Stromtrasse Südlink arbeitet sich nach Thüringen vor

Mirjam Uhrich, Helena Dolderer

Sie gilt als Monster-Projekt der Energiewende: Jetzt hat der Bau der Stromtrasse Südlink durch Hunderte Kilometer in Deutschland so richtig begonnen: Die ersten Kabel werden verlegt.

 
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Von riesigen Kabelrollen werden die einzelnen Kabel in die Gräben gezogen. Foto: picture alliance/dpa/Focke Strangmann

Der Graben ist ausgehoben, die Baumaschinen laufen: Bauarbeiter haben die ersten Kabel für die Stromautobahn Südlink im niedersächsischen Landkreis Rotenburg (Wümme) verlegt. Die Trasse soll künftig Strom aus dem Norden nach Süddeutschland transportieren. „Mit dem Kabeleinzug wird Südlink Kilometer für Kilometer Realität“, betont Tim Meyerjürgens, Manager beim Betreiber Tennet.

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Erste Kabel für Stromautobahn

Die Notwendigkeit für das Mega-Bauprojekt wird damit begründet, dass über die Leitung Strom aus Windkraft aus dem Norden nach Bayern und Baden-Württemberg fließen soll – angesichts der Abschaltung der Atomkraftwerke und dem Kohleausstieg sei das wichtig für die Energiewende, wird beteuert. Bürgerinitiativen und Aktionsbündnisse hingegen haben immer wieder Bedenken an dem Projekt geäußert und mit Klagen gedroht. Sie fürchten unter anderem negative Auswirkungen auf Landwirtschaft und Umwelt. Umstritten ist aber auch, weshalb die Leitung unbedingt durch Thüringen führen muss, da ein Verlauf weiter westlich geradliniger wäre – was eigentlich auch vom Gesetz gefordert wird. Doch entsprechende Einwände aus dem Freistaat waren sowohl von den Betreibern als auch der Bundesnetzagentur abgebügelt worden.

Die Kabelarbeiten starten in der Gemeinde Heeslingen, auf einer Strecke von rund zwölf Kilometern sind dort bisher Leitungen verlegt worden. „Wir stehen momentan ganz am Anfang der Kabelinstallation, fahren die Aktivitäten Stück für Stück hoch“, sagte ein Tennet-Sprecher. Mehr als 2400 Kilometer Kabel sollen am Ende quer durch Deutschland verlegt sein.

Bald Dutzende Baustellen bundesweit

Die Stromtrasse führt durch sechs Bundesländer: von Schleswig-Holstein über Niedersachsen, Hessen und Thüringen bis nach Bayern und Baden-Württemberg. Genau genommen handelt es sich beim Südlink um zwei Stromverbindungen mit vier Kabeln: Sie beginnen in Wilster und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein, vereinen sich unter der Elbe und verzweigen sich wieder in Süddeutschland. Zwei Kabel enden in Bergrheinfeld in Bayern, die anderen beiden in Leingarten in Baden-Württemberg.

Schon jetzt werde an einigen Orten gegraben und gebohrt, sagt Thorsten Dietz, Direktor für Gleichstromprojekte bei Tennet. Beispielsweise im Raum Heilbronn oder an der Elbe. Ab nächsten Jahr sollen es Dutzende Baustellen bundesweit sein. „Wir bauen Abschnitte, die wir nach und nach verbinden.“

Bis Strom fließt, dauert es noch mindestens vier Jahre. „Das ist nicht so wie im Autobahnbau, wo ich schon mal von Auffahrt zu Auffahrt was freigeben kann“, meint Dietz. «Südlink kann nur in Betrieb gehen, wenn das Gesamtsystem fertig ist.“ Ende 2028 soll es so weit sein, sechs Jahre später als ursprünglich geplant.

Doch erst müssen die Kabel verlegt werden. Dafür wird nach Angaben des Unternehmens Schicht für Schicht ein Graben ausgebaggert. Das Erdkabel wird mit einem Schwertransporter geliefert, jeder Transport einer tonnenschweren Kabeltrommel braucht eine Sondergenehmigung.

Ein Kran hebt das Kabel schließlich in den etwa 1,3 Meter tiefen Tunnel. Dort wird es mit einem Seil gezogen, unter ständiger Beobachtung von drei Männern. Alle paar Schritte lupfen sie das Kabel mit einer Seilwinde über die nächste Halterung. Nur langsam kommen sie voran, schaffen etwa einen Meter pro Minute. Am Ende soll die Verbindung rund 700 Kilometer lang sein.

Wenn die Trasse Bahnstrecken, Straßen oder Flüsse kreuzt, wenden die Arbeiter für die Verlegung der Kabel ein spezielles Bohrverfahren an, um das Kabel unter dem Hindernis hindurch zu führen. Zuletzt wird der Graben wieder mit der Erde aufgefüllt. In wenigen Jahren soll von der Baustelle nichts mehr zu sehen sein. Die Flächen könnten dann ohne Einschränkungen landwirtschaftlich bewirtschaftet werden, versichert der Betreiber.

Strom für zehn Millionen Haushalte

Die Stromautobahn soll rein rechnerisch zehn Millionen Haushalte mit Ökostrom versorgen. „Das ist die Energie, die ehemals vier große Kernkraftwerksblöcke erzeugt haben“, erklärt Dietz. Südlink soll Gleichstrom transportieren. Dabei geht weniger Energie verloren als beim Transport von Wechselstrom. Konverter an den Endpunkten der Stromtrasse wandeln den Gleichstrom in Wechselstrom um. Für Planung und Bau im Norden des Landes ist Tennet zuständig, TransnetBW verantwortet Mittel- und Süddeutschland.

Bei der Verlegung von Erdkabeln wird weniger in das Landschaftsbild eingegriffen als bei Strommasten, es kostet allerdings viel Geld. Die Betreiber rechnen nach eigenen Angaben mit etwa zehn Milliarden Euro für den Südlink.

Was die künftige Inbetriebnahme der Trasse für die Strompreise bedeutet, ist unklar. Fest steht, dass die Kosten des Projekts über Jahrzehnte auf die Netzentgelte umgelegt werden und damit bei den Verbrauchern landen. Gleichzeitig soll die neue Trasse Engpässe in der Stromversorgung verhindern – das könnte Geld sparen, wenn kein Strom dazugekauft oder Windpark-Betreiber für Strom entschädigt werden müssen, der nicht abgenommen werden kann.