Steinbach-Hallenberg Panzer komme üwer dän Steller Barch

Tanja König

„Sie kommen, sie kommen. Panzer kommen über den Stiller Berg“ hallte es am 3. April durch den Haselgrund – die Stunde der Befreiung Steinbach-Hallenbergs durch amerikanische Soldaten.

 
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Die Sonderausstellung zu 80 Jahren Kriegsende ist derzeit im Metallhandwerksmuseum zu sehen. Foto: Sascha Willms

3. April 1945 – morgens um 9 Uhr hören die Bewohnerinnen und Bewohner des Haseltals die Sirene. Zehn Minuten lang ertönt Feindalarm. Pfarrer Wüpper schreibt in die Stadtchronik: „Am 3. April 1945 hörte man vom Dolmar her die Geräusche von Kettenfahrzeugen. Der Bürgermeister rät den Leuten, sich in die Keller der Häuser zu begeben. Kurz vor Mittag fuhr der erste amerikanische Panzer die Hauptstraße hoch.“

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Ihm folgte ein langer Zug aus M4-Sherman-Panzern, Lastkraftwagen und Militärfahrzeugen, die von Christes über Breitenbach und Springstille weiter nach Steinbach-Hallenberg fuhren. Die Stadt wurde von der 11. Panzerdivision der 3. US-Armee unter Generalleutnant S. Patton besetzt. Damit endete der Zweite Weltkrieg für die Haseltalstadt.

Doch gänzlich ohne Widerstand geschah der Einzug der amerikanischen Kampfverbände nicht. Als die Panzer die Ortsmitte erreichten und vor dem Rathaus von Steinbach-Hallenberg zum Stehen kamen, fielen Schüsse vom Arzberg, dem Hausberg der Haseltalstadt. Die amerikanischen Soldaten erwiderten mit Gegenfeuer, wodurch etliche benachbarte Häuser Schaden nahmen. Erst später stellte sich heraus, dass Volksschullehrer Heinrich Jäckel Initiator des Angriffs auf die amerikanischen Soldaten war.

Verblendet von der nationalsozialistischen Doktrin und aus persönlichen Motiven heraus handelnd, leistete er Widerstand und war schuld an einer völlig unnötigen Tragödie, die letztlich ein weiteres Kriegsopfer forderte.

Das letzte Kriegsopfer in Steinbach-Hallenberg hieß Friedrich Wilhelm König. Der Sohn des Schlossermeisters Johannes August König und der Marie Christiane, geb. Killenberg, wie es im Totenbuch der evangelischen Kirche niedergeschrieben steht, wurde während der Kampfhandlungen rund um das Rathaus von einer amerikanischen Kugel getroffen und erlag einen Tag später seinen Verletzungen.

Drei Monate befand sich Steinbach-Hallenberg unter amerikanischer Militärregierung. Etliche Bekanntmachungen, Verordnungen und Aushänge dokumentieren die damaligen Regularien. Eine Ausgangssperre wurde von 20 Uhr abends bis 7 Uhr morgens verhängt; es herrschte Versammlungsverbot ab einer Personenanzahl von fünf Personen und sämtliche Fotoapparate und Sendegeräte mussten unverzüglich abgegeben werden.

Am 3. Juli 1945 übergaben zurückgebliebene amerikanische Soldaten die Stadt an die russische Armee. Der von den Amerikanern kommissarisch ernannte Bürgermeister Oskar Usbeck wurde seines Amtes wieder enthoben. Ihm folgte ab dem 4. Juli der von der russischen Kommandantur ebenfalls kommissarisch ernannte Walter Ritzmann, der bis 30. November im Amt blieb und dann von Rudolf Hoffmann (KPD, später SED) abgelöst wurde. Ihre Kommandantur richteten sich die russischen Soldaten in der Webervilla in der Arzbergstraße ein. Von Misstrauen geprägt, unternahmen die sowjetischen Soldaten viele Hausdurchsuchungen und Razzien, immer auf der Suche nach unerlaubten Waffen, Essensvorräten oder versteckten Personen. Im Herbst 1945 begannen die Demontagen. Unzählige Maschinen wurden aus den örtlichen Fabriken beschlagnahmt, unter sowjetischer Beaufsichtigung zurückgebaut und in schwere Holzkisten verladen, die am Bahnhof auf ihren Abtransport warteten.

Viele Wirtschaftsbetriebe waren damit handlungsunfähig. Geschäfte im Ort wurden geplündert oder geschlossen; Handelswege unterbrochen. In dieser Notlage tauschten die Menschen der Haseltalstadt mit benachbarten Orten Waren, die für das Überleben unerlässlich waren. Das „Hamstern“ wurde für viele Bewohner und Bewohnerinnen zur einzigen Möglichkeit, sich mit Lebensmitteln und Alltagsgütern zu versorgen.

80 Jahre sind seitdem nun vergangen. Mehr und mehr verblassen die Erinnerungen und sterben die wenigen Zeitzeugen. Die Ausstellung „Si komme, si komme! – 80 Jahre Kriegsende in Steinbach-Hallenberg“ bietet einen umfassenden Einblick in die letzten Kriegsmonate und die unmittelbare Nachkriegszeit.

Dabei sind die Themen so gegliedert, dass die Besucherinnen und Besucher, die historischen Ereignisse in ihrer ganzen Vielschichtigkeit nachvollziehen können. Im Zentrum stehen dabei immer historische Dokumente, die über 100 Zeitzeugenberichte, zahlreiche Fotografien und originale Objekte, die die Ereignisse rund um das Kriegsende lebendig werden lassen.

Die persönliche Perspektive wird besonders in den Geschichten des aus Steinbach-Hallenberg stammenden Generals Hans von Obstfelder und des Landrats Otto Recknagel, dem sogenannten „Doppel-Otto“, greifbar. Auch die vielen Schicksale der Zwangsarbeiter, Heimatlosen, Vertriebenen und nicht zuletzt der KZ-Häftlinge, die Steinbach-Hallenberg auf Todesmärschen durchzogen haben, werden authentisch thematisiert.

Begleitend zur Ausstellung gibt es ein Vortragsprogramm. An vier Abenden werden unterschiedliche Referenten sowohl die Ortsgeschichte im Allgemeinen als auch die Schicksale von Vertriebenen im Speziellen tiefgründiger betrachten. Den Anfang macht Wolfgang Diller. Zum Abschluss dieser Vortragsreihe werfen wir einen Blick auf die Geschichte unserer Partnerstadt Steinbach (Taunus).

* Tanja König ist die Leiterin des Metallhandwerksmuseums Steinbach-Hallenberg. Sie studierte Geschichts- und Literaturwissenschaften und promovierte an der Professur für Mittelalterliche Geschichte der Universität Erfurt.

Vortragsreihe zur Ausstellung

Donnerstag, 17. April, 19 Uhr, Rathaussaal:
Herges-Hallenberg im Dritten Reich und in der Besatzungszeit (Wolfgang Diller)

Donnerstag, 15. Mai, 19 Uhr, Metallhandwerksmuseum:
Zwischen Heimatverlust und Neuanfang: Vertriebene in Südthüringen (Wilhelm Geretzky)

Donnerstag, 3. Juni, 19 Uhr, Metallhandwerksmuseum:
Ungezeigte Geschichten: Hintergründe und Quellen zur Sonderausstellung (Tanja König und Paul Marr)

Samstag, 14. Juni, 19 Uhr, Metallhandwerksmuseum:
Die Stunde Null in unserer Partnerstadt: Steinbach (Taunus) und der Neubeginn (Kai Hilbig)