Sportlerehrung der Stadt Suhl Der Wert schwarzer Medaillen

Die treffsichersten Flintenschützen (von links): Tim Krause, Clemens Jakob, Jan Magnus Lotz, Marius John, Moritz John, Patricia Dannler, Lara Ehlich und Jan Andres vom Förderverein Schießsportzentrum Suhl sind acht der 45 Sportler, die am Mittwoch von der Stadt Suhl geehrt wurden. Foto: frankphoto.de/Karl-Heinz Frank

„Richtig schwarz“ sei seine Bronzemedaille von 2018 mittlerweile, sagt Sascha Benecken. So viele Kinderhände haben sie berührt. Auch die Neueste reicht der Rodler bei der Sportlerehrung der Stadt Suhl gern herum. Aus gutem Grund.

 
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Der süße Traum junger Sportler steckt in einer weißen Sportsocke und wiegt exakt 555 Gramm. Die Chinesen, erzählt Sascha Benecken, hätten noch einmal 55 Gramm auf „das Pfund Gehacktes“ aus Südkorea draufgepackt. 555 Gramm wiegt die Silbermedaille, die der Suhler Benecken im Olympischen Eiskanal von Peking gewonnen hat.

Noch als die Sportlerehrung der Stadt Suhl am Mittwochabend lange vorüber ist, reicht Benecken, der als einziger Olympionike vor Ort sein konnte, das runde Stück Silber freigiebig von Hand zu Hand weiter. Anfassen ist unbedingt erlaubt. Genau darum gehe es schließlich, sagt er. Den Traum, einmal selbst eine eigene Medaille in den Händen zu halten, in die Köpfe einpflanzen.

Das hinterlässt durchaus sichtbare Spuren. Seine Bronzemedaille aus Pyeongchang sei mittlerweile schon richtig schwarz geworden. „Die hat schon mehr als die Medaillenzeremonie erlebt. Die hatten so viele Kinder in der Hand gehabt!“, sagt Sascha Benecken und scherzt, dass er fast froh ist, keine goldene abbekommen zu haben, denn die sehe von oben aus „wie ein Wurstdeckel“.

Durch wie viele Kinderhände der 555 Gramm schwere Pekinger Silberling am Mittwoch gegangen ist, ist nicht belegt. Klar ist, Spuren in den Köpfen des Nachwuchses hat das Stück Edelmetall hinterlassen.

90 Prozent reichen nicht

Jemand wie Marius John ist auf einem guten Weg, irgendwann selbst einmal eine eigene olympische Medaille umgehängt zu bekommen. Ende September 2021 flog er zwölf Stunden nach Peru, um bei seiner ersten Junioren-Weltmeisterschaft gegen die besten Trapschützen des Planeten anzutreten. Die Reise ist der Lohn für ein Leben, in dem Sport über allem steht. Fast kein Tag, an dem nicht trainiert wird. Montag Gymnastik- und Dehnübungen, Dienstag bis Donnerstag Schießtraining, am Wochenende selbstständiges Ausdauer- und Koordinationstraining. „Ich mache schon mehr als gefordert ist, denn ich will auch einmal zu den Olympischen Spielen. Und da muss man 100 Prozent geben. Da reichen nicht 90“, sagt der 17-jährige Sportschüler, der eigentlich aus der Nähe von Gotha stammt, aber am Schießsportzentrum Suhl trainiert, weil es eine der besten Anlagen in Deutschland sei.

Marius John kann sich noch gut an die ersten Besuche auf einer Schießsportanlage erinnern. Er konnte noch nicht einmal laufen. Seine Mutter trug ihn auf dem Arm, Ohrenschützer blockten die lauten Feuergeräusche ab, alle Blicke waren auf den Vater gerichtet. Steffen John – 2019 Senioren-Weltmeister geworden – hat seinen Sohn an den Sport herangeführt. Und dafür keine Kosten gescheut, wie der Filius sagt. Beispiel: 12 000 Euro habe die neue Flinte gekostet, die 2020 angeschafft wurde. Sponsoren haben einen Teil der Kosten übernommen, so Marius John. Das Engagement zahlt sich aus. Seit vorigem Jahr gehört John dem höchsten Juniorenkader in Deutschland an. Und bei der WM in Peru durfte sich der 17-Jährige seine erste WM-Medaille umhängen.

„Hat sich cool angefühlt“

Elena Steigleder hat dafür noch ein paar Jahre Zeit. Noch ist der Sport im Leben der Zehnjährigen vor allem Spaß. Klar habe sie als Abfahrerin die alpinen Wettkämpfe in Peking alle geschaut. Doch diesen Sascha Benecken, der am Mittwoch auf der Bühne neben dem Dianabrunnen steht, kannte sie vorher nicht so richtig. Interessanter war dann eben doch das, was er aus China mitgebracht hatte. „Ich durfte seine Medaille kurz halten. Das hat sich cool angefühlt“, erzählt das Mädchen vom Alpinen Skiclub (ASC) Goldlauter.

Der ASC sorgte in den vergangenen Monaten in Thüringen und darüber hinaus für Podestplatzierungen made in Suhl. Sophie Jahn und Elena Steigleder gewannen beim Landesfinale von „Jugend trainiert für Olympia“, Jahn wurde darüber hinaus Erste bei den Meisterschaften in Sachsen und Niedersachsen. Auf Elena Steigleder wartet an diesem Wochenende nun die bislang weiteste Wettkampfreise ihrer Laufbahn. Es geht nach Berchtesgaden. Und die Woche darauf, am 19. März, fällt die Entscheidung im Zwergencup. Die Chancen stehen gut. Auch hier stand Elena Steigleder bereits mehrfach ganz oben auf dem Podium.

Die Hürde Corona

Bester Thüringer seiner Altersklasse darf sich seit diesem Winter Luca Lion Gloger nennen. Bei seiner Landesmeisterschaftspremiere Ende Januar in Erfurt war der elfjährige Suhler Stammgast auf dem Treppchen. Dabei war die Vorbereitungszeit äußerst knapp. Zwei, drei Wochen Zeit blieben, um sich etwa an die hüfthohen Hürden zu gewöhnen, die es nun statt der Minihürden zu überwinden gilt. Als das geglückt war, tauchte wenige Tage vor dem Wettkampf eine noch größere Hürde auf: Corona. Erst einen Tag vor dem Wettkampf fielen die Tests wieder negativ aus. Bei der Ausdauer habe er die Infektion noch etwas gemerkt, sagt das Talent vom WSSV Suhl. Alles andere sei kein Problem gewesen.

Das Virus hat auch Schwester Lara Tabea Gloger aus dem Tritt gebracht. Ein gefühltes Jahr sei kein vernünftiges Training möglich gewesen, sagt die 17-Jährige. Da wären die Sportschüler aus Erfurt und Jena klar im Vorteil gewesen. Sie konnten weitermachen, als alle anderen in die Zwangspause mussten.

Ob der Sport in Glogers Leben je wieder eine so große Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. Im Sommer werde sie ihren Schulabschluss machen und danach ein Studium beginnen. Vielleicht, sagt sie, wird sie an der Uni dem Sport weiter die Treue halten.

Mehr Bilder des Suhler Olympia-Empfangs und der Sportlerehrung gibt’s hier.

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