SOS-Festival „War gut. Ist gut. Bleibt gut.“

Klaus Grimberg

Bekannte und weniger bekannte Klassiker neu entdecken: Gemeinsam mit Gaststar Falkenberg erkunden „Die Ossis“ am Sonntag in Suhl die poetische Kraft des Ostrock.

 
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„Die Ossis“ spielen ihr erstes Konzert nach dem Lockdown beim SOS-Festival unserer Zeitung. Foto: /Agentur

Für mich gibt es musikalisch keine vergleichbare Ära wie den Ostrock“, sagt Bert Eulitz. Denn nie zuvor und nie danach seien sich dichterische Kunst und bildliche Kraft der Musik so intensiv begegnet wie zwischen den Sechziger- und späten Achtzigerjahren in der DDR. Manche Songs aus jenen Tagen erinnern den Bassisten der Band „Die Ossis“ in ihrer erzählerischen Dichte an die hohe Kunst der Minnesänger aus dem Mittelalter. Gewiss keine abwegige Assoziation: Wusste doch der Minnegesang Glück und Unglück der Liebe in vielerlei Sprachbilder zu kleiden und dabei die Grenzen von Sitte und Moral auszuloten. Liedtexter in der DDR hingegen versuchten, in ihren Strophen Anspruch und Realität im real existierenden Sozialismus hintergründig zu befragen.

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Und noch etwas habe den Ostrock ausgezeichnet: „Nahezu alle Musiker in den vielen verschiedenen Bands waren studierte Leute und hatten Abschlüsse von Musikhochschulen in der Tasche“, sagt Eulitz. Dieser hohe Professionalisierungsgrad sei in vielen Kompositionen und Arrangements aus DDR-Tagen unverkennbar. Wenn man sich diese Songs genau ansehe, dann sei unübersehbar, wie exakt Note für Note gesetzt wurde und wie viele Einflüsse aus verschiedenen Musikrichtungen dabei verarbeitet wurden. Bert Eulitz Urteil ist kurz und eindeutig: „Diese Musik war gut, ist gut und bleibt gut.“

Deshalb fällt es ihm auch nicht schwer, die Stücke aus Ost-Tagen immer wieder zu spielen. „Natürlich kommen wir auf unseren Konzerten nicht darum herum, einige der Ostrock-Klassiker zu bringen“, sagt Eulitz, „aber daneben bemühen wir uns auch, weniger bekannte Stücke wieder zu entdecken und neu zu beleben“. Denn „Die Ossis“ seien eben keine Band, die die alten Songs einfach vom Blatt abspiele, sondern mit ihnen arbeite – jedes Mal ein bisschen anders. „Als Musiker begegnet man sich auf der Bühne nie gleich, viel hängt von der Tagesform, aber auch vom Publikum ab“, sagt Eulitz.

Was das betrifft, haben „Die Ossis“ an Suhl sehr gute Erinnerungen. Zum „Tag der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober letzten Jahres gastierte die Band zum letzten Mal in der Stadt und Eulitz hat die „euphorische Stimmung“ jenes Abends noch genau vor Augen und in den Ohren. Wenn die Musiker nun am Sonntag nach Südthüringen zurückkehren, ist dieser Auftritt auch in anderer Hinsicht ein besonderer – denn es ist der erste nach dem langen Corona-Winter. „Wie viele andere Künstler haben wir katastrophale eineinhalb Jahre hinter uns“, sagt Eulitz. 2020 spielte die Band ganze drei Konzerte im Herbst, nun ist der Auftritt in Suhl die Premiere für 2021. „Ganz unabhängig davon, dass damit endlich wieder ein bisschen Geld in die Kasse kommt, freuen wir uns einfach darauf, auf der Bühne stehen und unserem Beruf nachgehen zu können.“

Für viele Musiker und Künstler war die Corona-Zeit nicht mehr und nicht weniger als existenzbedrohend. Auch Bert Eulitz hat in den zurückliegenden Monaten „von der Sparbüchse“ gelebt und sich als Musiklehrer mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Im Freundes- und Kollegenkreis kennt er etliche, denen es genauso ergangen ist oder die sogar ihre Musikerkarriere ganz an den Nagel gehängt haben und in andere Beschäftigungen mit regelmäßigem Gehalt gewechselt sind. Für Eulitz kam das nicht in Frage. Umso wichtiger ist ihm der Neustart mit der Band am Sonntag auf dem Platz der Deutschen Einheit in Suhl.

Beim Programm „Ostrock Klassik Deluxe“ sind diesmal nicht nur Streicher des „Berlin String Ensemble“ mit dabei, sondern als besonderer Gast auch der Sänger Falkenberg. Kennern der Ost-Musikszene ist er noch als „IC Falkenberg“ ein Begriff, der Mitte der Achtzigerjahre als die Antwort des Ostens auf die in der Bundesrepublik extrem erfolgreiche „Neue Deutsche Welle“ galt. Mit schrillen Outfits, toupierten Frisuren und elektronischem Synthie-Pop eroberte er seinerzeit die Herzen vieler Teenies zwischen Ostsee und Erzgebirge. Längst hat sich Falkenberg jedoch vom Image jener Jahre gelöst und sich als rockiger Gitarrist und Sänger einen Namen gemacht. Bei den „Ossis“ ist er oft und gerne zu Gast und verleiht der Band mit seiner Stimme noch einmal einen anderen Sound. Die Fans in Suhl dürfen gespannt sein, welchen Zugang Falkenberg zu den bekannten und weniger bekannten Ost-Songs eröffnen wird.

Seit 17 Jahren ist Bert Eulitz nun schon mit den „Ossis“ in der Republik unterwegs. In ihren diversen Programmen hat die Band manch einen fast vergessenen Song wieder aus der Versenkung geholt. Aber natürlich auch die Klassiker am Leben erhalten. Ist es dabei nie langweilig geworden, immer wieder dieselben Stücke zu spielen? „Überhaupt nicht“, sagt Eulitz ohne eine Sekunde zu zögern, „schließlich machen wir das, was auch die Stones und andere Bands machen: Wir dudeln diese Songs nicht einfach runter, sondern versuchen, sie immer neu zu interpretieren.“

„Die Ossis“ und ihr Stargast Falkenberg treten mit dem Programm „Ostrock Klassik Deluxe“ am Sonntag, 4. Juli, um 20 Uhr, beim Festival „Sommer in Südthüringen“ in Suhl auf.