Seligenthal Mundart als ein Stück Heimat

Annett Recknagel
Sehr souverän moderierte Marlen Leffler den Heimatabend zur 702-Jahr-Feier in Seligenthal – natürlich in Mundart. Foto: Annett Recknagel

Mundart zu sprechen bedeutet für Marlen Leffler aus Seligenthal ein Stück Heimat. Mit ihrem Mann Jens unterhält sich die 39-Jährige sehr oft in Platt.

 
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„Ich bin di Kläi von der Kummersch Christa und dem Effs Rudi“ – mehr braucht Marlen Leffler nicht zu erklären – die Seligenthaler wissen dann Bescheid. Und genauso stellte sie sich den acht Damen und Herren vor, die sie anlässlich der 700 Jahrfeier in ihrem Heimatort interviewte. Allesamt 90 plus. Das war ihr als Mundartsprecherin ein Herzensbedürfnis. Sollten sie doch die Möglichkeit bekommen, aus ihrem Leben von früher zu erzählen. Und das taten sie freilich in Seligenthaler Platt.

Marlen Leffler störte das überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Die 39-Jährige wurde mit der Mundart groß und spricht sie aktuell im Alltag selbst. Mit ihrem Ehemann Jens beispielsweise unterhält sie sich regelmäßig in Platt. Und das nicht nur, um nicht aus der Übung zu kommen, sondern weil es für sie normal ist, dazu gehört. Auch mit ihren Freundinnen redet Marlen Leffler Platt. „Es ist schon Schade, dass in der Schule keine Mundart mehr gesprochen wird“, sagt sie.

Für sie gehört der Dialekt zum Leben im Dorf dazu. „Ich bin damit aufgewachsen. Meine Oma und mein Opa haben mit mir Platt geredet. Ich verstehe alles und ich kann es auch sprechen“, berichtet sie. Und daher zögerte sie nicht lange, als sie von Uta Kieschnick gefragt wurde, den Heimatabend anlässlich des Dorfjubiläums zu moderieren (wir berichteten). Wobei dieser Event ursprünglich ganz anders geplant war. Corona funkte dazwischen und Marlen Leffler ließ sich breitschlagen, während des Abends durchs Programm zu führen.

In Sachen Moderation war sie kein unbeschriebenes Blatt. Beruflich hatte sie sich bei verschiedenen Veranstaltungen in der Agentur für Arbeit ein um das andere mal am Mikrofon bewährt. Und so war das dann auch zum Heimatabend. Das Konzept für die Moderation war schnell entwickelt. „Ich hab das alles selbst geschrieben – alles in Platt, das kann ich schon“, erzählt sie.

Zur Generalprobe war ihre Mutter anwesend. Sie spricht selbst zwar kein Platt, gab der Tochter aber den Hinweis, zu sagen, dass nicht alles unbedingt richtig sein muss. „Es gibt Unterschiede beim Sprechen und die Älteren finden sie ganz schnell“, weiß Marlen Leffler und so stellte sie von Anfang an klar: „Ich sprech när eh por Brocke Platt“. Das Publikum applaudierte. Es war der Abend von Marlen Leffler. Sie bestand ihn mit Bravour. Von Aufregung war keine Spur zu bemerken. Selbst beim Theaterstück wirkte sie mit.

Doch was macht die Faszination Mundart für sie aus? Marlen Leffler verwendet den Begriff Heimatverbundenheit. Zudem sei Mundart auch außerhalb Thüringens brauchbar. In Bayern und Franken beispielsweise verstehe man die Menschen, wenn man Platt kann auch sehr gut. „Das ist viel wert“, meint die Seligenthalerin und bedauert es sehr, dass es in der örtlichen Schule keine Mundartgruppe mehr gebe. Sie selbst habe das Platt von ihrer Oma gelernt. Bei habe sie viel Zeit verbracht, die Eltern seien berufstätig gewesen, ihr Zimmer habe sie bei der Oma im Kullbach gehabt. Bei der Großmutter sei ausschließlich Platt geredet worden. Das habe sie geprägt.

Später dann gehörte Marlen Leffler zur Mundartgruppe der Regelschule in Floh. Geleitet wurde die von Margit Weisheit. Die einstige Lehrerin scharte sechs interessierte Kinder um sich und brachte ihnen das Platt bei. Einmal pro Woche traf man sich in der Arbeitsgemeinschaft, las Texte, studierte Sketche und kleine Theaterstücke ein. Zur Aufführung gebracht wurden sie bei Schuljubiläen und anderen Anlässen. Bis zur zehnten Klasse war Marlen Leffler immer dabei. Selbst zu einem Klassentreffen 2007 bereitete sie sich mit ihren damaligen Schulkollegen auf einen Mundartauftritt vor.

Ihre beiden Kinder Oskar und Frieda schnappen im Gespräch zu Hause freilich auch den ein oder anderen Ausdruck in Platt auf. „Und das ist auch gut so“, sagt die Mama. Bestimmte Begriffe, die es so im Hochdeutschen nicht gibt, will sie an ihre Kinder weitergeben. Das ist ihre Art, Brauchtum zu leben und zu vermitteln.

Im Nachhinein ist Marlen Leffler sehr dankbar für die Feierlichkeiten um das Dorfjubiläum, insbesondere für den Film, den sie gemeinsam mit Erhard Holland-Nell drehen durfte. Anne Bonsack aus Brotterode bearbeitet das Material und so ist ein 39 Minuten langes Dokument entstanden, das auch künftig verwendet werden kann.

Insbesondere der Besuch bei Horst Katzensteiner hat die junge Frau beeindruckt. Am Ende habe er ihr zu verstehen gegeben, unbedingt noch einmal zu kommen. Leider sollte sich das nicht erfüllen. Katzensteiner verstarb einige Zeit nach dem Dreh. Und trotzdem ist Marlen Leffler dankbar, noch mit ihm reden zu dürfen. „Ein gutes Gefühl“, wie sie sagt. Ohnehin hätte sie noch etliche Seligenthaler befragen können.

Bei den ausgewählten acht Personen saß sie teilweise zwischen einer und drei Stunden. Alle redeten sie in Mundart. „Das war für mich keine Anstrengung – ich kann das, ich habe das gerne gemacht“, meint sie. Das gehöre einfach zu ihr.

Auch ihre Schwiegereltern sprechen Platt. Als sie 2005 längere Zeit in Montreal verbrachte, fehlte ihr der Dialekt. „Ich kam heim, sah den Haderholzstein, hörte Mundart und wusste, ich bin zu Hause“, erinnert sie sich.

Und dann denkt sie an die Kirmes 2016. Marlen Leffler sollte im Festzelt in einem Mundartstück mitwirken. Den Text dazu las sie ihrem Opa, der damals im Schmalkalder Altenheim lebte, Tag um Tag vor, um nur ja keine Fehler zu machen. „Er hat mir wertvolle Tipps gegeben“, erzählt sie.

Überhaupt meint sie, einen sehr guten Draht zu älteren Menschen zu haben. Erst unlängst, zum Tag der offenen Gärten und Höfe in Seligen-thal, habe sich das wieder bewährt. Hier sei ihre Gabe, sich in Platt zu unterhalten, voll zur Geltung gekommen.

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