Wie unsicher selbst diese Interpretation ist, zeigt das Beispiel Einkommensteuer: "Wir werden" steht da in Zeile 1442 des Vertrags – und trotzdem stellt Merz das Vorhaben nun unter Vorbehalt.
Grünen-Chef Felix Banaszak wirft den wahrscheinlichen künftigen Regierungspartnern deshalb Planlosigkeit vor. "Man muss sich ernsthaft fragen, was diese Vereinbarung eigentlich wert ist, wenn sie jeder schon für sich selbst interpretiert, bevor sie überhaupt beschlossen ist", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Woher sollen die Bürgerinnen und Bürger eigentlich noch wissen, wofür die neue Regierung steht?"
Abschreibungs-Erleichterungen sollen sicher kommen
Sicher kommen sollen die geplanten Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung von Unternehmen. "Diese Abschreibungen sind gar nicht so teuer. Sie ermöglichen Investitionen, und darüber sind wir uns Gott sei Dank mit der SPD einig", hatte Merz schon Mitte der Woche im ARD-"Brennpunkt" versichert.
Auch Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sieht nicht alles gleichermaßen unter dem Finanzierungsvorbehalt. Es gebe eine klare Priorität für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, betonte er.
Vetomacht Finanzministerium
Der Finanzierungsvorbehalt im Koalitionsvertrag gibt vor allem einem Ressort viel Gestaltungsmacht: dem Finanzministerium, das in der neuen Regierung von der SPD geführt wird. Ein neuer Finanzminister oder eine neue Finanzministerin wird eine Art Vetorecht haben und damit die Möglichkeit, Vorhaben einzelner Koalitionäre deutlich zu erschweren.
Wer das Ministerium übernimmt, steht noch nicht fest. Als wahrscheinliche Option gilt Klingbeil, der damit mächtiger Vizekanzler werden könnte.
Letzte Instanz in Streitfällen wird allerdings weiter der Koalitionsausschuss mit Spitzenpolitikern aller drei Partner sein. Monatlich wolle man tagen, haben CDU, CSU und SPD festgelegt.
Merz bremst beim Mindestlohn
Und auch hier ist ein Streitpunkt schon absehbar: der Mindestlohn. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Höhe weiterhin von der Mindestlohnkommission festgelegt wird. "Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar", heißt es.
Merz sagte in der "Bild am Sonntag", möglicherweise komme man auch erst 2027 auf diesen Betrag. Die SPD gibt 2026 als Ziel aus. Und auch manche in der Union. "Ab 2026 muss der gesetzliche Mindestlohn von der Mindestlohnkommission auf 60 Prozent des Medianeinkommens angehoben werden", forderte der CDU-Sozialflügel CDA. Die CDU dürfe soziale Fragen nicht der SPD überlassen, betonte der Vize-Bundesvorsitzende der Arbeitnehmervereinigung, Christian Bäumler.