Schwere Vorwürfe Es rumort bei Busfahrern und -firmen

Rolf Dieter Lorenz

Als Veolia und Transdev über die Werrabus GmbH noch den ÖPNV im Landkreis Hildburghausen betrieben haben, schien alles in Ordnung. Doch seit Werrabus zur Moveas GmbH (früher RBA) in Arnstadt gehört, gibt es im Firmenkonstrukt gegenseitige Kritik und Vorwürfe.

 
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Sieht soweit ganz partnerschaftlich aus. Doch so friedlich, wie die Busse hier nebeneinanderstehen, geht es unter den Südthüringer Busfirmen nicht zu. Foto: frankphoto.de/Bastian Frank

Es sind heftige Vorwürfe, die ein Busfahrer an einem Sonntagnachmittag in einem Telefonat erhebt: „Bis zu 14 Stunden Arbeitszeit täglich, bis zu 56 Stunden in einer Woche. Geteilte Dienste, mit Zwischenaufenthalten irgendwo im Landkreis, ohne Pausenraum.“ Dazu ein angeblich nicht zertifiziertes Fahrkarten-Drucksystem, das Fehler mache, den Fahrschein für einen Busnutzer mehrfach ausdrucke, sodass am Ende die Kasse nicht stimme. Es sind Klagen über die Werrabus GmbH, die von einem Arnstädter Busunternehmen übernommen wurde, eine neue Software eingeführt sowie den Linien- und Schülerbusverkehr im Landkreis Hildburghausen zum größten Teil über vier Subunternehmen und zu einem geringen Teil selbst betreibt.

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Der Busfahrer, der zunächst als einzelner Whistleblower die Vorwürfe öffentlich macht, ist unserer Redaktion namentlich bekannt. Ebenso wie acht weitere Busfahrer, die sich im Laufe der Recherche mit vollem Namen auf eine Liste eintragen lassen und sich den Vorwürfen ihres Kollegen anschließen. Diese Busfahrer sind für zwei von insgesamt fünf privaten Busbetrieben im Landkreis tätig und dort fest angestellt. Das sind Domhardt-Reisen in Waldau samt einer Subfirma, Leipold-Reisen in Veilsdorf, Schmidt-Reisen in Merbelsrod und die Siegling-Reise- und Veranstaltungs-GmbH in Schleusingen.

Verschachteltes Firmenkonstrukt

Zusammengeschlossen sind diese vier Busbetriebe in der Südthüringer Busgesellschaft (SBG). Deren Geschäftsführer ist zugleich der Chef und Inhaber von Domhardt-Reisen. Die SBG ist quasi eine Firmenhülle und Vertragspartner der Werrabus GmbH, in deren Auftrag sie mit den vier Betrieben den Linien- und Schülerbusverkehr im Landkreis Hildburghausen zu 90 Prozent sicherstellt. Die Werrabus GmbH, die früher zu Veolia und Transdev gehörte, ist inzwischen eine Produktmarke und eine 100-Prozent-Tochter der Moveas GmbH in Arnstadt. Das private Busunternehmen hatte früher unter ihrem alten Namen „Regionalbus Arnstadt“ (RBA) im Ilmkreis in einem Streit mit der Landrätin über die Kommunalisierung des Busverkehrs für Schlagzeilen gesorgt. Nach einer europaweiten Ausschreibung des Landkreises Hildburghausen hatte die RBA den Zuschlag für den Linien- und Schülerbusverkehr in dieser Region bekommen, sich später in Moveas GmbH umbenannt.

Nach den Vorwürfen des Busfahrers hat unsere Redaktion die Werrabus GmbH sowie den Landkreis Hildburghausen per E-Mail um Stellungnahme gebeten. Was zurückkommt, ist die E-Mail einer Hamburger Rechtsanwaltskanzlei. Diese weist für ihre Mandantin, die Werrabus GmbH, alle geäußerten Vorwürfe zurück. Darüber hinaus heißt es in dem Schreiben: „Im Falle einer unwahren Berichterstattung wird sich meine Mandantin rechtlich zur Wehr setzen.“

Der Landkreis Hildburghausen, durch Landespresse- und Informationsfreiheitsgesetz als Behörde zu einer Stellungnahme verpflichtet, beruft sich schlicht auf die E-Mail der Hamburger Juristen und schreibt: „...bezugnehmend auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen mit, dass wir zwischenzeitlich Rücksprache mit den Verkehrsunternehmen gehalten haben. Diese haben uns zugesichert, die inhaltlichen Fragen selbst zu beantworten. Wir gehen davon aus, dass Sie die Beantwortung bereits erhalten haben und geben daher keine separate Stellungnahme ab.“

Eklatante Vertragsverletzungen

Reaktionen, die zunächst den Anschein erwecken, dass der Busfahrer mit seinen Vorwürfen offenbar in ein Wespennest gestochen hat. Um den Sachverhalt aufzuklären, finden in der Folgezeit zwei Gesprächstermine statt: Mit Vize-Landrat Dirk Lindner und mit dem Geschäftsführer der Arnstädter Moveas und Werrabus Gmbh, Knut Gräbedünkel. Dabei kommt heraus, dass hinter den Kulissen des Firmengeflechts schon in der Vergangenheit nicht alles reibungslos abgelaufen ist. So habe es auch aufseiten der Subunternehmen und der Busfahrer eklatante Vertragsverletzungen gegeben, sagt Knut Gräbedünkel. Die Werrabus GmbH habe daraufhin mit Strafzahlungen und schriftlichen Abmahnungen reagiert.

Fakt ist, dass es zwei Verträge gibt. Der Landkreis hat einen Verkehrsvertrag mit der Werrabus GmbH, die zur Moveas GmbH gehört. Und Werrabus hat einen Vertrag mit der SBG, unter deren Dach die Busbetriebe im Landkreis ihre Leistungen zu erbringen haben. In beiden Verträgen ist festgelegt, dass der Manteltarifvertrag des Verbandes der Mitteldeutschen Omnibusunternehmer (MDO) anzuwenden ist.

Nach Auskunft von Vizelandrat Dirk Lindner und dem Nahverkehrsbeauftragten des Landkreises, Felix Meyer, haben Busfahrer beispielsweise im November 2022 in acht Fällen ihre Bustouren vorzeitig abgebrochen. Sie hätten die letzte Einstiegshaltestelle nicht mehr angefahren, offenbar weil sie glaubten, da würde kein Busnutzer mehr zusteigen. Für derartiges Fehlverhalten sieht der Vertrag Strafzahlungen in Höhe von 200 Euro vor. Darüber hinaus, so Lindner, sei ein Koordinierungsteam gegründet worden, nachdem es Vorwürfe gegen die Werrabus GmbH gegeben hatte. Diese fährt vertragsgemäß ein Zehntel der Buslinien im Landkreis Hildburghausen selbst. Dabei soll sie sich anfangs die lukrativsten und umsatzstärksten Buslinien rausgesucht haben. Generell, so sagt Vizelandrat Lindner, funktioniere der Busverkehr im Landkreis jedoch überwiegend reibungslos. Erfreulich sei gewesen, dass nach der Ausschreibung ein Unternehmen den Zuschlag bekommen hat, das die Subbusbetriebe im Landkreis mit einbinde. „Und die meisten Busfahrer machen auch einen ausgezeichneten Job. Ziel ist es, einen attraktiven und modernen ÖPNV im Landkreis zu etablieren, sodass mehr Fahrgäste auf den umweltfreundlicheren Busverkehr umsteigen“, so Lindner.

Kritik der Moveas GmbH

Nach Angaben von Moveas-Chef Knut Gräbedünkel haben fast alle Subunternehmen gegen den Tarifvertrag verstoßen und Busfahrern nicht alles ausbezahlt, was die Werrabus GmbH dafür an die SBG überwiesen habe. Deshalb habe es schriftliche Abmahnungen gegeben. Das neue Fahrkarten-Drucksystem habe in einem Einzelfall fehlerhaft funktioniert, was aber sofort korrigiert wurde, so Gräbedünkel. Weitere Fälle seien möglicherweise auf eine Fehlbedienung seitens der Busfahrer zurückzuführen.

Generell und prinzipiell sei die Basis des Fahrkarten-Drucksystems zertifiziert. Lediglich für die neue Softwareaufspielung, die nötig geworden sei, weil die alte Software nicht mehr unterstützt wurde, gebe es vom Softwarehersteller noch kein Zertifikat. Das soll aber nachgeholt werden. Außerdem würden alle detaillierten Dienstpläne sowie die geteilten Dienste in Absprache mit der SBG und den beteiligten Sub-Busbetrieben erstellt, sagt Moveas- und Werrabus-Chef Gräbedünkel. Und im Gebäude der Werrabus GmbH in Hildburghausen gebe es auch einen Aufenthalts- und Pausenraum für die Busfahrer.

Im Anschluss an die Recherchen unserer Redaktion, sagt der namentlich bekannte Busfahrer und Whistleblower auf Nachfrage, seien die Geschäftsführer der SBG und der Sub-Busbetriebe nach Arnstadt zur Werrabus und Moveas GmbH zitiert worden. Der Geschäftsführer von Domhardt-Reisen und der SBG, Dieter Domhardt, bestätigt in einem Telefonat, dass in der Zusammenarbeit mit der Werrabus und Moveas GmbH nicht alles völlig geräuschlos und ideal abgelaufen sei. Aber er bittet zugleich um Verständnis, dass er sich als SBG-Chef im Detail offiziell nicht äußern könne. Nach Rücksprache mit den vier Sub-Busbetrieben habe er dafür kein grünes Licht bekommen.

Fazit: Es rumort offenbar unter einigen Busfahrern und Busbetrieben im Landkreis Hildburghausen. Zumindest scheint Unzufriedenheit darüber zu herrschen, wie der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) nach der Übernahme von Werrabus durch die Moveas GmbH abgewickelt und organisiert wird. Vielleicht könnte ein gemeinsamer ÖPNV-Gipfel auf Landkreisebene mit allen beteiligten Subfirmen, Busfahrern sowie der Werrabus- und Moveas-GmbH helfen, alle Streitigkeiten der Vergangenheit und der Gegenwart auszuräumen. Um damit wieder Frieden zu schaffen im Firmenkonstrukt sowie für die Busfahrer und Mitarbeiter des Linien- und Schülerbusverkehrs. „Der Landkreis steht dafür jederzeit zur Verfügung“, sagt Vizelandrat Dirk Lindner.