Suhl Mit Gewehr und Dirigentenstab

peter Arfmann

Eine besondere Buchvorstellung steht dem Waffenmuseum am 24. September ins Haus: Der Verein der Freunde und Förderer des Museums präsentiert „Generalmusikdirektor & Büchsenmacher – Olaf Koch & Oskar Brühl“.

Generalmusikdirektor Professor Olaf Koch mit der Thüringen-Philharmonie Suhl in ihrer Heimspielstätte Haus der Philharmonie. Foto: Studio Halir

Suhl - Gibt man die Stichworte „Suhl - Gewehr - Koch“ vor, so werden sicher zwei Namen mit dem Anfangsbuchstaben „H“ ergänzt. Zwei Waffenfirmen „Heckler & Koch“ und „Haenel“ sind wegen einer Auftragsvergabe der Bundeswehr gegenwärtig medial sehr präsent. Nachfolgend geht es aber nicht um ein Sturmgewehr, es geht um das ganze Gegenteil – die Musik. Anstelle des Gewehres tritt mit dem Dirigentenstab ein sehr friedliches Werkzeug. Mit „Koch“ ist nicht der Gründer einer Waffenfirma gemeint, sondern der Chefdirigent der Thüringen Philharmonie Suhl Generalmusikdirektor Professor Olaf Koch. Sein zwanzigster Todestag am 22. August ist der Anlass für diesen Artikel.

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Spuren hinterlassen

In der jüngsten Vergangenheit wurde bereits an zwei bekannte Musikerpersönlichkeiten mit Südthüringer Wurzeln erinnert. Am 14. April jährte sich zum siebzigsten Mal der Uraufführungstag des Rennsteigliedes vom Suhler Komponisten und Sänger Herbert Roth (1926-1983). Am 22. Juli war ein Vierteljahrhundert seit dem Tag vergangen, an dem die in Breitungen geborene Sängerin Tamara Danz (1952-1996) für immer die musikalische Bühne verließ. Auch Olaf Koch war ein Künstler, der in Südthüringen Spuren hinterließ. Er hat an den zwei bedeutendsten Klangkörpern der Region, dem Orchester des Meininger Theaters und der Thüringen Philharmonie Suhl fünfzehn Jahre gearbeitet und sie über zehn davon als Chefdirigent geleitet hat.

Olaf Koch wurde am 14. Januar 1932 in Sondershausen in einer Bergarbeiterfamilie geboren. Er hatte noch zwei Schwestern und einen Bruder. Der Bruder Heinz Koch wurde vom Naziregime 1941 wegen Hochverrat zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Ein Geschehen, das die politische Einstellung und Geisteshaltung von Olaf Koch beeinflusste. Von der Volksschule wechselte er 1945 an das Max-Reger-Konservatorium Sondershausen und studierte dort bis 1950 in den Fächern Violoncello, Klavier und Dirigieren. Zu seinem Lebensunterhalt trug er durch Arbeiten im Forst und in Tanzkapellen bei. Olaf Koch fand 1950 seine erste Anstellung als Korrepetitor für Ballett am Landestheater Meiningen. Ab 1955 leitete er Orchester in Halle, Stralsund und Stendal, bevor er 1961 als musikalischer Oberleiter wieder nach Meiningen ging. Mit erst 32 Jahren wurde er zum Generalmusikdirektor (GMD) ernannt.

Musik in Mittagspausen

Während der ersten drei Jahre in Meiningen wurden dem Publikum sämtliche Sinfonien und Konzerte von Beethoven präsentiert. Erstmalig in Meiningen setzte Olaf Koch auch seine Idee um, direkt zu seinem Publikum zu gehen. In den Mittagspausen von Betrieben der Stadt Meiningen führte er mit seinem Orchester klassische Musik auf. Die Qualität des Meininger Orchesters verbesserte sich deutlich. Neben seiner eigentlichen Orchesterarbeit war Olaf Koch aufgrund seiner Kompetenz in vielen Sätteln zu Hause. So nahm er 1964 das Probedirigat von Siegfried Geissler (1929-2014) zur Besetzung der Chefdirigentenstelle des Staatlichen Sinfonieorchesters (SSO) Suhl ab. Dass Olaf Koch selbst 26 Jahre später auf dieser Stelle sitzen würde, hatte sich der 32-Jährige damals sicher nicht gedacht.

Olaf Koch wechselte im Jahr 1967 als Chefdirigent an das SSO Halle. Es sollte mit 23 Jahren seine längste Wirkungsstätte und Halle sein Lebensmittelpunkt bis zu seinem Tod werden. Seinem Arbeitsbeginn dort wurde vom Orchester mit zwei Stimmungen begegnet. Die herausragenden künstlerischen Fähigkeiten von Koch waren unter den Musikern ebenso bekannt wie sein despotisches und cholerisches Auftreten. Olaf Koch war eine widersprüchliche Persönlichkeit. Herausragende künstlerische Kompetenz, absolutes Gehör und Engagement bei der Nachwuchsförderung paarten sich mit Machtbesessenheit.

Im Jahr 1975 erfolgte die Ernennung von Olaf Koch zum Professor für das Fach Dirigieren an der Musikhochschule in Weimar, sieben Jahre später wurde er Rektor der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Mit Olaf Koch erlebte die Hallesche Philharmonie einen großartigen künstlerischen Aufstieg, verbunden mit internationaler Anerkennung. Aber das despotische Auftreten und seine Staatsnähe führten in der Zeit des Umbruches 1989 zum Ergebnis einer Vertrauensfrage an das Orchester, welches ihn zum Aufhören in Halle bewog. Ein Zitat von Koch: „Gegen 42 Musiker im Orchester kann man nicht spielen.“

Und wieder führte der Weg von Olaf Koch nach Thüringen, diesmal nach Suhl. Im Herbst 1990 wurde somit ein lang gehegter Wunsch der Musiker der Suhler Philharmonie Wirklichkeit. Es kam ein international renommierter Dirigent, der noch dazu in Suhl einen hohen Bekanntheitsgrad hatte. Die Musikfreunde in der Region hatten zum Beispiel die Gemeinschaftsaufführungen der 7. „Leningrader“ Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch mit den Orchestern von Meiningen, Halle und Suhl in sehr guter Erinnerung. Die Probleme in der Menschenführung blieben bei Olaf Koch. Aber: „Was er aus dem Orchester in kurzer Zeit gemacht hat, war Wahnsinn!“, so eine Orchestermusikerin. Der auf Leistung fixierte GMD wollte über die Qualität das Überleben der Philharmonie sichern. Er hatte dafür unbestritten die künstlerischen Mittel, aber das reichte in den Jahren nach der Wiedervereinigung nicht aus. Im Jahr 1994 beendete Olaf Koch auf eigenen Wunsch die Chefdirigententätigkeit in Suhl. Er sagte in einem Interview mit dieser Zeitung im Mai 1994: „Die Leute wissen sicherlich, dass ich aus Suhl nicht weggehe, weil ich Besseres habe oder Besseres suche. Ich habe gewissen, geschichtlich entwicklungsbedingten Wegen in meinem Leben Rechnung zu tragen. Es ist meine Art, aufrecht zu gehen. In meiner Vergangenheit – ich bin immerhin vierzig Jahre in der DDR gewesen – gibt es gewisse Verhaltensweisen, die man nicht wegstreichen und passend machen kann.“ Die Musikfreunde, von denen er durch seine Arbeit sehr viele in Südthüringen gewinnen konnte, hatten verstanden, dass eine Ära für die Thüringen Philharmonie Suhl zu Ende ging, die sich nicht wiederholen sollte.

Letztmalig 2001 in Suhl

Olaf Koch dirigierte weiterhin Orchester in Griechenland, China, Japan und ein letztes Mal am 21. März 2001 auch wieder die Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl. Es war ein Konzert von einer derartigen Intensität und künstlerischen Qualität, dass es kein Besucher je vergessen wird. Das Leben von Olaf Koch endete fast auf den Tag genau fünf Monate nach diesem Konzert in Suhl. Er starb nach schwerer Krankheit am 22. August 2001 in Halle. Auf seinem Grabstein ließ der Mann, der so großen Wert auf seine durch Leistung erworbenen Titel „Professor“ und „Generalmusikdirektor“ legte, nur die Inschrift „Olaf Koch“ anbringen.

Zwei Bemerkungen stehen am Schluss: Mit Olaf Koch erreichte die Thüringen Philharmonie Suhl ihren künstlerischen Höhepunkt. Ihre Geschichte endete als selbstständiges Orchester 1997.

Wie kann es in Suhl anders sein, so geht es bei Olaf Koch doch auch um ein Gewehr. Er war ein leidenschaftlicher Jäger und besaß eine Suhler Jagdwaffenkombination der Marken „Merkel“ und „Bühag“.

nMehr zur Philharmonie sowie zur Geschichte einer Suhler Jagdwaffe enthält das Buch „Generalmusikdirektor & Büchsenmacher – Olaf Koch & Oskar Brühl“. Es wird am Freitag, 24. September, 17 Uhr, im Waffenmuseum erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt und es kann dort auch gekauft werden. Präsentiert werden außerdem die Publikation zu „50 Jahre Waffenmuseum“ und der neue „Rasselbock“.