Seligenthal Wo der alte Schneidmüller lebte

Annett Recknagel

Ingeborg Holland-Jopp und Rosel Herwig begrüßten in ihrem Schneidmühlencafé beinahe 100 Gäste. Die Atmosphäre war bestens.

 
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Aus Meerrettichblättern wickelten sie Zigarren. „Manchmal haben wir sie auch geraucht“, verriet Ingeborg Holland-Jopp mit Blick auf Rosel Herwig. Oft genug haben die zwei im Mühlgraben gebadet. Seit ihrem fünften Lebensjahr sind sie beste Freundinnen. Die Nachbarskinder spielten früher zu gern im Schneidmühlenhof. Das schweißte zusammen. Respekt hatten sie vor dem alten Schneidmüller. Er hieß Oskar Bamberg und war Ingeborgs Opa. Sein Vater, Emil Bamberg, hatte seinem Filius schon 1916 wegen seiner zunehmenden Blindheit die Geschäfte übertragen. Im April 1923 verstarb der Sägewerksbesitzer mit nur 60 Jahren.

Oskar Bamberg musste das Erbe seines Vaters antreten – damals war er erst 25 Jahre alt. Neben dem Sägewerk betrieb er eine Zimmerei. 20 Leute standen bei ihm in Lohn und Brot. Die Holzverarbeitung war bis 1960 Haupterwerbszweig. Danach hieß die Schneidmühle „Holz- und Metallwaren Emil Bamberg“. Deren Chef Oskar Bamberg wurde 89 Jahre alt und verstarb 1987. Ein Jahr vorher hatte er die Schneidmühle an seine Tochter Lore übergeben, die sie bis 1990 führte. Seitdem ruht das Sägewerk.

Wie gut es noch erhalten ist, davon konnten sich um die 100 Gäste des Schneidmühlencafés am Donnerstagnachmittag überzeugen. Anlässlich der 702-Jahr-Feier in Seligenthal hatten Ingeborg Holland-Jopp und Rosel Herwig gemeinsam mit fünf fleißigen Helfern dazu eingeladen. Insbesondere ältere Herrschaften. „Wir wollten, dass diese Altersgruppe mal wieder zusammenkommt, sich trifft, sich an früher erinnert“, waren sich die Freundinnen einig. Die beiden sind gebürtige Seligenthalerinnen, ihre Ehemänner stammen aus Unterschönau und Steinbach-Hallenberg.

Zum Schneidmühlencafé stimmte einfach alles. Die Tische standen unter Bäumen im Schatten. Es gab Stühle mit Lehnen, damit die Damen und Herren gut sitzen konnten. Das Geschirr von anno dazumal, alles Sammeltassen, war ebenso wie die Kaffeekannen an verschiedenen Stellen zusammengetragen worden. Die Bedienung hatte sich extra Schürzen von einst zusammengesucht. Dazu kamen 20 leckere Kuchen – bei zweien davon hatte der fünfjährige Joel, der Nachbarsjunge von Ingeborg Holland-Jopp, kräftig mitgeholfen.

Ursula und Knut Wagner zeigten einen Film in der Schneidmühle, den sie 2006 für die Familie aufgenommen hatten. Ursula Wagner ist die Tochter von Oskar Bambergs zweiter Tochter Elly und damit die Cousine von Ingeborg Holland-Jopp. Mit Hans-Jürgen Neuhöfer gibt es einen weitere Cousin. „Ich habe mein ganze Kindheit hier im Schneidmühlenhof verbracht“, erzählte er. Die Räume über dem Sägewerk seien einst vermietet gewesen, nach dem Krieg hätten dort Flüchtlinge gewohnt. 1978 als die Produktion längst auf Metall umgestellt worden war, nahm Neuhöfer das Sägegatter noch einmal privat in Betrieb, um das für sein, sich zu diesem Zeitpunkt im Bau befindliche, Haus gebrauchte Holz zu schneiden.

Im Innern des Sägewerks konnten außerdem eine Bandsäge, eine Hobelmaschine und jede Menge anderer alter Utensilien besichtigt werden. Sehr interessiert schauten sich die Gäste um, stellten Fragen und staunten. Die Sägespäne fielen während der Produktion in den Keller. Dort blieben sie nicht lange liegen. Die Seligenthaler kamen vorbei und holten sie ab, um sie als Einstreu für ihre Tiere zu verwenden.

Gesprächsstoffstoff gab es zum Schneidmühlencafé also genügend. Im Laufe des Nachmittags holten Ingeborg Hollland-Jopp und ihr Mann sogar den einstigen Küchentisch von Oskar Bamberg ins Freie – schließlich wollte ein jeder Gast seinen Platz haben. Gekommen waren Damen und Herren aus Seligenthal, Hohleborn, Floh, Kleinschmalkalden, Schnellbach und auch aus Steinbach-Hallenberg. Ein jeder lobte die viele Arbeit, die in die Veranstaltung investiert worden war.

Im Rahmen der offenen Höfe am heutigen Samstag kann sich rund um die Schneidmühle zwischen 10 und 18 Uhr dort einmal umgesehen werden. Gerade die Dekoration mit den vielen alten Utensilien macht einen Besuch zum Erlebnis.

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