Ex-Bundesliga-Trainer Manuel Baum sieht darin ebenso viel Potenzial. "Dieses Hilfsmittel zielgerichtet zu nutzen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, effektiver zu trainieren, Spiele zu gewinnen, Spieler besser zu scouten und zu entwickeln", sagt der 42-Jährige, der den FC Augsburg trainiert hat.
Zwei Scouting-Analysten in Wolfsburg
Generell beschäftigt das Thema die Bundesliga-Clubs: Der VfL Wolfsburg arbeitet im Scouting-Bereich mit zwei Analysten. "Wir wollen uns in diesem Bereich aber weiterhin verbessern. Aus meiner Sicht bietet die Arbeit mit Daten zukünftig noch viele Möglichkeiten", sagt Sportdirektor Marcel Schäfer. Der 38-Jährige halte die Technologie jedoch für noch nicht vollends ausgereift.
Er meint: Beim Scouting gehören Suchkriterien dazu, die derzeit nur schwer darstellbar seien. "Es wird zum Beispiel nicht erfasst, welche Persönlichkeit jemand hat. Manchmal will man ja einen Führungsspieler verpflichten, aber nur anhand von Daten wird das schwierig", erläutert Schäfer. "Ich glaube, dass es im Fußball wahrscheinlich nie so sein wird wie in der US-amerikanischen Major League Baseball, wo extrem viele Clubs nur auf Grundlage von Daten Spieler verpflichten."
Schäfer spielt auf die Ursprünge der Datenarbeit an, die im US-Baseball verortet werden. "Im Prinzip kann man sich Baseball wie eine fortlaufende Standardsituation vorstellen", erklärt DFB-Experte Bauer. Beim US-Sport wirft immer wieder jemand an der gleichen Stelle den Ball und ein anderer schlägt ihn weg. Nicht umsonst gibt es den auf wahren Begebenheiten beruhenden Film "Moneyball" (2011), in dem ein Baseball-Manager (Brad Pitt) die Transferpolitik wegen zu wenig Budget ändert und nur noch auf Basis computergenerierter Analysen unbekannte oder ausgemusterte Spieler verpflichtet.
Beim Fußball fehlen im Gegensatz zum Baseball solche gleichbleibenden Situationen häufig, weil der Sport so unberechenbar ist. "Insgesamt ist Fußball sehr komplex. Es wird mehr Zeit brauchen, bis man das Spiel vollumfänglich modellieren kann", sagt Bauer. Der Liverpooler Analyst Spearman, den Sportdaten schon immer begeisterten, drückt es ähnlich wie Bauer aus: "Beim Fußball gibt es eine Eleganz, die viel schwieriger zu beziffern ist."
Daniel Memmert leitet an der Deutschen Sporthochschule Köln das Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik. Auch ihn bringt die fehlende Lesbarkeit des Sports manchmal an Grenzen. "Wir wissen noch nicht, was genau zum Erfolg beiträgt. Wir wissen aber, dass man bei Spitzenwerten im Pressing und der Raumkontrolle eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, Spiele zu gewinnen."
Großer Mehrwert: Objektivität
Den großen Mehrwert in der wissenschaftlichen Herangehensweise sehen die Analysten in der Objektivität. "Das Schöne an Daten ist doch, dass man über einen längeren Zeitraum etwas objektiv Messbares hat, das im Gegensatz zu der emotional beeinflussten Wahrnehmung vergleichbar ist", sagt Bauer.
Daten geben Aufschluss über Laufleistung und Läufe in die Tiefe. Clubs wollen wissen, welcher Raum auf dem Spielfeld zu einer bestimmten Zeit von einem Spieler kontrolliert wird. "In großen Big-Data-Studien hat sich gezeigt, dass vor allem der Raum im Bereich von dreißig Meter vor dem Tor und im Strafraum wichtig ist. Wenn da viel Raum kontrolliert wird, dann hat man eine höhere Wahrscheinlichkeit, Spiele zu gewinnen", erklärt Memmert.
Letztlich werden die Daten nach Ansicht von DFB-Analyst Bauer ein kleiner Anteil am Erfolg sein. "Wenn wir es schaffen, ein paar Erkenntnisse an die Mannschaft weiterzugeben und sich die Leistung bei Turnieren dadurch um wenige Prozentpunkte verbessert, dann sind wir zufrieden", sagt Bauer hoffnungsvoll.
Memmert wünscht sich, dass bald nicht mit einem Knopfdruck klar sein wird, wer ein Spiel gewinnt. "Als Wissenschaftler würde ich die Frage mit Nein beantworten, dass wir den Fußball jemals so genau messen und das Ergebnis voraussagen können." Zudem spiele der Zufall eine große Rolle: Memmert verweist auf eine Studie, wonach 42 Prozent der Tore zufällig entstehen. "Daher kann ich sagen, dass wir auch zukünftig noch sehr viel Spannung haben werden - und das ist auch gut so."