„So einen Einsatz hatten wir noch nicht“ Feuerwehr rettet Reh aus dem Stausee Heyda

Auf dem schmelzenden Eis des Stausees Heyda war am Sonntagnachmittag ein Reh eingebrochen. Es drohte zu ertrinken – wurde aber von den Feuerwehrleuten aus Heyda und Ilmenau gerettet.

 
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Ilmenau - Auf dem teilweise noch zugefrorenen Stausee Heyda kam es am Sonntagnachmittag zu einer spektakulären Rettungsaktion: Ein Reh war beim Überqueren der Eisfläche eingebrochen und kam offenbar nicht mehr aus eigener Kraft aufs Eis zurück – und ans Ufer somit auch nicht. Weil das Tier zu ertrinken drohte, rief einer der zahlreichen Spaziergänger die Rettungsleitstelle an. Daraufhin rückte die Feuerwehr zu einer bisher einzigartigen Rettungsaktion aus.

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„Wir sind zuerst zur Staumauer gefahren, weil die Ortsangabe des Passanten etwas unpräzise war“, sagt Wehrführer Jörg Fleischhack von der Feuerwache Heyda. Im Schlepptau des TSFW-Feuerwehrautos war auch der Trailer-Anhänger mit dem Rettungsboot, welches die Heydaer Feuerwehrleute eigens für Wassereinsätze auf dem Stausee haben.

Rettungsboot als Eisbrecher

Dort stellten sie aber fest, dass das Reh in einem Seitenarm der Talsperre nahe der Ortsgemarkung Heyda steckte. So fuhren sie zurück in den Ort, kamen aber zunächst in der Nähe vom Gasthaus „Anker“ nicht weiter, weil dort ein Auto die Zufahrt blockierte. So fuhren sie über eine nahe gelegene Wiese in Richtung Stausee-Ufer. Allerdings fuhr sich das schwere Feuerwehrauto in dem nassen, morastigen Untergrund bald fest und kam nicht weiter – trotz Allradantrieb. „Wir haben dann das Rettungsboot auf dem Trailer bis zum Ufer geschoben. Das Reh war aber etwa 50 Meter vom Ufer entfernt“, berichtet Jörg Fleischhack weiter. So schoben die Feuerwehrleute ihr Boot zunächst aufs Eis und schlugen eine kleine Schneise. Dann starteten sie den Motor und arbeiteten sich stückchenweise durch das dünn gewordene Eis voran, bis sie das Reh erreicht hatten. Das war völlig erschöpft und offenbar froh, dass es zunächst ins Rettungsboot der Feuerwehr gehievt wurde.

„So einen Einsatz hatten wir noch nicht“, erinnert sich Jörg Fleischhack. Er berichtet, dass die Heydaer Feuerwehr auf dem Stausee schon Schwäne befreit hat, die sich in Angelschnüren verfangen hatten. Oder von Einsätzen, bei denen sie Mitarbeiter des Rettungsdienstes übers Wasser zur entlegenen Uferseite übergesetzt hatten, wenn mal ein Wanderer gestürzt war und sich dabei verletzt hatte. Aber an eine so Tierrettung auf dünnem Eis kann er sich nicht erinnern.

In die Freiheit entlassen

Mittlerweile war auch einer der zuständigen Jagdpächter vor Ort, den die Feuerwehrleute angerufen hatten: Kurt Retzlaff aus Heyda war mit seinem Geländewagen ans Stausee-Ufer gekommen. „Ich hatte mich zunächst über den Menschenauflauf gewundert und mich gefragt, warum so viel Feuerwehr vor Ort ist“, meint er. Dann begann seine Hilfsaktion für das Reh: Zunächst in eine Rettungsdecke der Feuerwehr gehüllt, steckte er das Tier in einen sogenannten Wildsack und legte es zum Aufwärmen in sein Auto – bei laufendem Motor. Das Tier sei total unterkühlt und ebenso gestresst gewesen. Und trächtig war die Ricke noch dazu – vermutlich in Erwartung von zwei Jungtieren. Sicherheitshalber habe er die Beine fixiert, damit das Reh nicht ausschlägt – „da saß es dann im Auto wie ein Osterhase“, meint er im Nachhinein schmunzelnd.

Nachdem sich der tierische Gast in seinem Fahrzeug etwas aufgewärmt hatte, fuhr Kurt Retzlaff das Reh in ein Waldstück zwischen Heyda und Unterpörlitz, oberhalb des Wasserwerks, um es dort wieder frei zu lassen. Diese Aktion hat einer seiner drei Helfer sogar in einem kurzen Handy-Video dokumentiert. Man sieht, wie das Reh von den Bandagen befreit wird, sich kurz danach aufrappelt und im Wald verschwindet. Am nächsten Tag (Montag) habe er sicherheitshalber nachgeschaut, ob das Reh noch vor Ort war – aber es blieb, wie geplant, im Wald verschwunden. „Es hat sich sicher wieder erholt, so hat alles ein gutes Ende genommen“, sagt Kurt Retzlaff. Und er berichtet weiter, dass er in diesem Winter bereits ein anderes Reh befreit habe: Das hatte sich im Freigelände der Ziolkowskischule im Ilmenauer Wohngebiet Pörlitzer Höhe verfangen. Anders – obwohl ähnlich – war da natürlich die Situation für das Reh aus dem Eis. „Am Stausee wollten wir es nicht wieder aussetzen“, sagt Retzlaff. Er vermutet, dass das trächtige Tier auch deshalb verstört übers brüchige Eis gelaufen sein könnte, weil dort am Sonntag so viele Leute unterwegs gewesen seien – zum Teil auch mit Hunden.

Kritik an Menschenmassen

Das ist, nebenher gesagt, ein Kritikpunkt seitens der Ilmenauer Feuerwehr. Wehrführer Andreas Meißler von der Ilmenauer Wache, die auch alarmiert wurden, berichtet später von zugeparkten Feuerwehrzufahrten wegen des großen Besucherzustroms. Und als die Feuerwehr aus der Ortslage Heyda heraus in Richtung Ufer gekommen sei, hätte die Zahl der „Wochenendausflügler“ zugenommen, von denen einige Bemerkungen machten, die seine Wehrkameraden zum Teil als Beleidigung empfunden hätten. Das sei in die Richtung gegangen: „Beeilt Euch mal ein bisschen“, als das Boot zum Wasser gebracht wurde. „So etwas geht aber nun mal nicht in zehn Sekunden“, sagt Meißler mit etwas Verärgerung. Derzeit seien wegen Corona ja kaum Feuerwehrübungen möglich, gewissermaßen gäbe es somit nur Ernstfälle ohne Generalprobe. „Viele Leute haben aber nur herumgestanden, kaum Platz gemacht und kluge Ratschläge gegeben, das muss man nicht haben“, sagte Meißler, dessen Leute mit drei Fahrzeugen angerückt waren. Schließlich musste ja das Fahrzeug der Heydaer Kameraden später noch mit einer Seilwinde aus dem Morast befreit werden. Und er schiebt die Aufforderung hinterher: „Wenn die Leute denken, sie können alles besser, dann können sie gerne einen Aufnahmeantrag stellen und in die Feuerwehr eintreten. Und wenn sie dann ausgebildet sind, dann können sie zeigen, ob sie wirklich alles besser können.“

Etwas entspannter sieht man das bei den Heydaer Kameraden: „Der Einsatz war für uns zumindest ein gutes Training“, meint Jörg Fleischhack. „Es hätte ja auch ein Mensch eingebrochen sein können. Man sieht ja derzeit zum Teil sogar noch Fußspuren auf dem Eis, das immer dünner wird“, sagt er; und meint, aus diesem Grund sei der Einsatz, aus Übungszwecken gesehen, gar nicht so schlecht gewesen. Etwa eine Stunde habe es vom Ausrücken gedauert, bis das Reh in Sicherheit war, und nach zwei Stunden waren die Kameraden wieder im Gerätehaus. Inklusive der Befreiung ihres Feuerwehrautos aus dem Morast durch die Ilmenauer Kameraden.