Sorgen bei Rhöner Bauern und Jägern Wolf als Gefahr für Schafe und Hutungen

Das, zeigt Agrarhöfe-Geschäftsführer Harald Bräutigam, ist ein Foto aus einem Imagekalender des Landes – darauf zu sehen eine Kaltensundheimer Rhönschaf-Herde. Wenn es weiter Weidetierhaltung geben soll, muss das Land mehr in puncto Wolf tun, sagt er. Foto: Iris Friedrich

Immer wieder Risse an Nutztieren – beim Thema Wolf ist in der Rhön längst der Zeitpunkt gekommen, wo etwas unternommen werden muss. Das fordern Bauern und Jäger. Dazu zählt auch, dass auffällige Tiere entfernt werden. Der Weidetierhaltung in der Rhön und der Landschaft drohe sonst Schaden.

 
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Milchkühe im Stall, Pflanzenbau, Schafhaltung – die Landschaftspflege Agrarhöfe Kaltensundheim GmbH und Co. KG sind ein klassischer Landwirtschaftsbetrieb in hiesigen Breiten. Mit dem Nachteil, dass er schlechte Böden bewirtschaftet und auch für die Milch erst seit einiger Zeit wenigstens etwas mehr Geld bekommt. Für 40 Mitarbeiter ist der Betrieb ein guter regionaler Arbeitgeber. 1000 Hektar Ackerland und 1600 Hektar Grünland bewirtschaftet er, stellt Geschäftsführer Harald Bräutigam dem Landtagsabgeordneten und Rhönforum-Chef Martin Henkel (CDU) am Montag die Firma vor. Und ein Teil des Grünlandes ist eben typische Hutungsfläche – diese beweiden knapp 1000 Schafe. Um diese fürchten die Bauern angesichts der sich in der Region häufenden Wolfsangriffe. Auch die Agrarhöfe waren jüngst mit ihrer Schafherde betroffen (wir berichteten).

Für das getötete und halb gefressene Muttertier werden sie wohl 150 Euro, den reinen Fleischpreis, als Entschädigung vom Land bekommen, dessen Kompetenzzentrum den Riss der Zellaer Wölfin zuordnen konnte. „Die Rechnung von der Tierkörperbeseitigungsgesellschaft, an die wir das tote Tier gegeben haben, müssen wir aber selbst zahlen“, sagt Reinhard Otto, der in der Geschäftsführung für die Tierhaltung zuständig ist. „Und für 150 Euro kriege ich kein neues Muttertier.“ Auch die Mehrarbeit, die man mit dem seit drei Jahren eingesetzten Schafschutzzaun (der wurde im aktuellen Fall übrigens von außen umgedrückt) hat, werde nicht vergütet. Ganz zu schweigen von der Motivation des Schäfers, der angesichts des Wolfsrisses „am ganzen Leib gezittert hat“, wie Harald Bräutigam beschrieb.

Zu diesem eigenen Erleben kommen noch die weiteren Wolfsrisse, von denen die Bauern aus der näheren Region hören – ob Diedorf, Kaltennordheim, Oberalba, jüngst erst Oechsen. Und auch die Vermutung, bei einem toten Kälbchen in Kaltenwestheim könnte es der Wolf gewesen sein, bleibt bestehen. „Es vergeht ja keine Woche, in der wir nichts von den Spuren des Wolfes sehen“, fasst Harald Bräutigam zusammen.

Was also tun, um die Weidetierhaltung in der Rhön als unersetzbaren Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft zu erhalten? Landtagsabgeordneter Martin Henkel hatte sich darüber zum Gespräch in den Agrarhöfen eingefunden, ebenso wie Marco Hartmann vom Thüringer Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbezirks-Inhaber. Letzterer vertritt rund 300 000 Mitglieder und arbeitet mit dem Bauernverband, dem Schaf- und dem Ziegenzüchterverband zusammen. Insbesondere, wenn ein Wolf wie im Oechsener Beispiel Nutztiere in einer geschlossenen Ortschaft reißt, dann sollte man handeln, meint Martin Henkel. Vergangene Woche hatte er bereits den Abschuss von solchen verhaltensauffälligen Tieren gefordert. Dass diese „entnommen“ werden sollten, diese Meinung teilt auch Harald Bräutigam, übrigens selbst Jäger. Im grünen Thüringer Umweltministerium betrachte man aber alles, was den Wolf betrifft, als „in Ordnung“, so Henkels Erfahrungen bei Nachfragen, die es im Landtag immer mal wieder gebe. „Doch die Realität sieht eben anders aus.“ Er wirbt für eine nüchterne Betrachtung des Wolfes, nennt diesen jedoch auch klar eine Gefahr für die Weidetierhaltung in der Region.

Besser: Einzelentnahme als Jagdrecht

Also: Aufnahme ins Jagdrecht, der Wolf sollte generell geschossen werden können? Marco Hartmann warnt genau vor diesem Denken, es greife zu kurz: Wird der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen, entsteht dadurch sogar eine Hege-Verpflichtung für ihn, sagt er, und zudem bürde man den Jägern den Schadensersatz für vom Wolf gerissene Tiere auf. „Da würde sich das Land Thüringen schön aus der Verantwortung schleichen.“ Hartmann plädiert eher dafür, die Einzelentnahme von Wölfen – in Deutschland gibt es mittlerweile um die 1500, in Thüringen ist laut Henkel die Zahl nicht bekannt – zu vereinfachen. Allerdings sei genau zu klären, wer und wann ein verhaltensauffälliges Tier entnehmen darf und was mit diesem passieren müsse. „Trophäenjagd darf es da nicht geben“, sagt Hartmann. In Italien etwa sei es gut geregelt – sobald ein Wolf in einem „roten Korridor“ auftauche, dürfe er geschossen und dem Ranger übergeben werden.

Auch Martin Henkel meint, dass man schon genau regeln sollte, wer und wann einen Wolf schießen darf – „in den Behördenmühlen feststecken darf das nämlich nicht.“ Er erinnert sich da wohl an ein Beispiel als Bürgermeister von Geisa, bei dem es zwar nicht um einen Wolf, sondern um entlaufene Kamerunschafe ging – bis eine Lösung gefunden war, war das Jahr fast rum... Schwierig sei es auch zu definieren, ab wann ein Wolf als „auffällig“ gilt. Aber man sollte Kriterien dafür finden, denn es muss etwas geschehen, war sich die Runde einig. Ansonsten geht der (Wieder-)Einzug des Wolfes in der Rhön zu Lasten der Bauern, der Arbeitgeber Agrarbetriebe und nicht zuletzt auf Kosten der unbedingt nötigen Landschaftspflege. „Wir brauchen die Schafe in der Rhön, sonst haben wir bald keine offenen Flächen und Orchideen mehr“, hieß es. Und: Auch das Rhönschaf sei eine geschützte Rasse, die man nicht einfach zum Fraß freigeben dürfe.

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