Standort-Aus umstritten EKS sieht sich um ihre Chance geprellt

Patrick Schmidt (links) und die weiteren EKS-Betriebsräte sind sich einig im Nein zur Management-Entscheidung. Foto: /Beer

Der Schock sitzt tief bei den 230 Mitarbeitern der Elektrokeramik Sonneberg. Das am Montag zum Jahresende verkündete Aus bleibt nicht unwidersprochen. Leicht will der Betriebsrat dem Konzern die Abwicklung nicht machen.

 
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Um 14.15 Uhr war am Montag die Belegschaft zusammengetrommelt worden. „Fünf Minuten haben die da vorne dann ihre vorbereiteten 20 Sätze vorgelesen – wie in der Schule. Das war’s dann. Rückfragen waren nicht erwünscht.“

So schilderte am Montagabend ein Betriebsangehöriger am Lesertelefon von Freies Wort, wie er die Versammlung erlebt hat. Im Internetauftritt der Tageszeitung stand gegen 17 Uhr – auf Basis einer Mitteilung des Unternehmens – nachzulesen, dass diese die Produktion im Werk in Malmerz zum Jahresende auslaufen lassen will. „Die große Frechheit war, dass wir noch aufgefordert wurden, jetzt bloß nicht krank zu machen oder aus dem Betrieb was zu stehlen“, erbost sich der Mann. „Das ist schon extrem“, erst werde einem der Verlust des Jobs mitgeteilt. Dann bekomme man noch Krankmacherei und Diebstahl um die Ohren gehauen.

Welcher Ton genau angeschlagen wurde in diesen „extremen fünf Minuten“, dazu mochte sich die Geschäftsführung auf Nachfrage am Mittwoch nicht vertieft erklären. Es bleibe beim Inhalt der Mitteilung vom Montag, wonach man es bedauert, die Mitarbeiter vor solche Herausforderungen stellen zu müssen, hieß es. Nur so viel wird ergänzt: „Für die EKS ist es zunächst wichtig, mit der Arbeitnehmervertretung sehr zeitnah in einen konstruktiven Dialog über sozialverträgliche Maßnahmen zu treten.“ Über die Ergebnisse werde man die Öffentlichkeit natürlich in Kenntnis setzen.

Dass die Art und Weise, wie die unternehmerische Entscheidung der Belegschaft rübergebracht wurde, ordentlich Schockwirkung entfaltete? Bestätigt am Mittwochnachmittag der Betriebsrat im Gespräch mit Freies Wort. Die Arbeitnehmervertreter selbst waren erst ein dreiviertel Stunde vorab ins Bild gesetzt worden. Und nachdem das Management das Statement verlesen hatte, waren alle wie vor den Kopf gestoßen, schildert Patrick Schmidt. Und ja, so sagt der Vorsitzende des Gremiums, auch ihm stieß die Warnung der Chefs vor einer mutmaßlich aus dem Ruder laufenden Krankenstandsquote sauer auf. Der Hinweis sei wohl abgesetzt worden, um Auflösungserscheinungen bei noch laufendem Betrieb einzudämmen. Damit die Aufträge bis Dezember weiter abgearbeitet werden. „Und nicht Insolvenz angemeldet wird.“

Die wenigen, die sich noch zu kritischen Nachfragen aufrafften – „wurden ignoriert“, fasst Schmidt zusammen. „Man muss sich klar machen, dass in unserer Kollegschaft das Durchschnittsalter irgendwo zwischen 50 und Mitte 50 liegt. Hier arbeiten Leute, die seit 45 Jahren und aufwärts dabei sind, die die EKS als ihre Familie sehen und erlebt haben. Das soll ihnen jetzt plötzlich weggenommen werden.“ Neu Fuß zu fassen auf dem freien Markt, sich als langgedienter EKS-Arbeiter nach einem neuen Familieneinkommen umtun zu müssen, „das wird für viele schwierig, richtig schwierig“.

Kalte Marktbereinigung

Der Betriebsrat hat sich mittlerweile Hilfe von einem Anwalt und Unterstützung vonseiten der Gewerkschaft geholt. Beginnend in der nächsten Woche werden Gespräche in den Abteilungen geführt. Für Anfang Juli könnte man vielleicht eine nächste Betriebsversammlung ansetzen. Ob es eine Mahnwache gibt, um Protest und Ärger an den Mann zu bringen? Ob man wie die Eio Oberlind 2019 oder 2003 beim Märklin-Ableger in Köppelsdorf den Frust auf die Straße trägt? Schmidt mag es nicht ausschließen. „Es wird auf jeden Fall ein Kampf werden.“ Geräuschlos abwickeln lassen? Werde man sich nicht, lautet die Ansage. Und wenn es gut läuft, vielleicht finde sich dann sogar, vermittelt übers Wirtschaftsministerium, ein Investor, der dem seit Anfang der 1960er-Jahre etablierten Isolatorenhersteller eine Chance auf Fortbestand gibt. Dass die Politik solche Versuche zumindest anschieben will, hat seine Anerkennung.

Wie überraschend die Entscheidung, das Werk zu schließen, daherkam? Dazu gehen die Meinungen ein Stück weit auseinander in der Runde. „Die Aufträge waren da“, heißt es. Wenn’s Überstunden gebraucht hat, sie zu bedienen, scheiterte das nie an den Mitarbeitern. Eine Rolle habe eher gespielt, dass Ende 2021 sich die Eigentumsverhältnisse bei der Austria Holding und einhergehend der EKS/PPC-Insulators geändert haben. Ein Finanzinvestor stieg ein. Dem gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits der einzige maßgebliche deutsche Mitbewerber in Wunsiedel. Die vormaligen Konkurrenten waren ab 2022 verbunden. Doch bei der Entscheidung, ob Wunsiedel oder Sonneberg fortbesteht? Bekam die EKS das kurze Hölzchen zugeschoben.

Eine Marktbereinigung auf kaltem Wege, bringt ein Betriebsrat seine böse Vermutung auf den Punkt. „Unter gestörten Lieferketten, Energiepreisen, Inflation und so weiter – da leiden doch alle in der Branche gleich. Nicht nur wir hier in Sonneberg“, heißt es. Von daher sehen sich die EKSler um die Chance geprellt, sich weiter am Markt zu beweisen mit ihrem Können, ihrer Tradition und ihrem Leistungswillen. „Ab 2022 ist das losgegangen, dass man uns gebremst hat, regelrecht blockiert – Aufträge wurden aktiv zurückgehalten und nicht zur Produktion freigegeben, Maschinenreparaturen nicht erledigt, mangelnde Qualität in Kauf genommen“, sagt ein Sonneberger.

Seine Zusammenfassung bleibt unwidersprochen. Und damit der Eindruck bei den Betroffenen hängen, die EKS sei im ersten Halbjahr in ein Aus gesteuert worden, das am Montag nur noch offiziell gemacht werden musste.

In fünf Minuten.

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