Der Eigentümerwechsel war keineswegs die einzige Krise, die das Sozialkaufhaus in der jüngeren Vergangenheit durchstehen musste. Im ersten Lockdown hatte die Einrichtung wie viele andere schließen müssen – zum großen Nachteil von Kunden und Mitarbeitern, die nicht selten auch eine Person sind. Für diejenigen, die es (noch) nicht in ein Anstellungsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt geschafft haben, ist das Sozialkaufhaus nämlich meist in beiderlei Hinsicht eine wichtige Anlaufstelle. Sie finden durch ihre Arbeit eine sinnvolle Beschäftigung, soziale Kontakte und eine feste Tagesstruktur, sie bessern ihr Arbeitslosengeld II auf, kaufen aber auch selbst günstig dort ein. Als all das wegbrach, litten viele psychisch und finanziell. Per Telefon hatte Werner Müller damals versucht, Kontakt zu ihnen halten. „Bei manchen habe ich gemerkt, dass sie gehungert haben“, erinnert er sich. „Das war eine echt wirtschaftliche Notlage für sie.“
Damit sich das nicht wiederholt, hat der Geschäftsstellenleiter vor dem zweiten Lockdown ein Hygienekonzept beim Gesundheitsamt eingereicht – und erreichte tatsächlich, dass das Sozialkaufhaus auch bei hoher Inzidenz weiter öffnen konnte. Die Arbeitsgelegenheiten, die durch das Jobcenter gestützt werden, blieben erhalten. Dass während der gesamten Corona-Zeit nur drei Personen aufgrund einer Infektion mit dem Virus ausgefallen seien und dass im zweiten Lockdown die Grundversorgung aufrecht erhalten werden konnte, darüber ist Werner Müller ebenfalls „heilfroh“, wie er sagt.
Den Wirren der Corona-Pandemie ist schließlich noch eine weitere Besonderheit zu verdanken, die auch aktuell noch gilt: Nach Absprache mit der Industrie- und Handelskammer ist der Verkauf bis zum Jahresende gänzlich offen, müssen Kunden also keinen Berechtigungsschein vorlegen, wenn sie im Sozialkaufhaus einkaufen. Normalerweise ist das nicht erlaubt, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Zu einem Ansturm oder sichtbaren Missbrauch habe die Sonderregelung laut Werner Müller aber bisher nicht geführt. „Es stand trotzdem kein Rolls Royce vor der Tür“, so der Geschäftsstellenleiter.