Stausee Westhausen Tragödie auf dem Eis: Zwei Tote

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Zwei junge Menschen sind am Freitag  im  Stausee Westhausen ums Leben gekommen. Sie brachen durchs dünne Eis. Jede Rettung kam zu spät.

 
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Es ist ein schreckliches Bild, das sich den Rettern am zeitigen Samstagmorgen am Stausee Westhausen bietet. Seit Mitternacht sind einige von ihnen im Einsatz, haben zwei junge Menschen gesucht. Zwischen 8 und  8.30 Uhr bergen Taucher ihre Leichen. Es handelt sich um Geschwister, einen 13-jährigen Jungen und seine neun Jahre ältere Schwester. 

Gemeinsam waren sie tags zuvor  mit dem Auto der 22-Jährigen unterwegs und letztmalig gegen 16 Uhr im Ort gesehen worden. Danach fehlt von ihnen jede Spur.  Bei ihren Eltern schrillten am Abend, nachdem sie ihre Kinder telefonisch nicht erreichen konnten, alle Alarmglocken. Sie starteten eine  Suchaktion – mit Hilfe von Verwandten.  Kurz vor Mitternacht entdeckte der Vater das Auto seiner Tochter: geparkt am Stausee nahe des Ortes. Sofort verständigte die Mutter  der beiden Vermissten  die Polizei – und eine  große Suchaktion startete. Polizeisprecherin Vivien Glagau spricht von einer Vielzahl von Einsatzkräften, die an den Ort des Geschehens gerufen wurden:  die Feuerwehr Westhausen, die Wasserwacht Rödental-Coburg des Bayrischen Roten Kreuzes mit Tauchern und   Rettungsbooten. Auch  ein Polizeihund sei zum Einsatz gekommen, zudem waren   die Feuerwehr Schlechtsart, der Rettungshubschrauber und ein Rettungswagen  vor Ort. Bürgermeister Ulf Neundorf  hielt nach dem Anruf seines Feuerwehrchefs nichts mehr in den eigenen vier Wänden. Er kam zur Unglücksstelle, kümmerte sich  um die Versorgung der Retter  und organisierte ein beheiztes Zelt – zum Aufwärmen für die Taucher.

„Auf dem überfrorenen See war die Einbruchstelle deutlich zu sehen“, beschreibt Vivien Glagau das, was sich offenbarte, als die Feuerwehr Seeufer-Bereiche ausleuchtete. Taucher suchten das Areal ab –  wechselten im Viertelstundentakt, denn auch für die Retter im  Neopren-Anzug seien 15 Minuten die maximale Tauchzeit, sagt Wasserwacht-Einsatzleiter Florian Friedrich. In dem etwa zwei  Grad kalten Wasser könne ein untrainierter Mensch, der keinen Neopren-Anzug trägt,  maximal zehn Minuten überleben. Zu vier, fünf Einsätzen werden die Wasserretter aus dem Nachbarlandkreis jährlich gerufen. Doch ein so tragischer Einsatz sei selten, sagt er. Letzten Endes sind es  die Taucher der Wasserwacht, die die beiden Geschwister leblos aus dem Wasser bergen. Jede Hilfe kommt zu spät, der Notarzt kann nur noch den Tod feststellen.

Polizei geht von Unglück aus

Christoph Kirchner ist Vorsitzender der Coburger Kreiswasserwacht und Rettungstaucher. Um 4.30 Uhr wurde die zwölfköpfige Schnelleinsatzgruppe der Wasserwachten Rödental und Coburg alarmiert – bestehend aus Wasserrettern, Bootsführern, Tauchern, Signalmännern und Führungskräften. Bei Dunkelheit, Eiseskälte und schlechter Ausleuchtung, die nur vom Staudamm aus möglich war, suchten die Einsatzkräfte zunächst nach möglichen Einbruchstellen. „Wir sind schnell fündig geworden und mussten von vornherein von einem Unglück ausgehen“. Das Eis war an der Einbruchstelle – etwa 30 Meter vom Ufer entfernt nur zwei bis drei Zentimeter dick, mindesten zwölf sind nötig bis eine Eisfläche freigegeben werden kann. „Es war also klar, was uns erwartet“, sagt Kirchner.

Unter Wasser betrug die Sicht trotz Lampen, die die Eistaucher dabei hatten, nur zehn bis 15 Zentimeter. „Man sieht also so gut wie nichts. Und wenn, dann taucht es urplötzlich vor der Maske auf“, so Kirchner. „Im konkreten Fall war da nichts mehr zu retten, nur noch zu bergen.“ Luftaufnahmen zeigen unterschiedliche Färbungen des Eises, das an einigen Stellen kreisförmige Blasen bildet. Laut Kirchner liegt das an Strömungen und Unterwasserpflanzen. Beides führt zu unterschiedlichen Temperaturen und damit unterschiedlichen Stärken der Eisdecke. Was letztendlich wohl zu der Katastrophe führte. „Das Eis hat ein ganzes Stück weit getragen, bis es dann plötzlich gebrochen ist. In dem Moment ist man geschockt und voller Adrenalin“.

Und müsste eigentlich Ruhe bewahren und versuchen, entweder möglichst großflächig aufs Eis zu kommen oder – wenn das nicht möglich ist, es einzuschlagen und sich Stück für Stück zum Ufer vorzukämpfen. Tragisch ist, dass die Geschwister es soweit auf den See geschafft haben und ihnen die Kraft zurück fehlte. „Wir gehen von einem Unglücksfall aus und dass sich die beiden eigenständig aufs leicht überfrorene Wasser begeben haben. Aus welchem Grund auch immer“, sagt Vivien Glagau. Hinweise auf Fremdverschulden gebe es keine. Dennoch ermittelt die Kriminalpolizei Suhl.

Der Schock sitzt tief. Eltern haben beide Kinder verloren. Der  Kriseninterventionsdienst kommt zum Einsatz, kümmert sich um die Hinterbliebenen. Sie werden ins Krankenhaus gebracht. „Das Leid kann man nicht nehmen, nur da sein, die Familie unterstützen“, sagt Vivien Glagau, die „so etwas Schreckliches noch nicht miterlebt“ hat. Im Dorf Westhausen ist es an diesem Tag ungewöhnlich still. Und auch Bürgermeister Ulf Neundorf  fehlen am Samstagnachmittag die Worte. „Es ist Wahnsinn, eine schreckliche Tragödie.“ Doch – so  traurig es klingt: Er sei froh, dass die Kinder gefunden worden sind. Das bringe wenigstens Klarheit.  „Ganz, ganz großes Beileid der Familie. Wenn Unterstützung gebraucht wird – wir helfen“, sagt er.

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