allem in der Weihnachtszeit. „Da fährst du nach Hause zu Mann und Kindern und lässt die Menschen im Heim, die die Festtage ohne ihre Familien verbringen müssen, hinter dir. Das tut richtig weh.“ Dagegen kommen auch die Gänsehaut-Momente nicht an, die es gab, als zu Weihnachten Trompetenmusik vor den Fenstern des Pflegeheimes erklang.

Dazu kommen die Anrufe von Angehörigen, die in Sorge um ihre Familienmitglieder sind. Oder die mit Unverständnis auf Besuchsverbote und dergleichen reagieren. Und zusätzlich belasten. Dann die Tage, an denen das Bestattungsinstitut die Särge aus dem Heim tragen. „Da haben wir zusammengestanden, ganz still.“ Dass in einem Pflegeheim gestorben wird, ist nicht ungewöhnlich. Aber diese Häufung der Todesfälle auch unter Bewohnern, die sicher noch ein paar Jahre Leben vor sich gehabt hätten ... Carmen-Madeleine Ludwig, weiß, wie sehr solche Tage am Nervenkostüm von Mitarbeitern kratzen. Seelsorge wurde organisiert. Seelsorge, die einige dringend brauchten. „Was in unserem Haus geleistet wurde, das kann Geld kaum aufwiegen. Deshalb geht auch mein allergrößter Dank an die Mitarbeiter, auf die ich mich in jeder Situation verlassen kann. So hart, so emotional und körperlich belastend die Zeit während des Corona-Ausbruchs auch war – sie macht etwas mit uns und dem Haus. Ich denke, wir sind stärker geworden. Und ganz sicher ist da auch etwas Positives, was jeder aus dieser schweren Zeit auch ziehen kann“, so Carmen-Madeleine Ludwig. Sie wünscht sich für ihr ganzes Team ein großes Fest mit genügend Gelegenheiten, die Gefühle und Gedanken einfach mal raus- und wieder etwas mehr Leichtigkeit reinzulassen.

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