SED-Diktatur Opfer sollten sich beraten lassen

Eike Kellermann
Peter Wurschi ist Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Foto: /M. Reichel

Wer in der DDR politisch verfolgt wurde, kann in Thüringen einen Zuschuss von bis zu 5000 Euro für Sachleistungen beantragen. Man muss es nur wissen.

 
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Der Fonds hat einen sperrigen Namen, was nichts daran ändert, dass er Gutes bewirken kann. Der im vorigen Jahr vom Landtag beschlossene „Härtefallfonds für die Gewährung von Unterstützungsleistungen an die in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR aus politischen Gründen Verfolgte sowie an Opfer des DDR-Zwangsdopings“ soll Belastungen ausgleichen, die Betroffene angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten derzeit zu tragen haben. Ein Zuschuss für Anschaffungen von bis zu 5000 Euro wird gewährt.

„Das kann eine Gesundheitsleistung sein wie die Anschaffung eines Hörgeräts oder einer Brille, ein neuer Kühlschrank oder auch ein E-Bike“, sagt der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Peter Wurschi. Ihm zufolge sind mittlerweile 122 Anträge eingegangen, 19 wurden bislang bewilligt. Der Fonds ist mit einer Million Euro ausgestattet. Anspruch haben aber nur aktuell in Thüringen wohnende Personen, nicht solche, die zu DDR-Zeiten hier lebten und nun in einem anderen Bundesland zu Hause sind. Voraussetzung ist eine wirtschaftliche und soziale Notlage. Da 43 Prozent der Thüringer SED-Opfer ein monatliches Nettoeinkommen von höchstens 1000 Euro haben, wie in einer Studie gerade festgestellt wurde, dürfte dieses Kriterium bei vielen erfüllt sein. Als weitere Voraussetzung gilt: Eine gefühlte Benachteiligung zu DDR-Zeiten reicht nicht aus, vielmehr muss von eine rechtskräftige Rehabilitierung vorliegen.

Viele Betroffene, vermutet Wurschi, haben das bisher bei den zuständigen Gerichten nicht beantragt. Vielleicht sahen sie – neben der Scham – angesichts ihres beruflichen Einkommens keine Notwendigkeit dafür. Nun, im Rentenalter, schlagen die zu DDR-Zeiten erlittenen Benachteiligungen durch. Der Landesbeauftragte ermuntert deshalb jeden, sich von seinem Team beraten zu lassen. Am Mittwoch wurde in Erfurt eine neue Beratungsstelle eröffnet. Ein bis zwei Mal im Jahr bieten die Berater auch in jedem Thüringer Landkreis Beratungsstunden an.

Wer zu DDR-Zeiten vielleicht auf den Friedhof zur Arbeit verbannt wurde, weil er aufmüpfig war, wem der Studienplatz aus politischen Gründen verwehrt wurde, wer seinen Arbeitsplatz nach einem Ausreiseantrag verlor oder nach einem Fluchtversuch gar in Haft kam, der kann für das Unrecht rehabilitiert werden. Obwohl die DDR schon seit mehr als drei Jahrzehnten Geschichte ist, komme im Schnitt alle zwei Wochen jemand zur Beratung, bei dem gute Chancen auf eine Rehabilitierung bestünden, sagt der Landesbeauftragte.

Das gilt auch für Kinder, die zu DDR-Zeiten zwangsweise in Jugendwerkhöfe oder Kinderheime kamen. Da der gesetzliche Anspruch inzwischen erweitert wurde, könnten früher Abgelehnte jetzt erfolgreicher sein, meint Wurschi. Er schätzt, dass unter den 5000 Heimkindern, von denen bisher Akten angelegt wurden, rund ein Drittel neu einen Anspruch haben könnte.

Die soziale Lage der SED-Opfer ist jedenfalls keineswegs so gut wie der verklärte Blick vieler Thüringer auf die DDR erwarten lässt. Im Vergleich zum Durchschnitt haben sie deutlich weniger Einkommen zur Verfügung und leiden häufiger an Krankheiten. Darin spiegeln sich die Folgen des in der DDR erlittenen Unrechts. Positiv ist allerdings, dass sich ihre Lage seit der vorigen Befragung im Jahr 2007 verbessert hat. Wohl auch eine Folge, dass anerkannte SED-Opfer mittlerweile eine Opferrente von bis zu 330 Euro pro Monat bekommen können. Angesichts der Inflation fordern die Landesbeauftragten für das SED-Unrecht in den ostdeutschen Bundesländern eine Erhöhung.

Der Thüringer Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur:

www.thla-thueringen.de

oder Telefon: 0361 / 57 31 14 959

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