Israelis erlebten den Terror und die Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023, wurden in den Gazastreifen verschleppt. Was macht das gerade mit Kindern? Eine Studie sucht nach Antworten.
Nach der Werbung weiterlesen
Die im Fachmagazin „Acta Paediatrica“ veröffentlichte Studie beruht auf den Untersuchungen von 26 Kindern und Frauen, die nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt wurden und im November und Dezember freikamen.
Für die Wissenschaftler war es Neuland. Die Mehrheit der Studien, die sich mit gesundheitlichen und psychologischen Folgen von Geiselnahmen befassen, beziehen sich auf Soldaten beziehungsweise Männer.
Untersucht wurden in einem Kinderkrankenhaus 19 Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 18 Jahren sowie sieben Frauen im Alter von 34 bis 78 Jahren. Darunter waren auch sieben Kinder, die ohne Familienangehörige verschleppt und getrennt von anderen Geiseln gefangen genommen waren.
Gemeinsam war den ehemaligen Geiseln ein erheblicher Gewichtsverlust und schlechter Ernährungszustand, heißt es in der Studie. Dabei war der Gewichtsverlust bei den Erwachsenen größer, auch weil sie mit ihren eigenen Rationen ihre Kinder zusätzlich versorgt hatten.
Während ihrer Gefangenschaft erhielten sie vor allem Reis oder Weißbrot und nur wenig oder gar kein Gemüse, Protein oder Fett. Alle befragten Ex-Geiseln berichteten von schlechten hygienischen Bedingungen und dass sie während ihrer Gefangenschaft wenig Zugang zu Wasser hatten.
Während des Angriffs erlitten 14 der 26 befragten ehemaligen Geiseln Verletzungen, insbesondere durch Schrapnelle verursachte Wunden. Einen besonderen Stellenwert bei der Untersuchung nahmen psychische Traumata ein. Die Mehrzahl der Patienten hatte vor der Gefangennahme den gewaltsamen Tod oder die Entführung von Familienangehörigen erleben müssen.
Alle berichteten von Psycho-Terror, Isolation und Einschüchterung. Vor allem die jüngeren Kinder litten bei der Aufnahme im Krankenhaus unter Albträumen und zeigten sich verschüchtert. Erst nach Tagen begannen sie Heranwachsenden, die in der Gefangenschaft nur im Flüsterton sprechen durften, wieder in normaler Lautstärke zu reden, schreiben die Autoren.
Die Untersuchung könne nur eine erste Bestandsaufnahme sein, heißt es. Weitere Untersuchungen zu den langfristigen körperlichen und seelischen Folgen der Gefangenschaft seien notwendig.
Das Erleben oder Beobachten eines traumatischen Ereignisses kann der Seele große Verletzungen zufügen. Die Symptome dieser Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, englisch: Post traumatic stress disorder/PTSD) können unmittelbar nach dem traumatischen Ereignis auftreten oder erst Monate oder sogar Jahre später beginnen und das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen.
Die Psycho-Traumatologie beschäftigt sich mit den Folgen von Traumata, erforscht und behandelt die Auswirkungen von traumatischen Ereignissen auf das Erleben und Verhalten von Einzelnen und Gruppen. Der aus der Unfallchirurgie stammende englische Begriff „Traumatology“ wurde erstmals im Jahr 1990 von dem US-Kinderpsychiater Dennis Donovan auf psychische Verletzungen angewendet. Daraus entwickelte sich das Konzept der Psychotraumatologie.
Die Tatsache, dass der Mensch Gewalt-, Trennungs-, Missbrauchs- oder Kriegserfahrungen nicht einfach ad hoc verarbeiten kann, führt zu Posttraumatischen Belastungsstörungen – also nachwirkenden seelischen Belastungen. Obwohl dieses Phänomen seit langem bekannt ist, werden PTBS erst seit den 1980er Jahren im Zusammenhang mit dissoziativen Störungen (bei der zusammengehörige Informationen, Wahrnehmungen oder Gedanken nicht mehr miteinander in Verbindung gebracht werden können) verstärkt diagnostiziert.