Sehhilfe in armen Ländern Brillen für kleines Geld als große Hilfe

Jessie Morgenroth
Der Ilmenauer Uwe Schüller ( Foto: privat

Der Ilmenauer Uwe Schüller engagiert sich im Verein „Ein-Dollar-Brille“. Mit einfachen Mitteln werden Brillen gefertigt, die den Menschen in armen Ländern zu Gute kommen.

 
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Ilmenau - Wer in Deutschland eine Brille braucht, geht zum Augenarzt oder Optiker, um sich die Augenwerte ermitteln zu lassen. Dann sucht sich der künftige Brillenträger aus einer schier endlosen Auswahl das passende Gestell raus, gibt die Brille in Auftrag und nach einer kurzen Wartezeit kann er wieder – alles im Blick habend – den Alltag meistern. Bei Fehlsichtigen in Dritte-Welt-Ländern ist dies anders. Es mangelt an Möglichkeiten der Augenuntersuchungen und auch das Fertigen einer Brille gestaltet sich schwierig, zumal sich die einfache Bevölkerung teure Sehhilfen ohnehin nicht leisten können. Hier setzt die Organisation „Ein-Dollar-Brille“ an. Uwe Schüller engagiert sich als einziger Ilmenauer im Verein.

Mehr als 950 Millionen Menschen auf der Welt bräuchten einer Studie der WHO zufolge eine Brille, bekommen aber keine, erklärt Uwe Schüller. Infolge dessen sind die Menschen in ihrem Alltag, in der Schule, aber auch auf der Arbeit beeinträchtigt, so Schüller. Hier sollen die Ein-Dollar-Brillen Abhilfe schaffen. Der im Namen suggerierte eine Dollar bezieht sich dabei auf den Materialpreis der Brille, der tatsächlich etwa einen US-Dollar beträgt. Denn das Gestell wird aus Federstahldraht gefertigt, dieses Material stammt aus Europa. Die Brillengläser kommen aus China. Viel mehr Material braucht es zur Herstellung einer Brille gar nicht, durch farbigen Schrumpfschlauch und bunte Perlen können die Sehhilfen noch individualisiert werden. Die Brillen sind zwar aus einfachen Materialien gefertigt, aber sehr robust. Die Sehhilfen gleichen sphärische Stärken von bis zu minus zehn und plus acht Dioptrien, aber keinen Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) aus.

Zur Herstellung der Brille kommt die kleinste Biegemaschine der Welt zum Einsatz. „Die funktioniert ohne Elektronik in jeder abgelegenen Gegend“, erklärt Uwe Schüller. Dem Verein geht es aber nicht nur um die Brillen an sich, auch ein Ausbildungskonzept für die Menschen vor Ort gehört zur Ein-Dollar-Brillen-Initiative. Der Verein bildet die Einheimischen zur Brillenherstellung beziehungsweise als augenoptische Fachkräfte aus. Mit ihrem Equipment kommen diese Augenspezialisten dann in die Dörfer, um hier Augentests mit den Einheimischen zu machen und anschließend direkt die Brille herzustellen. „Hilfe zur Selbsthilfe“, ist das große Motto, erklärt Uwe Schüller. Nicht nur können die Einheimischen sich mit dem erlernten Wissen und den Materialien selbst um die Brillenversorgung kümmern, auch werden so vor Ort Arbeitsplätze geschaffen. In Städten sollen kleine Containershops aufgebaut werden.

Der Verein ist in den Ländern Myanmar, Peru, Bolivien, Brasilien, Burkina Faso, Äthiopien, Malawi. Kenia und Indien aktiv. Eine Brille wird letztlich für den zwei- bis dreifachen lokalen Tageslohn verkauft. Verschenkt werden die Sehhilfen nicht, denn „was nichts kostet, hat keinen Wert“, so Schüller. Selbst war er im Zuge der Vereinsarbeit noch nicht vor Ort unterwegs, allerdings ist er mit den Ländern im Süden Afrikas durch seine Urlaubsreisen vertraut. Schüller habe einen Bezug zu den Ländern und auf seinen Reisen in den vergangenen 20 Jahren auch erlebt, wie viele Hilfsprojekte zwar gut gemeint waren, vor Ort aber nicht wirklich etwas bewirken konnten. Mit den Ein-Dollar-Brillen soll es anders sein.

Erfunden wurden die Ein-Dollar-Brillen vom Mathematik- und Physiklehrer Martin Aufmuth, er gründete 2012 den Verein „Ein-Dollar-Brille“. Uwe Schüller, der Feinwerkmechanik und Maschinenbau studiert hat und später bei Siemens als Entwicklungsleiter für Elektromotoren gearbeitet hat, wurde durch eine Vereinvorstellung zur Langen Nacht der Technik in Ilmenau auf den Verein aufmerksam, seit gut zwei Jahren engagiert er sich für die Initiative, kümmert sich in der Technikgruppe um die Biegemaschinen und übernimmt Brillenglasqualitätsprüfungen. Zwischen zehn und 15 Stunden ist der mittlerweile in den Ruhestand gegangenen Ilmenauer ehrenamtlich pro Woche für den Verein aktiv. Schüller ist in die Regionalgruppe Erlangen eingeteilt, seines Wissens nach sind in Ilmenau keinen anderen Menschen im Verein tätig .

Mit seinen Mitstreitern hatte Uwe Schüller Mitte Juli einen Informationsstand am Ilmenauer Apothekerbrunnen aufgebaut, um die Ilmenauer auf die Initiative und das Ziel, eine kontinuierliche augenoptische Grundversorgung in Entwicklungsländern und 150 Millionen Menschen mit einer Brille zu versorgen, aufmerksam zu machen. An einem Samstagvormittag war das Interesse der Ilmenauer an der Aktion nicht ganz so groß, viele waren gestresst in der Fußgängerzone unterwegs, weil sie ihren Einkauf erledigen mussten, erinnert sich Uwe Schüller. Mehr Zeit und Interesse hatten hingegen die Urlauber, die sich am Informationsstand neugierig informierten. Generell seien aber auch die Ilmenauer an der Ein-Dollar-Brillen-Initiative nicht uninteressiert, so Schüller. Zur Langen Nacht der Technik, als die Menschen Zeit hatten, waren zahlreiche Menschen am Aktionsstand, es war ein „wahnsinnig großes Interesse“ erinnert er sich. Zudem gibt es seit Mitte April bei den Pfandautomaten im Ilmenauer Edekamarkt Spendenboxen, in die der Pfandbon zu Gunsten des Vereins gesteckt werden kann. Zwischen 300 und 350 Euro kamen schon zusammen, freut sich Uwe Schüller. Jede Woche sei die Box gefüllt. Darüber hinaus gibt es in einer Suhler Augenoptiker-Filiale eine Spendenbox.

Der Verein

Mehr als 300 Ehrenamtliche engagieren sich in Deutschland, der Schweiz und den USA für die Ein-Dollar-Brille, zudem gibt es 27 hauptamtlich Aktive. In den Projektländern erhalten mehr als 200 Mitarbeitende bei der Ein-Dollar-Brille ein gesichertes Einkommen.

Weitere Informationen zur Vereinsarbeit gibt es im Internet unter https://www.eindollarbrille.de/

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