150 Verstöße
Das sind keine Einzelfälle, wie eine Nachfrage unserer Zeitung bei der Thüringer Polizeidirektion ergab. Demnach wurden allein seit vorigem Freitag "über 150 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten polizeilich registriert und aufgenommen". Aus der Bevölkerung gingen "vermehrt Hinweise zu sogenannten Corona-Verstößen ein - dies sind beispielsweise unerlaubte Geschäftsöffnungen oder Personengruppen, die sich im Freien aufhalten". Solche Verstöße würden auch im Zusammenhang mit anderen Anzeigen erfasst, etwa Körperverletzung, Bedrohung, Hausfriedensbruch oder Ladendiebstahl. "Dies kann beispielsweise zutreffen, wenn an einer Bedrohung im Park mehr als zwei Personen beteiligt sind und sie sich dabei auf engstem Raum befinden", warnt die Landespolizeidirektion.
Gerade zu Beginn der Krise schienen einige die Zwangspause für eine Art Zusatzurlaub zu halten - die Frühlingssonne lieferte den passenden Rahmen. "Bei dem herrlichen Wetter hatten einige vergessen, wo-rum es bei dem Ganzen geht", sagt Ilmkreis-Landrätin Petra Enders. Der Ort Neustadt am Rennsteig war gerade unter Quarantäne gestellt worden. Einige nutzten Schleichwege, um dem zu entgehen. Zudem mussten im Ilmkreis Veranstaltungen aufgelöst und eine Gaststätte geschlossen werden.
Landrätin Enders kündigte deshalb ein hartes Durchgreifen an: "Dieses Verhalten ist absolut unverantwortlich. Es gefährdet die Schwächsten in unserer Gesellschaft und macht den Weg frei für eine weitere Verbreitung des Coronavirus. Wer gegen die Allgemeinverfügungen verstößt, begeht Straftaten und das werden wir ahnden." Mittlerweile habe sich die Situation sehr verbessert, sagt Enders. "Es gibt zwar immer den einen oder anderen, der aus der Reihe tanzt. Die Bürger halten sich aber weitestgehend an die Verordnung."
"Verstöße aus dem Bereich der von Öffnungsverboten betroffenen oder nur unter Auflagen öffnenden Betriebe gehen zurück", heißt es auch aus dem Wartburgkreis. Verstöße gegen das Kontaktverbot überwiegen demnach inzwischen. Aus dem Landkreis Sonneberg werden vereinzelt kleinere Verstöße gemeldet. "Beispielhaft seien einige private Feiern sowie ein Spielhallenbetrieb in einer Tankstelle genannt", so das Landratsamt. Aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen hieß es, Verstöße beträfen geöffnete Läden, Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen sowie Quarantäne-Auflagen. Es liefen "sehr intensive Kontrollen".
Dass die Ordnungsämter der Kreise, Städte und Gemeinden durchgreifen sollen, steht in der Thüringer Corona-Verordnung. Gesetzliche Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz, das bei Verstößen Bußgelder und sogar erhebliche Haftstrafen vorsieht. Die Behörden, so die Vorgabe in Thüringen, "sind gehalten, die Regelungen dieser Verordnung energisch, konsequent und falls nötig mit Zwangsmitteln durchzusetzen". Dabei würden sie von der Polizei unterstützt.
Hohes Bußgeld
Die Zwangsmittel sind kein Kinderkram. So muss ein unverbesserlicher Gaststättenbetreiber im Ilmkreis nun mit einem Bußgeld in vierstelliger Höhe rechnen, sagt Landrätin Enders. Das entsprechende Verfahren laufe. Der Betreiber hat, wie das Verkehrsteilnehmer bei einem Verstoß kennen, die Möglichkeit zur Stellungnahme. Gegen einen Bußgeldbescheid kann er gerichtlich vorgehen.
Die Südthüringer Landkreise berichten, dass bei ihnen schon etliche Verwarnungen mit Verwarngeld bis zu 55 Euro ausgesprochen wurden. Bußgelder liegen darüber. "Zu den Bußgeldbescheiden laufen die ersten Anhörungen", so der Landkreis Schmalkalden-Meiningen, zudem gebe es Strafanzeigen bei Polizei oder Staatsanwaltschaft. "Erste Verfahren laufen bereits", meldet auch der Wartburgkreis. Aus Sonneberg hieß es: "Zwischenzeitlich wurden bereits Bußgeldverfahren eingeleitet. Straftaten kamen jedoch noch nicht zur Anzeige."
Nicht alle Hinweise aus der Bevölkerung könnten dem Gemeinwohl dienen, bei manchen steckt womöglich Anschwärzen dahinter. Deshalb betont das Landratsamt im Wartburgkreis: "Die falsche Beschuldigung eines anderen ist nicht zulässig und wird geahndet. Grundsätzlich ist es wünschenswert, dass die Bürgerinnen und Bürger zunächst einander auf etwaiges Fehlverhalten aufmerksam machen, bevor sie Meldung erstatten."
Versäumnis des Landes
Einig sind sich die Landkreise bei einem Versäumnis der Landesregierung. Einen eigens für Corona-Verstöße geltenden Bußgeldkatalog, wie ihn andere Bundesländer haben, gibt es in Thüringen bisher nicht. "Eine einheitliche Regelung nach bayerischem Vorbild stellt eine gute Orientierung dar", meint etwa Sonneberg. "Ja. Auf jeden Fall!", antwortet auch der Wartburgkreis auf die Frage, ob es einen thüringenweit einheitlichen Bußgeldkatalog geben sollte. Ilmkreis-Landrätin Enders sagt: "Der Mensch will klare Ansagen, damit er sich daran orientieren und halten kann."
Den Bußgeldkatalog soll es nun auch geben. Eine Sprecherin des Thüringer Innenministeriums sagte auf Nachfrage, er sei "in Arbeit". Bis wann er vorliegt, ließ sie jedoch offen: "Das werden wir rechtzeitig kommunizieren."