Struppsche Villa Die langjährigste Bewohnerin

Christoph Gann
Selma Eisenberg, geb. Strupp. Foto: /B.M. Strupp-Stiftung

Die Struppsche Villa in Meiningen erstrahlt wieder im neuen Glanz. Die längjährigste Bewohnerin aus der Familie Strupp war Selma Eisenberg. Sie wurde vor 80 Jahren im Ghetto Theresienstadt ermordet.

 
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Selma Eisenberg kam 1861 als sechstes Kind von Anselm und Thekla Strupp auf die Welt. Im selben Jahr konnte ihr Vater das Bürgerrecht erlangen, was ihm als Jude bis dahin verwehrt geblieben war. Anselm und seinem älteren Bruder Meyer Strupp ist es zu verdanken, dass Meiningen zum bedeutenden Bankenstandort wurde. Gemeinsam mit auswärtigen Bankiers hatten sie 1856 die Mitteldeutsche Creditbank gegründet. Ab dem Jahr 1862 expandierte ihre Familienbank B.M. Strupp. Zudem waren Strupps an der Gründung der Deutschen Hypothekenbank im Jahr 1862/63 beteiligt.

Selma Eisenberg wuchs im Vorgängerbau der Struppschen Villa auf. Das Anwesen in der Bernhardstraße hatte ihr Vater gemeinsam mit Meyer Strupp im Jahr 1856 erworben. Selma heiratete den Kaufmann Henry Eisenberg und verließ Meiningen. In Berlin wurde 1882 ihre Tochter Elfriede geboren, zwei Jahre später Sohn Franz. Im Jahr 1888 zog Selma Eisenberg mit ihnen zurück nach Meiningen. Ihr schwer erkrankter Mann verstarb bald darauf. In der Familienvilla lebten damals zudem Selmas verwitwete Mutter Thekla und die Cousins Meinhold und Gustav Strupp, letzter mit Ehefrau Fanny.

Im April 1909 wurde das Gebäude abgerissen und innerhalb eines Jahres entstand die heutige Struppsche Villa. Selma Eisenberg wohnte dort fortan, mit einer kurzen Unterbrechung, und sorgte für ihre Mutter.

Bereits wenige Jahre nach dem Neubezug starben Meinhold (1912) und Gustav Strupp (1918). Teile des Gebäudes wurden vermietet. Prominentester Mieter war der ehemalige Schauspieler und Theaterintendant Max Grube. Nach und nach verstarben die Bewohner aus der Familie Strupp: Thekla Strupp im Jahr 1926, Fanny Strupp 1931, Selmas Schwester Bertha Sax-Strupp 1934, Dora Pincoffs, Enkelin von Rechtsanwalt Isaak Strupp, im Jahr 1938. Selma Eisenberg hatte zudem den Verlust ihrer 1935 verstorbenen Tochter zu verkraften. Dr. Elfriede Eisenberg war mit dem – nichtjüdischen – Meininger Fritz Koch verheiratet gewesen. Beide gehörten zu den Pionieren des Natur- und Denkmalschutzes in Thüringen und führten in ihrer Wohnung in der Feodorenstraße den „Bund Heimatschutz“.

Im Jahr 1939 mussten die Erben Gustav Strupps ihre Villa an die Stadt Meiningen verkaufen. Selma Eisenberg zog im selben Jahr fort aus Meiningen. Vor-übergehend konnte sie wohl bei einem Neffen in Markkleeberg wohnen. Schließlich bekam sie einen Platz im Jüdischen Altersheim in der Humboldtstraße in Leipzig. Von dort wurde sie am 19. September 1942 deportiert. Der Transport kam aus Weimar mit Hunderten Leidensgenossen aus ganz Thüringen, unter ihnen 35 aus Meiningen. Der Zug erreichte am nächsten Tag das Ghetto Theresienstadt. Selma Eisenberg wurde dort am 7. Oktober 1942 Opfer des NS-Massenmordes. Sie wurde 80 Jahre alt.

Seit Oktober 2021 wird im B.M. Strupp Lern- und Gedenkort – Jüdische Geschichte und Antisemitismus – an Selma Eisenberg erinnert. Die dortige Dauerausstellung ist ab sofort jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr geöffnet.

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