SOS-Festival „Music of ELO“ - Hit-Gewitter ist im Anmarsch

Ausnahme-Stimme, Ausnahme-Musiker: Wenn Phil Bates und seine Band die Songs des Electric Light Orchestras (ELO) spielen, dann hält es kaum noch jemanden auf den Stühlen – nicht im Probenraum und sicher erst recht nicht beim Konzert in Suhl, dem ersten der Band seit langer Zeit. Foto: /Volker Kring

Phil Bates und Band haben für ihr „Music of ELO“-Konzert beim SOS-Festival in Suhl geprobt. Eins ist danach sicher: Da kommt ein heißes Hit-Gewitter auf das Publikum zu.

 
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Berlin/Suhl - Hier, wo der etwas beschaulichere Berliner Stadtteil Britz an das quirlige multikulturelle Neukölln stößt, wo der Britzer Damm, der die Autokolonnen Richtung Innenstadt saugt, ansetzt zu seinem unspektakulären Sprung über den Teltowkanal, der an diesem heißen Julitag den Häusern ringsum wenigstens ein wenig Kühlung verspricht, hier hat die Musikbäckerei ihr Zuhause. In einem zu seiner Entstehungszeit futuristischen Industriebau , in dem früher gebacken wurde und heute musiziert wird. Hier treffen sich am Dienstag Phil Bates und seine Musikerkollegen, um für ihr Konzert beim SOS-Festival am Donnerstag in Suhl zu proben.

Eine ganz normale Bandprobe ist das nicht, das spürt jeder, der in den bis zum letzten Quadratzentimeter mit Instrumenten, Lautsprecherboxen und Equipment vollgestellten wohnzimmergroßen Probenraum tritt. Die Musiker sind aufgekratzt und aufgeregt wie Fünfjährige vor einem Kindergeburtstag. Aufwendig werden die Instrumente an die Technik gestöpselt und wieder und wieder gestimmt, um die innere Anspannung zu kaschieren. Es werden Witzchen gerissen, Anekdoten aus den vergangenen Monaten erzählt. Es ist die erste Bandprobe seit beinahe anderthalb Jahren.

Im März 2020 hatte die Corona-Pandemie die Musiker mitten in einer Tournee voll erwischt. Von einem Tag auf den anderen waren Hallenkonzerte untersagt. Die Republik ging in den Lockdown. Seither hat die sechsköpfige Band nicht mehr miteinander musiziert. „Mal sehen, was die Stimme nach dieser Zeit so macht“, sagt Bassist und Sänger Ralf Vornberger. „Aber nach etwa 320 gespielten Konzerten ist das vielleicht schon in die Gene übergegangen.“ Auch Violinistin Susanne Filip ist optimistisch, dass sich nach den ersten gespielten Takten alles weitere von selbst ergibt.

Geprobt wird an diesem Dienstag zu sechst. So viele Mitglieder hat die eigentliche Kernband. Am Donnerstag in Suhl kommt noch das Berlin String Ensemble dazu. Das sind vier Streicher , die in großen Berliner Orchestern ihre Heimat haben. „Wir haben da drei Line-ups, um Terminproblemen aus dem Weg zu gehen“, sagt Manager Andre Wegner.

Eigentlich müsste die korrekte Ankündigung für das Konzert in Suhl also „Phil Bates und Band und das Berlin String Ensemble spielen die Musik des Electric Light Orchestra“ heißen. Weil das aber zu sperrig ist, fällt die Band kurzerhand unter den Tisch. Überhaupt ist Phil Bates die direkte Verbindung der Band zum Electric Light Orchestra. Denn wer vermutet, dass hier am Donnerstagabend eine reine ELO-Coverband auf die Bühne tritt, der irrt.

Als 1970 in der heutigen Musikbäckerei in Britz noch Brötchen gebacken und keine CDs gebrannt wurden, als sich Jeff Lynne, Bev Bevan und Roy Wood entschlossen, mit einer neuen Band musikalisch dort weitermachen zu wollen, wo die Beatles mit „I am the Walrus“ aufgehört hatten, und das Electric Light Orchestra gründeten, da ging Phil Bates – gerade 17 Jahre alt – nach Birmingham, um Berufsmusiker zu werden. Er schloss sich verschiedenen Bands an, gründete welche und begleitete schließlich mit seiner Band Trickster ELO auf deren legendärer Spaceship-Welttournee 1978. Die Kontakte zu ELO waren geknüpft. Besonders zum damaligen Bassisten Kelly Groucutt. Was in der Folgezeit mit ELO geschah, füllt Archive. Es gab Streit und Prozesse. Es ging um Rechte an Titeln und Namen, um Anerkennung und natürlich um Geld. „Darüber ist viel gesagt und noch mehr geschrieben worden“, sagt Phil Bates. „Nichts davon ist die wirkliche Wahrheit.“ Damit will er es bewenden lassen. Ihm geht es viel mehr um die Musik. Die will er im Bewusstsein halten, weil sie dem Publikum Spaß bereitet.

Als schließlich Mastermind Jeff Lynne ELO trocken legt und Bev Bevan, Kelly Groucutt und andere ELO-Mitstreiter die Band 1991 als „ELO Part II“ weiterführen, ist es Letztgenannter, der Phil Bates einlädt, bei dem Projekt mitzumachen. „Ich kannte ja durch die Spaceship-Tour alle Titel, hatte sie tausendmal gehört“, erzählt Bates. Er wird 1993 Leadgitarrist, Sänger und Songwriter der Band, denn neben den Klassikern entstehen auch neue Titel. Bates prägt den Sound entscheidend mit.

1999 veräußert Bev Bevan seinen Anteil an den ELO-Namensrechten. Auch Phil Bates steigt aus persönlichen Gründen aus der Band aus. Er erfüllt sich einen lang gehegten Traum und studiert Geschichte. Die übrigen Bandmitglieder touren bis heute unter dem Namen The Orchestra vor allem durch Amerika.

Doch auch Phil Bates bleibt der Musik treu. Es gibt diverse Projekte in Verbindung mit den Songs von ELO. Eines auch ab 2003 in Deutschland: Die Electric Light Band. Aus dieser gehen dann 2011 Phil Bates und Band in der Besetzung hervor, wie sie an diesem Dienstag in der Musikbäckerei probt.

„One, two, three ...“ Das erste angespannte Einzählen von Schlagzeuger Chris Evans nach Monaten. Der Titel „All Over the World“ erfüllt den Probenraum. Fulminant, straight, ohne Hänger. Nur Keyboarder Eric Herold muss danach kurz noch mal die rechte Hand lockern. Dann geht es weiter mit „Evil Woman“. Als der letzte Ton verhallt, lacht Joana Bates, die Ehefrau von Phil, am Keyboard befreit auf. Es ist ein Lachen, das den Stress der vergangenen Tage abfallen lässt. Sie und ihr Mann konnten Großbritannien wegen der Pandemie-Reglungen nur über Frankreich verlassen. Dort mussten sie trotz doppelter Impfung zwei Wochen in Quarantäne – um schließlich für die Probe und das Konzert in Suhl nach Deutschland einreisen zu dürfen, um mit ihrer Musik dem Publikum endlich wieder Spaß bereiten zu können.

Spätestens als die Band „Calling America“ anstimmt, sind auch die Füße von Tonmeister Roger Hoenicke nicht mehr zu halten und wippen hinterm Mischpult im Takt mit. Auch Spätgeborene wie den jungen Mann, der vielleicht in den Dreißigern ist, reißt der Sound mit.

Die Playlist der Probe macht bewusst, wie viele grandiose Hits ELO in den 70er und 80er Jahren landen konnten. „Confusion“, „Last Train to London“, „Mr. Blue Sky“, „Hold On Tight“, „Don’t Bring Me Down“ – um nur einige zu nennen. Da wimmelt es nur so von Ohrwürmern und Refrains, die beinahe jeder mitsingen kann. Und mittanzen sowieso. Aber während der Probe geht das leider nicht.

Draußen, vor der Musikbäckerei, scheint unterdessen das Wasser im Teltow-Kanal zu kochen. Das könnte an den 32 Grad Celsius im Schatten liegen, die über der Stadt brüten. Doch wahrscheinlich liegt es an der Musik von ELO, die Phil Bates und Band drinnen spielen. Suhl – mach dich am Donnerstagabend auf eine heiße Party gefasst!

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„Phil Bates & The Berlin String Ensemble Perform the Music of Electric Light Orchestra“ am Donnerstag um 20 Uhr auf dem Platz der Deutschen Einheit in Suhl. Karten: www.sos-festival.de und an der Abendkasse.

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