Stadtmuseum Zella-Mehlis Wo sich Frauen und Männer zu nah kommen

Maria Seeberg

Das Stadtmuseum in der „Beschußanstalt“ Zella-Mehlis stellt seit einigen Jahren jeweils ein Objekt des Monats in den Mittelpunkt. Und jetzt auch bei „Freies Wort“. Heute der Bobsleigh, zu Deutsch: Bob. Anfänglich war das auch ein Sportgerät für Frauen.

 
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Bobfahren war einst in Oberhof ein beliebtes Freizeitvergnügen – auch unter Damen. Foto:  

Da war er wieder. Dieses Jahr aber immer nur kurz und wenig und gleich wieder weg – der Schnee. Wenn das so weitergeht, weiß keiner mehr, etwas mit unserem Objekt des Monats anzufangen. Die Benutzung ist unter den aktuellen Bedingungen sowieso nicht mehr möglich. Wie war das vor 100 Jahren, als man den Bobsleigh – wörtlich übersetzt Bob – noch auf Naturbahnen im Thüringer Wald bewegen konnte und in unseren Breiten damit Meisterschaften ausfuhr? Heute würden wir das Modell übrigens wohl eher als Lenkschlitten bezeichnen, dabei konnten Aussehen und Konstruktion früher Bobs variieren.

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Der Schlitten an sich begleitet die Menschen seit der Urzeit. Der deutsche Name leitet sich vom Mittelhochdeutschen „sliten“ = gleiten ab. Schlitten dienten nicht nur im Winter zunächst vor allem als Transport- und Verkehrsmittel. Im Depot des Stadtmuseums befinden sich eine ganze Reihe von Schlitten für verschiedene Zwecke. Unser Objekt des Monats war nur zum Vergnügen und zum Wettkampf gedacht und kann in der Dauerausstellung besichtigt werden.

Foto: Stadtmuseum Zella-Mehlis

Es handelt sich um einen Bobsleigh oder Lenkschlitten. Zwei durchgehende Kufen aus elastischem und belastbarem Eschenholz mit unterbrochenen Metallbeschlägen können mittels Lenkrad vorn leicht verbogen werden. Dadurch lenkt der Schlitten in die Kurven. Die Materialkombination aus Metallverstrebungen und -verstärkungen, hölzernem Lenkrad mit Metallspeichen, Holzkufen und Holzsitzfläche macht ihn sehr belastbar. Als Bremse und vielleicht auch zum Lenken dienen am hinteren Teil des Schlittens zwei einzeln zu betätigende Metallhebel mit gedrechseltem Holzgriff. Die Länge von etwa 1,50 Metern spricht dafür, dass es sich um einen Zweisitzer handelt.

Vertrieb läuft über Oberhof

In den Kufen ist links und rechts „E.H. Schlüter OBERHOF 175“ eingestanzt. Das deutet auf den Vertrieb durch Erwin Schlüter hin, der laut Einwohnerbuch von 1926 in Oberhof mit Sportartikeln, Weiß- und Wollwaren handelte und Mitgründer des Oberhofer Wintersportvereins war. Aus welchem Jahr der Schlitten stammt (von Schlüter gebaut oder nur vertrieben), ist nicht bekannt, genau so wenig, wer ihn in Zella-Mehlis nutzte. Die stellenweise bis aufs Holz abgewetzten Metallbeschläge der Kufen deuten auf einen intensiven Gebrauch hin.

Foto: Stadtverwaltung Zella-Mehlis

Gelenkt wurde per Seilzug oder Lenkrad. Manche Bobs hatten ein Metallgestell und reine Metallkufen, andere Modelle fuhren auf metallbeschlagenen Holzkufen, je nach den Erfordernissen der Bahn. Auch die Anzahl der Mitfahrer war anfangs nicht festgelegt und konnte mehr als sechs Personen betragen.

Schon 1901 baute Carl Benzing in Friedrichroda den ersten Stahlbob mit Radlenkung namens „Schwarzer Peter“. Seit dieser Zeit wurde der Bobsport im Thüringer Wald intensiv betrieben. Er war zunächst eher privilegierten Kreisen vorbehalten. Sehr viele Adelige, unter anderem Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha oder auch Kronprinz Wilhelm von Preußen, fuhren zum Vergnügen und bei Wettkämpfen mit. In Oberhof befanden sich 1913 zwei Bobbahnen und eine zwei Kilometer lange Lenk-rodelbahn. Darunter war die 1,9 Kilometer lange Wadebergbobbahn bereits 1909 mit einem elektrisch betriebenen Drahtseilaufzug und einer elektronischen Zeitnahme ausgestattet.

Zu hohes Brustkrebsrisiko?

Anfangs waren bei den Wettkampfdisziplinen Bobfahren und Rodeln Frauen aktiv dabei. In der Schweiz fuhren vorschriftsgemäß gemischte Teams sogar bis in die 1920er-Jahre gemeinsam die Bahnen hinab. Danach, vielleicht auch weil viele Frauen durchaus erfolgreich Rennen bestritten, wurden Frauen von den Wettkämpfen ausgeschlossen. Begründung war: Durch die Erschütterungen der Fahrt erhöht sich das Brustkrebsrisiko, Männlein und Weiblein kommen sich beim gemeinsamen Schlitteln zu nah. Bei den olympischen Wettkämpfen dürfen erst wieder seit 2002 reine Frauenteams starten. Gemischte Teams sind seit 2014 neuerlich Teil der Wettkämpfe.

Aber wie war es auf dem Gebiet des heutigen Zella-Mehlis um den Bob- und Schlittensport bestellt? Alfred Öhring schreibt dazu: „Der Rodelsport, mit kleinen und großen Rennschlitten, wurde ja schon von alters her auf unseren Hügeln und abschüssigen Straßen von Jung und Alt gepflegt … Auch ein vorschriftsmäßiger, sieben Zentner schwerer Bobschlitten, auf den Namen ,Faule Grete’ getauft, welcher in der Joppschen Fabrik gebaut wurde, war vorhanden. Die allabendlichen Fahrten gingen mit einer Besatzung von fünf Mann von der Pappel bis zum Mehliser Markt. Sonntags ging es dann damit per Pferdeschlitten nach Oberhof auf der Landstraße bis zur Unteren Schweizerhütte.“

Faule Grete überschlägt sich

Das war nicht ungefährlich, von Unglücken berichtet die Tagespresse immer wieder. Der Coburger Zeitung von 1912 ist zu entnehmen, dass sich am 23. Januar beim Ortsgruppenfest des Wintersportvereins Oberhof beim Bobsleighrennen die „Faule Grete“ überschlug. Dabei wurde Herr Jopp aus Mehlis schwer verletzt. Größere Preise hat zu dieser Zeit leider kein Bob aus Zella oder Mehlis eingefahren.

Heute ist der Verein RRC Zella-Mehlis erfolgreich mit Trainern wie Andi Langenhan (dessen Schlitten sich im Museum befindet und bei den Führungen hinter den Kulissen bestaunt werden kann) und dem Duo Hannes Orlamünder/Paul Gubitz.

*Unsere Autorin ist Mitarbeiterin der städtischen Museen in Zella-Mehlis.

Der Bob
Der Name leitet sich vom Englischen „to bob“ her, einem rhythmischen Vor- und Zurückbewegen des Oberkörpers, um den „Bobsleigh“, zu Deutsch also den Bob, zu beschleunigen.