Suhl/Zella-Mehlis Henriks Sprung ins neue Jahr

Sprung ins Neue Jahr: Wüstenskifahrer Henrik May in seinem Element. Foto: privat

Seit mehr als 20 Jahren lebt Henrik May nun schon in Namibia. Der begeisterte Skisportler ist 1998 aus Zella-Mehlis ausgewandert und hat sich in Afrika eine neue Existenz aufgebaut. Die Corona-Krise trifft auch ihn hart.

 
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Swakopmund/Zella-Mehlis/Suhl - Wenn Oma Edith in Mäbendorf Silvester auf das neue Jahr anstößt, ist sie in Gedanken auch im fernen Afrika, in Namibia, wo Enkel Henrik seit so vielen Jahren eine neue Heimat gefunden hat. Lange hat sie ihn nicht gesehen, denn in diesem von Corona geprägten Jahr war es schwer für den 45-jährigen Auswanderer, nach Hause zu fliegen. Das letzte Mal war er vor dem ersten Lockdown Anfang des Jahres in Suhl und Zella-Mehlis. Seither blieben nur Internettelefonate, um den Kontakt zur Oma, zu Freunden und Bekannten aufrecht zu erhalten. Und Freunde hat Henrik noch viele in der alten Heimat – vor allem aus dem Wintersport beim SC Motor Zella-Mehlis, den er mit Leib und Seele betrieben hat. Heimweh spürt er dennoch nur selten. Immer neue Projekte, immer neue Vorhaben und Ziele treiben ihn, den Unermüdlichen, voran. „Manchmal“, gesteht er, „manchmal wäre es schon schön, sich am Jahresende mit den alten Freunden treffen und austauschen zu können.“

Vieles könnte er berichten aus den vergangenen Jahren. Denn viel Neues hat sich seit 2009 ergeben, als er sein kleines Hotel aufgab, um sich nur noch dem Wüstenskisport zu widmen, als dessen Pionier er bis heute gilt. Erfolgreich, denn mittlerweile ist das Interesse an rasanten Abfahrten auf Sand, an Langlauf-Touren, an Telemark-Skikursen oder sogar am Schlitten fahren unter sengender Sonne weit über Namibia hinaus gewachsen. In Saudi-Arabien wurde der Tourismusverband darauf aufmerksam und nahm Kontakt mit ihm auf. Er wurde 2014 erstmals eingeladen seinen Sport zu präsentieren und überzeugte die Saudis mit der für ihn so typischen großen Leidenschaft. Es gab einen Medienhype. Wüstenskifahren war plötzlich in. Der Spagat zwischen Tradition und Moderne, in dem sich das Land derzeit befindet, ist groß, hat Henrik May beobachtet. „Gerade deshalb ist das Interesse an etwas Neuem, etwas Ausgefallenem wie dem Wüstenskisport, riesengroß.“

Professionalität

Das Image des Landes, gerade in den westlichen Medien, sei nicht das Beste. „An den Menschen liegt das aber nicht. Sie sind freundlich, aufgeschlossen und von einer Herzlichkeit, die ich so nicht erwartet hätte“, sagt er. Immer wieder kam Henrik nach Saudi-Arabien, um auch dort den Wüstenskisport in professionelle Bahnen zu lenken. Das war und das ist seine Mission. „Das soll mehr als eine Touristenattraktion sein, mit der schnell Geschäfte gemacht werden und die dann wieder verschwindet“, sagt er. Deshalb legt er vor allem Wert auf eine professionelle Ausrüstung. Die sei Garant für den Erfolg. „Sonst geht der Spaß an der Sache ganz schnell verloren.“ Viele Kopien seiner Skier und der Ausrüstung sind mittlerweile auf dem Markt. „Das führt zu Unprofessionalität.“ Ein Wort, das Henrik May, einst leidenschaftlicher Wintersportler des SC Motor Zella-Mehlis, bis heute ein Gräuel ist.

In Riad hatte er die Möglichkeit, das Wüstenskifahren dem olympischen Verband vorzustellen. Und wer weiß – vielleicht wird die Sportart sogar einmal olympisch. „Da ist einiges im Gange momentan. Die Mühen mahlen langsam, aber sie mahlen“, sagt Henrik, der seit 2010 den Geschwindigkeitsrekord im Speed-Sand-Skiing hält und sein außergewöhnliches bisheriges Leben in seinem Buch „Wüstenskifahren – Ausstieg nach Namibia“ eindrucksvoll beschreibt. Ein zweiter Teil des Buches mit vielen neuen Erlebnissen und Geschichten ist derzeit in Arbeit.

Natürlich, auch in Namibia hat die Corona-Pandemie mit dem Einbruch des Tourismus wie überall auf der Welt ihre Spuren hinterlassen. Und das, obwohl das Klima dort im gerade begonnenen Sommer mit trockener heißer Luft dem Virus wesentlich weniger Spielraum lässt als im kalten, nassen Deutschland. Doch in den jetzt begonnen Sommerferien gibt es wieder mehr Kontakte unter den Menschen. Die Infektionszahlen steigen, so das auch in Namibia wieder ein Shutdown gilt. Abfahrtsrennen, Skisafaris, Wüstendurchquerungen per Ski, Filmproduktionen, Einladungen zu TV-Shows, Aufträge des Tourismusverbandes – all das, mit dem Henrik seit Jahren seine Brötchen verdient, liegt derzeit auf Eis. „Der Stecker ist raus, es gibt keine Einnahmen mehr“, sagt er. Ein Liftprojekt, das er mit einem Thüringer Partner plante, ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

„Ich kann mich zum Glück stark einschränken; lebe nicht üppig und brauche nicht viel zum Leben. Ich war schon immer sehr individuell und flexibel“, sagt Henrik, der nach wie vor in der 44 000-Einwohner-Stadt Swakopmund an der Atlantikküste lebt. Auf eine Klimaanlage verzichtet er von jeher und versucht durch Anpassung mit dem afrikanischen Klima zu leben. In Swakopmund, wo eher gemäßigtes Klima herrscht, ist das kein Problem. Aber auch während seiner Zeit im heißen Riad in Saudi-Arabien wohnte er ohne Klimatisierung – zum Unverständnis seiner Gastgeber.

Er ist fast nur mit dem Fahrrad unterwegs, einem Balloon-Bike, das mit seinen dicken Reifen auch auf Sand gut zu fahren ist. „Das schont die Umwelt und hält mich fit.“ Derzeit hilft er einem Freund auf dem Land beim Renovieren seines Hauses, zeigt zwei jungen Nachbarn wie Wüstenskifahren geht, führt Materialtests durch und aktualisiert die Internetseiten ski-namibia und ski-saudi-arabia im sun-ski-net.

Den Kopf buchstäblich in den Sand zu stecken, kommt für Henrik May auch in der jetzigen Situation nicht in Frage. Als hoffnungsloser Optimist geht es für ihn immer weiter. „Egal wie schwer der Weg ist – je weiter man geht, um so leichter wird es“, sagt er. Nie hätte er 1998 gedacht, einmal sein Leben mit seiner großen Leidenschaft – dem Skifahren – bestreiten zu können.

„Niemals aufgeben“

Viele Partner hat er seither gefunden, die seine Idee weltweit verbreiten. „Ich habe damals die Tür zu einer neuen Dimension aufgestoßen, die ich bis heute nicht begreifen kann.“ Niemals aufzugeben, an seinen Idealen festzuhalten, das habe sich als der richtige Weg erwiesen. „Das Blatt kann sich ganz schnell wenden – doch es ist wichtig, immer guten Mutes zu bleiben!“

Wann er wieder in die alte Heimat kommt, weiß Henrik May noch nicht. Seine Mutter, die Rentnerin ist und mit ihm in Namibia lebt, ist derzeit in Deutschland und hilft mit, Kontakte zu erhalten. So bleibt auch zum Jahreswechsel mal wieder nur das Internet, um Oma Edith in Mäbendorf und all seinen Freunden ein besseres, vor allem gesundes neues Jahr zu wünschen.

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