„Signalgate-Affäre“ Kriegserklärung per Chat-App auf dem Sofa

Michael Maier/AFP , aktualisiert am 25.03.2025 - 17:15 Uhr

Die Regierung von US-Präsident Trump hat versehentlich einen streng geheimen Einsatzplan für die Angriffe auf die Huthi-Miliz im Jemen an einen Journalisten übermittelt. Dies bestätigte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA.

 
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Zerstörungen im Jemen. Foto: AFP/MOHAMMED HUWAIS

Der Regierung von US-Präsident Donald Trump ist eine schwerwiegende Sicherheitspanne in ihren Militärplanungen unterlaufen: Der streng geheime Einsatzplan für die Angriffe auf die jemenitische Huthi-Miliz am 15. März wurde vorab versehentlich an einen Journalisten verschickt. Das passierte nicht in der Kommando-Zentrale im Pentagon, sondern in einer Art Chat-Gruppe, wie sie zum Beispiel von Kita-Eltern oder Freundeskreisen bequem auf dem Sofa verwendet werden.

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Das Weiße Haus bestätigte am Montag die Angaben des „Atlantic“-Chefredakteurs Jeffrey Goldberg, der den detaillierten Angriffsplan in einer Chat-Gruppe zugesandt bekommen hatte. Vertreter der oppositionellen Demokraten äußerten sich schockiert.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, Brian Hughes, erklärte, die Regierung untersuche derzeit, wie „eine ungewollte Nummer“ der Chat-Gruppe hinzugefügt worden sei. Präsident Donald Trump sagte auf die Fragen von Reportern im Weißen Haus zu dem Sicherheitsleck lediglich: „Ich weiß nichts davon.“

Trump und Verteidigungsminister Hegseth glauben, dass sie alles richtig gemacht haben – Juristen schäumen. Foto: AFP/ANNABELLE GORDON

„The Atlantic“ bekommt Angriffsplan von Hegseth

Es dürfte sich um eine der gravierendsten Sicherheitspannen in der jüngsten US-Militärgeschichte handeln. Goldbergs Artikel im Magazin „The Atlantic“ über den Vorfall trug den Titel: „Die Trump-Regierung hat mir versehentlich ihre Kriegspläne getextet.“ Die oppositionellen Demokraten reagierten empört und warfen den an der Chat-Gruppe beteiligten Regierungsmitarbeitern schwere Gesetzesverstöße vor.

„The Atlantic“-Chefredakteur Goldberg hatte nach eigenen Angaben den Plan für die Angriffe auf die Huthi-Miliz zwei Stunden vor Beginn der Bombardierungen am 15. März von Verteidigungsminister Pete Hegseth innerhalb der Chat-Gruppe im Onlinedienst Signal erhalten. Der Plan habe „präzise Informationen“ über die Waffen, Ziele und Uhrzeiten der Angriffe enthalten. Goldberg veröffentlichte jedoch lediglich weniger sensible Teile des Chats, um nicht nachträglich noch die Sicherheitsinteressen der USA zu gefährden.


„Dann begannen die Bomben zu fallen“

Im Übrigen hatte der „Atlantic“-Chefredakteur zu diesem Zeitpunkt Zweifel an der Echtheit des Plans wie überhaupt der Chat-Gruppe. „Ich dachte nicht, dass es real sein könnte. Dann begannen die Bomben zu fallen“, schrieb er.  

Goldberg hatte die Einladung zur Teilnahme an der Signal-Gruppe laut seinen Schilderungen am 11. März vom Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz erhalten. Der Gruppe gehörten demnach dann 18 Mitglieder an, darunter Außenminister Marco Rubio, der Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, und Vizepräsident JD Vance.

Aufgebrachte Jemeniten nach dem US-Militärangriff. Foto: AP/dpa

Kriegserklärung per Signal oder WhatsApp

Die Signal-App funktioniert im Prinzip wie WhatsApp, bietet jedoch mehr Vertraulichkeit durch Verschlüsselung – immer vorausgesetzt, dass keine Journalisten in den Chat eingeladen werden.

Goldberg resümierte: „Ich habe nie eine Lücke wie diese gesehen.“ Zwar sei es nicht völlig unüblich, dass Mitarbeiter der US-Sicherheitsbehörden über Signal miteinander kommunizierten. Doch werde die App hauptsächlich für die Planung von Treffen und andere logistische Angelegenheiten genutzt - und nicht für „detaillierte und hochvertrauliche Diskussionen über eine bevorstehende Militäraktion“.

Bekannte Chat-Apps

  • Signal - Fokus auf Datenschutz und Verschlüsselung
  • WhatsApp - Weit verbreitet, gehört zu Meta/Facebook
  • Telegram - Bekannt für Gruppen und Kanäle
  • Threema - Schweizerische App mit hohem Datenschutzstandard
  • Discord - Beliebt in Gaming-Communities
  • WeChat - Vorherrschend in China
  • Line - Sehr populär in Japan und Südostasien
  • Viber - Verbreitet in Osteuropa
  • Facebook Messenger - Direkt mit Facebook verknüpft
  • iMessage - Nur für Apple-Geräte

Trump-Berater Mike Waltz

Trumps Sprecherin Karoline Leavitt erklärte später, Trump habe „weiterhin größtes Vertrauen in sein nationales Sicherheitsteam, einschließlich des Nationalen Sicherheitsberaters Mike Waltz“. Laut US-Juristen war die haarsträubende Kriegsplanung per Signal-App jedoch illegal.

Sie verstoße gegen etliche Gesetze zur Datensicherheit und sei potenziell strafbar, heißt es. Ähnlich also – oder noch wesentlich schlimmer – als die Lagerung von sensiblen Atomunterlagen in einer privaten Garage wie beim senilen Ex-Präsidenten Joe Biden oder auch bei Trump selbst in der vergangenen Legislaturperiode.

53 Menschen wurden getötet, 100 verletzt. Foto: AFP

Geheimhaltungsverstoß durch „Amateure“

Aufseiten der US-Demokraten rief der Vorfall Empörung hervor. Der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, sprach am Montag in der Kongresskammer von einem „der krassesten Verstöße gegen die militärische Geheimhaltung“, von denen er seit langer Zeit gelesen habe. Nun sei eine „umfassende Untersuchung“ nötig, um herauszufinden, wie es zu diesem „Debakel“ habe kommen können.

Der Senator der Demokraten, Chris Coons, schrieb im Onlinedienst X, jeder einzelne der Regierungsmitarbeiter in der Chat-Gruppe „hat nun eine Straftat begangen“. Seine demokratische Senatskollegin Elizabeth Warren nannte den Vorfall „in eklatanter Weise illegal und unglaublich gefährlich“. Sie schrieb auf X: „Unsere nationale Sicherheit befindet sich in den Händen kompletter Amateure.“

Trump nicht im Signal-Chat

Aus dem Austausch in der Chat-Gruppe wurde übrigens laut Goldbergs Schilderung ersichtlich, dass Vizepräsident Vance Vorbehalte gegen die US-Angriffe auf die Huthis hatte. Er schrieb demnach in der Gruppe, dass die USA damit „wieder den Europäern aus der Patsche helfen“ würden, da diese stärker von den Angriffen der Huthis auf die Schifffahrt im Meer betroffen seien als die Vereinigten Staaten.

Trump selbst war nicht im Chat, soll laut Verlauf aber grünes Licht an Pete Hegseth gegeben haben. Bei dem massiven US-Militäreinsatz am 15. März gegen die vom Iran unterstützte Miliz waren nach Huthi-Angaben 53 Menschen getötet und knapp hundert weitere verletzt worden. 

Die Huthi-Miliz kontrolliert große Teile des Jemen. Seit Beginn des Gaza-Krieges hatte die Miliz immer wieder Raketen auf Israel abgefeuert und Schiffe im Roten Meer und im Golf von Aden attackiert. Mittlerweile umfahren deswegen die meisten großen Reedereien die wichtige Seehandelsroute, über die normalerweise zwölf Prozent des weltweiten Seehandels abgewickelt werden.