Suhl Tanzend geht’s dem Tumor an den Kragen

Zwei Millionen Euro: Ein neuer Linearbeschleuniger hat in der Suhler Strahlentherapie seinen Betrieb aufgenommen – das Modernste, das Südthüringen zu bieten hat.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Chefarzt Dr. Ronny Kruschel mit MTAR Sarah Köhler bei der ersten Patientin im neuen Linearbeschleuniger. Foto: Klinikum

Während sich der neue, rund sechs Tonnen schwere Linearbeschleuniger leichtfüßig schwebend erstmals um eine Patientin aus dem Landkreis Sonneberg bewegen darf und seine heilenden Strahlen binnen weniger Minuten Tumorgewebe wirkungsvoll bekämpfen, wirkt das Team der Suhler Strahlenklinik fast etwas melancholisch. Andächtig beobachten sie den Tanz des Geräts. So eine Anschaffung gibt es nicht alle Jahre, teilt Kliniksprecher Christian Jacob mit.

Nach der Werbung weiterlesen

Rund zwei Millionen Euro investiert die gemeinnützige SRH in ihre Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie in Suhl. In nur 18 Wochen wurde der alte Beschleuniger abgebaut, der strahlensichere Raum um das Gerät renoviert und der neue Linearbeschleuniger – ein Varian „True Beam“ – eingebaut, kalibriert und getestet. Zwei dieser Geräte der neusten Generation stehen damit dem Team um Chefarzt Dr. Ronny Kruschel zur Verfügung. Der Vorteil für rund 100 Krebs-Patienten: allerhöchste Präzision.

„Strahlentherapie kommt bei bösartigen Erkrankungen immer dann zum Einsatz, wenn Tumorgewebe schonend bekämpft werden soll“, erklärt Ronny Kruschel. Bei kleinsten Tumoren bis etwa vier Zentimeter Größe ist mit dem neuen Gerät die sogenannte „Stereotaxie“ möglich: Ein Verfahren, bei dem Tumoren oder Metastasen mit einer hohen Strahlendosis in nur einer bis maximal fünf kurzen Sitzungen millimetergenau bestrahlt werden. „Die Stereotaxie eröffnet unsere Strahlentherapie in Suhl ganz neue Möglichkeiten. Das spüren auch Patienten, die nun keine langen Wege mehr nach Erfurt, Jena oder Gera für eine Behandlung in Kauf nehmen müssen.“

„Mit Kanonen auf Spatzen“ war gestern

Ob Stereotaxie oder konventionelle Bestrahlung: Bei jedem Termin müssen die Patienten exakt unter dem beweglichen Arm des Beschleunigers positioniert werden. Dabei unterstützt moderne Technik: Automatisch fährt der Tisch in die richtige Position. Computer, Laser und Infrarotlicht helfen, die letzten Millimeter für die richtige Justierung zu erreichen. Vor jeder Behandlung wird eine Kontroll-Röntgenaufnahme angefertigt und mit der aufwendigen Bestrahlungsplanung abgeglichen. Nach letzten manuellen Feinchecks der Fachleute startet die Bestrahlung – und der Tanz des Geräts beginnt.

Vergleicht man damit die Anfänge der Strahlenklinik in Suhl vor 39 Jahren, wirken die damals innovativen Geräte wie Relikte aus der Steinzeit. Mittels Röntgentiefentherapie bekämpfte man in den 1980ern Tumorleiden. Im Vergleich mit dem neuen Gerät drängt sich der alte Spruch von den Kanonen und den Spatzen auf.

„Bei unserer Medizin geht es um äußerte Präzision: natürlich eine präzise Strahlendosis, deren exakte Verteilung wir gemeinsam mit Medizinphysikexperten berechnen. Ebenso wichtig ist die präzise Lagerung der Patienten. Der neue Beschleuniger unterstützt uns dabei“, erklärt der Chefarzt.

Dazu kommt die Beweglichkeit des Geräts: Es bewegt sich 360 Grad um Patienten. Die Austrittsfläche der Strahlen selbst wird durch 120 elektronisch gesteuerte Wolframlamellen stetig zielgenau moduliert. Sogar die atemgetriggerte Steuerung der Bestrahlung ist möglich. „Das führt in Kombination dazu, dass wir Tumorgewebe so exakt treffen, wie es derzeit technisch überhaupt möglich ist. Dabei allerdings noch entscheidender ist, dass wir gesundes Gewebe so gut schonen können, wie nie zuvor“, schwärmt der Chefarzt.

In den nächsten Jahren wird der neue Beschleuniger Tausenden Patienten helfen. Gerade im Bereich der zertifizierten Krebszentren im SRH Zentralklinikum, dem Darmkrebszentrum, dem Prostatakrebszentrum oder dem Brustkrebszentrum kommt der Zusammenarbeit mit der Klinik für Strahlentherapie große Bedeutung zu. Ihr ambulanter Bereich, die Poliklinik für Strahlentherapie, steht allen Patienten mit entsprechender Überweisung für gutartige und bösartige Erkrankungen offen.

Was macht ein Linearbeschleuniger?

Hightech 
Ein Linearbeschleuniger ist ein Gerät, das geladene Teilchen, beispielsweise Elektronen, Protonen oder Ionen, mithilfe eines elektrischen Feldes beschleunigt. Die geladenen Teilchen (wie Elektronen oder Protonen) werden in einer Quelle erzeugt. Bei Elektronen geschieht dies oft durch eine Glühkathode, bei Protonen durch ein Wasserstoffgas-Ionensystem. Die Teilchen durchlaufen eine Reihe von Hohlraumresonatoren oder Driftröhren, die abwechselnd mit Hochfrequenzspannungen geladen sind. Die elektrische Spannung wird synchron zur Bewegung der Teilchen umgepolt, sodass sie immer in die richtige Richtung beschleunigt werden. Magnetische und elektrische Felder helfen, die Teilchen auf eine gerade Bahn zu lenken und zu fokussieren. Dies verhindert, dass sich der Strahl zerstreut.